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München
Minister Bernreiter kritisiert Bund: "Der versprochene Bau-Turbo stockt"
Als Vorsitzender der Bauministerkonferenz spricht Christian Bernreiter (CSU) derzeit für die Länder. Er kritisiert, der Bund setze angekündigte Maßnahmen gegen die Wohnungsnot nicht um.
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Foto: Sven Hoppe, dpa | Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter drängt auf rasche Entscheidungen der Bundesregierung für einfacheres und billigeres Bauen.
Michael Pohl
 |  aktualisiert: 01.07.2024 02:38 Uhr

Herr Minister, die Neubauzahlen sind weit von den vom Bund geplanten 400.000 Wohnungen entfernt, die Baugenehmigungen sinken weiter. Wann kommt die Wende im Wohnungsbau?

Christian Bernreiter: Wir Bundesländer sehen keine Wende am Wohnungsbau, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht entscheidend verbessern. Ein Teil des Problems sind die Folgen des Ukraine-Kriegs, der Anstieg der Materialkosten, die explodierten Zinsen und der Fachkräftemangel – bei all diesen Punkten ist der Einfluss der Politik beschränkt. Aber andere Gründe sind hausgemacht: Ein schwerer, heute noch spürbarer Schlag für den Wohnungsbau war, dass die Ampelkoalition die KfW-Förderung für Bauherren Anfang 2022 ohne Vorwarnung plötzlich gestoppt hat. Nach dem Schock gab es dann zwar einen Härtefallfonds von 1,8 Milliarden Euro, doch das war gerade mal ein Bruchteil von dem, was noch im Jahr 2021 die Große Koalition über die Förderbank KfW für Investitionen in klimafreundliches Bauen zur Verfügung gestellt hat.

Verbessert sich die Lage am Bau durch die sinkenden Zinsen?

Bernreiter: Die Zinsentwicklung bleibt weiterhin ein Knackpunkt. Die Zinsen sind zwar im langfristigen Vergleich nicht exorbitant hoch, bleiben aber im Vergleich zu den Jahren des billigen Geldes ein erheblicher Kostenfaktor. Die Bundesregierung geht hier mit Sonderabschreibungsmöglichkeiten für den Mietwohnungsbau endlich einen Schritt in die richtige Richtung, allerdings nur befristet. Die Abschreibungsmöglichkeiten müssen deutlich ausgeweitet und verlängert werden, damit sich der Bau von bezahlbarem Wohnraum unternehmerisch lohnt. Wir brauchen wieder eine verlässliche Förderung, um die Wohnungswirtschaft anzukurbeln.

Müsste nicht viel mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau investiert werden? Der Staat investiert hier nur vier Milliarden, zahlt aber im Jahr über 20 Milliarden Euro für Mietzuschüsse.

Bernreiter: Die Länder haben ihre Investitionen in den sozialen Wohnungsbau deutlich aufgestockt. Allein in Bayern haben wir 2023 inklusive Bundesmitteln eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt und in diesem Jahr diese Summe noch mal auf 1,2 Milliarden Euro erhöht. Andere Bundesländer tun sich angesichts sinkender Steuereinnahmen weniger leicht und können die Fördervorgaben des Bundes schwer erfüllen. Die hohen Sozialausgaben gehen aber durch neue Sozialwohnungen nicht einfach weg, weil auch diese Wohnungen Miete kosten. 

In Städten wie München zahlen Jobcenter für Bürgergeldempfänger Mieten, die oft um 50 Prozent über dem ortsüblichen Preis liegen und verschärfen damit die Konkurrenz am Wohnungsmarkt.

Bernreiter: Die hohen Mieten sind ein Problem für alle, deshalb brauchen wir mehr preisgünstigen Wohnraum. Wohnungen mit sozialer Bindung wirken sich positiv auf den gesamten Mietmarkt aus, weil sie die Preise dämpfen. Eine Kommune wie München muss auf dem freien Wohnungsmarkt auch für Bürgergeldempfänger marktübliche Mieten bezahlen. Deshalb tun wir in Bayern alles dafür, dass mehr neue Wohnungen mit Sozialbindung entstehen, als nach Fristende aus der Sozialbindung fallen. In den letzten Jahren haben wir hier eine positive Entwicklung, da konnten wir den Rückgang belegungsgebundener Sozialmietwohnungen deutlich bremsen. Aber das reicht nicht, wenn man bedenkt, dass die bayerische Bevölkerung bis 2045 voraussichtlich um etwa eine weitere Million Menschen wachsen wird.

Was müsste für eine echte Wende am Wohnungsmarkt geschehen?

