Die Deutschen sind immer häufiger krank. Das zeigen die aktuellen Zahlen der Krankenkasse DAK. Vor allem im Sommer waren deutschlandweit mit etwa fünf Prozent – das entspricht etwa fünf Fehltagen pro Arbeitskraft – ungewöhnlich viele Arbeitnehmende krankgemeldet. Zum Vergleich: In den Jahren 1998 und 2019 sind in diesem Zeitraum etwa 3,6 Prozent der Arbeitnehmenden ausgefallen. Eine ungewöhnliche Entwicklung, da es keine Sommergrippewelle gab. Laut DAK stiegen besonders die Muskel- und Skelett-Erkrankungen, wie etwa Rückenschmerzen oder Gelenkbeschwerden, sowie die psychischen Diagnosen kräftig an. Auch in Bayern fiel im dritten Quartal jede Arbeitskraft durchschnittlich vier Tage aus. Der Krankenstand lag hier bei 4,4 Prozent.
Eine DAK-Fehlzeitanalyse hat ergeben, dass ein Viertel mehr Fehltage als im gleichen Zeitraum 2022 durch Depressionen oder Angststörungen verursacht wurden. "Die Nachwirkungen der Pandemie, die Unsicherheit in Deutschland durch die vielen Krisen in der Welt: Das alles belastet die Psyche der Menschen zunehmend", erläuterte DAK-Landeschefin Sophie Schwab. Bei den psychischen Erkrankungen war der Arbeitsausfall in Bayern zuletzt um mehr als 23 Prozent hochgegangen, dementsprechend fehlte jeder Beschäftigte im Schnitt 0,75 Tage. Bei den Muskel- und Skelett-Erkrankungen betrug der Anstieg fast 27 Prozent. Hier gab es mit 0,9 Fehltagen pro Arbeitnehmer insgesamt auch den größten Arbeitsausfall.
Bis zu 42 Milliarden Euro Schaden durch hohen Krankenstand im Jahr 2022
"Es geht da um mehr als ein Prozent der Arbeitsstunden, die mehr ausfallen als zuvor", sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das schlage desto mehr zu Buche, da Arbeitskräfte mittlerweile so knapp geworden seien, wie seit dem Wirtschaftswunder nicht mehr. Und diese Ausfälle kosten Milliarden. Laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hat der hohe Krankenstand im Jahr 2022 die deutsche Wirtschaft zwischen 27 und 42 Milliarden Euro gekostet. Für das laufende Jahr gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Doch wenn der Krankenstand 2023 das gleiche Niveau des Vorjahres erreichen sollte, kann mit einem ähnlichen Schaden gerechnet werden, erklärt Dominik Groll vom IfW.
Doch laut Timo Wollmershäuser vom ifo-Institut können auch die Betriebe etwas unternehmen, um Krankheitsfälle präventiv zu verhindern. Dies sei im Bereich der mentalen Gesundheit möglich. So könne etwas gegen den zunehmenden Stress, dem die Arbeitnehmenden ausgesetzt sind, getan werden. Eine Vier-Tage-Woche sei etwa in manchen Unternehmen zielführend, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr ausgleichende Freizeit erhalten und gleichzeitig die Produktivität erhöht werden kann. Manche Firmen benötigen hingegen mehr Personal, um Fehlzeiten ausgleichen zu können. "In einer Welt, in der Fachkräfte schwer zu finden sind, ist das ein Problem", sagt Wollmershäuser.
Fachkräftemangel und Fehlzeiten gefährden die Betriebe
"Für fast sechs von zehn Unternehmen ist der Fachkräftemangel aktuell ein Geschäftsrisiko. Aufträge müssen abgelehnt werden oder ziehen sich in die Länge. Dienstleistungsangebote werden reduziert und Servicezeiten gekürzt", sagt Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Ein hoher Krankenstand verlange den Betrieben noch zusätzlich viele kurzfristige Anpassungen im betrieblichen Alltag ab. Das stellt laut Adrian eine zusätzliche Kostenbelastung dar. In solchen Situationen würden sich die Unternehmen noch mehr nach weniger Bürokratie sehnen, die zusätzliche Zeit und Personal in Anspruch nimmt.