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Berlin
„Es ist Pflicht jedes Einzelnen, sich um sein Eigentum zu kümmern“
Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), hat zur Einführung einer Pflichtversicherung gegen die Schäden von Naturkatastrophen eine deutliche Meinung.
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 24.06.2024 02:39 Uhr

Herr Rollinger, der Süden Deutschlands beseitigt die Schäden des jüngsten Hochwassers. Es war die vierte Flut binnen weniger Monate, die die Republik getroffen hat. Am Donnerstag diskutieren die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz über die Einführung einer Pflichtversicherung gegen die Zerstörungen durch Naturkatastrophen. Die Versicherungswirtschaft ist dagegen. Weshalb? 

Norbert Rollinger: Wir lehnen die Pflichtversicherung aus verschiedenen Gründen ab, weil das allein das Problem nicht löst. Wir lehnen es ab, weil wir befürchten, dass dann die Prävention gegen Naturkatastrophen wie Hochwasser nachlässt – sowohl vonseiten des Staates als auch vonseiten der Bürger. Wir haben gesehen, wie mühselig in Bayern mancherorts der Bau von Poldern voranging. Alle würden sich letzten Endes darauf verlassen, dass die Versicherungen schon irgendwie zahlen. Wir sind auch gegen eine Pflicht, weil die Immobilieneigentümer selbst entscheiden sollen, wie sie ihre Häuser und Wohnungen absichern. Es ist die Pflicht jedes Einzelnen, sich um sein Eigentum zu kümmern. 

Sie könnten doch eigentlich froh sein, wenn der Staat eine Pflicht zur Versicherung erlässt. Sie würden auf einen Schlag Millionen neue Verträge abschließen, denn nur etwa die Hälfte der Gebäude ist hierzulande gegen die Schäden durch Flut, Hagel und Sturm abgesichert.

Rollinger: Es geht jetzt wirklich darum, für Deutschland ein sinnvolles Modell zu finden. Es geht nicht darum, irgendeinem ein Geschäft zuzuschanzen. Wir wissen, dass der Schwarze Peter am Ende bei uns landen würde. Wenn bei der Prävention nichts passiert, werden die Beiträge immer weiter steigen, und damit ist unseren Kunden letztlich nicht gedient. Denn wir müssten für solche Extremwetterereignisse entweder sehr viel Rückversicherungsschutz einkaufen oder sehr viel Kapital vorhalten. Unser Ruf würde dadurch leiden. Aber wir haben leider noch keine Goldader gefunden, um das zu finanzieren. Der Staat macht es sich natürlich einfach, wenn er aus finanziellen Gründen eine Pflichtversicherung beschließt. Im Katastrophenfall sänken seine Ausgaben. Die Bürger zahlen ohnehin, entweder als Steuerzahler oder als Versicherungsnehmer.

Aus den Reihen von CDU und CSU gibt es einen anderen Vorschlag. Demzufolge müssten die Versicherungsgesellschaften jedem eine sogenannte Elementarschadensversicherung anbieten, aber letztlich wählt jeder Immobilienbesitzer selbst aus, ob er den Vertrag abschließen möchte oder nicht. Was halten Sie davon?

Rollinger: Das ist auch unser Ansatz. Wir sind für eine Angebotspflicht mit der Möglichkeit für die Kunden, selbst zu wählen. Wir wünschen uns selbst, dass sich mehr Kunden gegen die Folgen von Naturkatastrophen versichern. Aber jeder soll das frei entscheiden dürfen. 

Würden Sie denn allen Hausbesitzern an den Flüssen und Bächen, die über die Ufer getreten sind, ein Angebot machen?

Rollinger: Ja, das ist ja der Kern der Angebotspflicht. 

Und könnten diese das auch bezahlen? 

Rollinger: In Deutschland liegen 98,5 Prozent der Häuser in den Schadenzonen eins und zwei. Sie sind also nicht besonders stark gefährdet. Eine Überschwemmung tritt dort beispielsweise statistisch seltener als alle 100 Jahre auf. Eine Versicherung dieser Immobilien ist unproblematisch. Die restlichen 1,5 Prozent liegen in gefährdeten Gebieten, zum Beispiel direkt am Flussufer. Aber auch diesen Kunden machen wir ein vernünftiges Angebot. Und das heißt jetzt nicht, dass sie 20.000 Euro pro Jahr an Prämien zahlen müssen. Wir reden da in der Regel vom niedrigen vierstelligen Bereich, allerdings mit Selbstbehalt. Die Höhe der Beiträge spiegelt das Risiko wider, wie es auch bei anderen Versicherungen der Fall ist, zum Beispiel der Kfz-Haftpflicht. Einfach gesprochen: Wer auf dem Hügel wohnt, hat ein geringeres Risiko für Überflutung als die Leute, die am Fluss leben. 

In Frankreich gibt es seit 1982 eine Pflichtversicherung gegen Katastrophenschäden. Die Jahresbeiträge dort liegen im Schnitt bei 26 Euro. Warum soll das nicht auch in Deutschland möglich sein?

Rollinger: Das System in Frankreich ist staatlich organisiert. Der Katastrophenfonds ist dort seit Jahren defizitär und die Beiträge steigen. Wegen des Klimawandels treten Extremwetterereignisse häufiger auf. Aus diesem Grund steigen auch in Frankreich die Beiträge. In diesem Jahr haben sie deutlich angezogen. Der Fall Frankreich zeigt sehr deutlich, was wir auch in Deutschland sehen. Es wird nicht genügend für die Prävention gemacht, man verlässt sich darauf, dass die Versicherung für die entstandenen Schäden zahlt. Diesen Fehler sollten wir in Deutschland nicht machen.

 
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