Zehntausende Menschen gehen seit mehr als einem halben Jahr in Israel auf die Straßen und protestieren gegen die umstrittenen Pläne der Regierung zu einer Justizreform. Trotz massiver Kritik hat das israelische Parlament den umstrittenen Justizumbau am Montagmittag vorangetrieben. 64 der 120 Abgeordneten stimmten für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung.
Worum es bei der Justizreform im Detail geht und was daran kritisiert wird, lesen Sie hier.
Worum geht es bei der Justizreform in Israel?
Mit der Justizreform verfolgt die israelische Regierung das Ziel, dem Parlament zu ermöglichen, mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Damit würde dessen Befugnis zur rechtlichen Überprüfung von Gesetzen fast vollständig abgeschafft werden. Zudem sollen Politikerinnen und Politiker bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten. Laut der Regierung solle mit der Reform ein Justizsystem überarbeitet werden, das den Gerichten und Rechtsberatern der Regierung zu viel Mitspracherecht bei der Gesetzgebung verschaffe.
Was wird an der Justizreform in Israel kritisiert?
In den Plänen zur Justizreform sehen Kritiker eine Gefahr für die demokratische Gewaltenteilung. Dem Höchsten Gericht kommt eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu, weil Israel keine schriftliche Verfassung hat und der Staat stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen fußt. Staatspräsident Izchak Herzog warnte vor einem verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch Israels, falls die Regierung ihre Pläne kompromisslos und gegen alle Widerstände durchsetzen sollte.
Wirtschaftswissenschaftler und führende Vertreter der Hightech-Branche und des Bankensektors warnen unterdessen angesichts der Instabilität des Reformstreits vor einer Flucht von Investoren und Kapital aus Israel. Die Pläne würden das Vertrauen in die Institutionen schwächen, was letztlich zu einem Wohlstandsverlust führen könnte.
Justizreform in Israel: Was ist der aktuelle Stand?
Trotz zahlreicher Proteste schreitet die Justizreform weiter voran. In der Nacht zum 11. Juli billigte Israels Parlament einen Gesetzentwurf in erster Lesung. Er sieht vor, dass es dem Höchsten Gericht künftig nicht mehr möglich sein soll, eine Entscheidung der Regierung als "unangemessen" zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung hochrangiger Posten begünstigen könnte.
Am Sonntag hatte das Parlament in Jerusalem eine Marathonsitzung begonnen, um über ein Kernelement der umstrittenen Pläne abschließend zu beraten. Am Montag hatte Israels Parlament dann über ein Kernelement der umstrittenen Pläne der Regierung abgestimmt. 64 der 120 Abgeordneten stimmten dafür.
Mit dem neuen Gesetz ist es dem Höchsten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten. Nach der Abstimmung kam es am Montagabend kam es zu Massenprotesten im Land.
Am Montag stellte der Chef des Gewerkschaftsverbands Histadrut, Arnon Bar-David, einen Generalstreik in Aussicht. Gegner der Reform fordern dies schon lange. Ende März hatte der Gewerkschaftsbund mit 800.000 Mitgliedern wegen der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galant durch Netanjahu schon einmal zum Generalstreik aufgerufen. Galant hatte zuvor den Umbau der Justiz kritisiert. Netanjahu setzte die Pläne dann vorübergehend aus, Galants Entlassung wurde rückgängig gemacht.
Am Dienstag will die Opposition eine Petition beim Höchsten Gericht einreichen, die die „einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels" verhindern soll. Das kündigte OppositionsführerJair Lapid am Montag an.
Justizreform in Israel: Wie reagiert Ministerpräsident Netanjahu auf Kritik und Demos?
Die Abstimmungen zur Justizreform werden regelmäßig von Protesten in vielen Teilen Israels begleitet. Zehntausende Menschen versammelten sich in Städten wie Tel Aviv, Jerusalem und Haifa. Sie blockierten zentrale Straßen im Land. Wie die Tagesschau berichtet, hatten Umfragen ergeben, dass sich die meisten Israelis eine Verlangsamung der Reformen wünschen, um einen Dialog mit Kritikern zu ermöglichen – oder generell keine Reformen wollen.
Die Demonstranten würden die "Demokratie mit Füßen treten", sagte Netanjahu und warf ihnen Aufstachelung zur Gewalt vor. "Das Volk hat sein Wahlrecht ausgeübt, und die Volksvertreter werden ihr Wahlrecht hier in der israelischen Knesset ausüben. Das nennt man Demokratie", verteidigte er sich vor seiner Likud-Partei.