Bernreiter: Wir müssen in Deutschland wieder billiger und schneller bauen können. Entscheidend ist, dass wir Rahmenbedingungen verbessern, damit wieder frei finanzierte Wohnungen entstehen. Derzeit werden uns Fördermittel für sozialen Mietwohnungsbau förmlich aus der Hand gerissen, weil Investoren unter den aktuellen Bedingungen wegen der hohen Kosten frei finanzierte Wohnungen am Markt kaum noch verkaufen können. Aber das löst das Problem nicht: Insgesamt wird viel zu wenig gebaut, wie die einbrechenden Baugenehmigungen in Deutschland zeigen. Und wir haben inzwischen einen Berg Hunderttausender genehmigter Wohnungen, die angesichts der Kosten nicht gebaut werden. Deshalb haben wir Länder einstimmig Sonderabschreibungsmöglichkeiten auch für selbst genutzte Wohnungen gefordert, denn mit jeder neuen Eigentumswohnung und jedem Eigenheim wird in der Regel eine Mietwohnung frei. Bayern fordert zudem die Möglichkeit eines „Baurechts auf Zeit“, damit Grundstückseigentümer angehalten sind, zeitnah nach Genehmigung zu bauen, statt auf Wertsteigerungen zu setzen.

Wann zeigt der von Bund und Ländern vor einem Jahr beschlossene „Bau-Turbo-Pakt für Deutschland“ erste Wirkungen?

Bernreiter: Der Bau-Turbo der Bundesregierung stockt, weil der Bund seine Hausaufgaben nicht macht. Bund und Länder haben beispielsweise die Umsetzung des Grundgedankens, der dem Gebäudetyp „E“ wie „einfach“ oder „experimentell“ zugrunde liegt, beschlossen, eine Idee, die ursprünglich aus Bayern kam. Wir haben diesen Gedanken inzwischen in die Bayerische Landesbauordnung aufgenommen. Damit das Konzept Gebäudetyp „E“ rechtssicher für alle Beteiligten wird, müssen aber auch Bundesgesetze wie das Vertragsrecht geändert werden, doch hier warten wir bislang vergeblich auf den Bund. 

Was ist mit der Umwandlung von Büroraum in Wohnungen? Homeoffice führt zu freien Flächen.

Bernreiter: Beispielsweise für die Schaffung von Mitarbeiterwohnungen wären solche Modelle sehr interessant. Damit überschüssige Büroflächen zu Wohnraum werden können oder neue Wohnhäuser wie früher näher an Gewerbe gebaut werden können, braucht es endlich rechtssichere und praktikable Rahmenbedingungen durch den Bund, etwa beim Lärmschutz oder im Mietrecht. Es ist frustrierend, dass hier die zuständigen Bundesministerien nicht in die Gänge kommen. In Bayern stellen wir jetzt unabhängig vom Bund in der Landesbauordnung den Dachgeschossausbau genehmigungsfrei und lockern strikte Vorgaben für Autostellplätze, die Neubauten teuer machen oder bremsen. Hier sollen jetzt die Kommunen entscheiden und je nach Lage sogar auf Stellplatzvorgaben verzichten können.

Streit mit dem Bund gibt es auch über das Wohngeld, viele Kommunen sitzen auf einem Antragsberg, nachdem mehr Haushalte Mietzuschüsse beantragen können. Erwarten Sie eine Lösung?

Bernreiter: Die Länder haben das Wohngeld zu einem Hauptthema bei der Sonder-Bauministerkonferenz gemacht. Der Bund muss das Wohngeld dringend entbürokratisieren und vereinfachen. Die Wohngeldbehörden besonders in den Großstädten sind mit der Antragsflut überfordert, auch weil wegen der bürokratischen Vorgaben viele Anträge unvollständig sind und nachbearbeitet werden müssen. Die Menschen warten angesichts des komplizierten Verfahrens teils über ein Jahr auf eine Entscheidung und das Geld. Ein weiteres Thema der Konferenz ist die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie: Hier sind sich die Länder einig, dass der Bund auf keinen Fall bei der energetischen Sanierung noch etwas auf die EU-Vorgaben draufsatteln darf. Wir dürfen hier gerade die Wohnungsbaugesellschaften nicht noch zusätzlich belasten. Angesichts des massiven Wohnungsmangels muss jetzt der Neubau Priorität haben.

Zur Person: Christian Bernreiter ist seit 2022 bayerischer Bau- und Verkehrsminister. Zuvor war der 60-jährige Straubinger zwei Jahrzehnte lang CSU-Landrat von Deggendorf in Niederbayern.

 
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