Wer in Deutschland einen Termin bei einem Facharzt oder einer Fachärztin benötigt, muss oft lange warten. Das prangern Patientenschützerinnen und -schützer an. Besonders betroffen: gesetzlich Versicherte. "Kassenpatienten werden häufig vertröstet oder direkt abgewiesen", sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Sie müssten häufig bis zu einem Monat warten. Privatversicherte hätten es deutlich leichter. "Viel Geduld müssen Patienten vor allem haben, wenn sie einen Termin beim Frauenarzt, Kardiologen, Neurologen oder Psychiater brauchen."
"Praxen schließen, ohne dass eine Nachfolge sichergestellt ist"
Die Verbände sehen mehrere Gründe für die langen Wartezeiten. Erstens: Die Abschaffung der Neupatientenregelung. Sie bot Praxen finanzielle Anreize, neue Patienten aufzunehmen. Seit Anfang des Jahres fällt die Regel weg. Damit wollte die Bundesregierung zum Ausgleich eines Milliardenlochs bei den gesetzlichen Krankenversicherungen beitragen.
Zweitens: Ein Versorgungsmangel, vor allem auf dem Land. "Praxen schließen, ohne dass eine Nachfolge sichergestellt ist", sagt Brysch. "Im Vergleich zu Ballungszentren müssen in strukturarmen Räumen weniger Ärzte mehr Menschen versorgen. Lange Wege sind hier also die Regel, was vor allem immobile Patienten schnell vor unüberwindbare Hürden stellt." Und drittens: der demografische Wandel. Die Bevölkerung werde zusehends älter, der Behandlungsbedarfsteigt.
Das Thema beschäftigt auch die Politik. "Wer nicht gerade privat versichert ist, wartet nun 30 Tage und mehr auf einen Arzttermin. Das ist untragbar", findet auch Stephan Pilsinger, Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, im Gespräch mit unserer Redaktion. Er kritisiert die Abschaffung der Neupatientenregelung. "Damit spart die Ampel für das System kaum Geld ein, sorgt aber für maximale Verstimmung bei Versorgern und Patienten." Außerdem müsse man die Versorgung flexibler aufstellen. Pilsinger fordert eine "Ambulantisierung der Krankenhausversorgung". Facharzttermine und Untersuchungen sollen demnach auch im Krankenhaus durchgeführt werden können. "Das entlastet viele niedergelassene Praxen."
Auch Sicht der Linken sind die langen Wartezeiten vor allem ein Problem der Kassenstruktur. "Versorgungslücken gibt es nach unserer Auffassung nicht vor allem, weil die Honorare der Fachärztinnen und Fachärzte zu niedrig wären", sagt Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Franktion. "Die Versorgungslücken haben viel mehr damit zu tun, dass es für Ärztinnen und Ärzte lukrativer ist, Privatpatientinnen und -patienten zu versorgen." Die ungleiche regionale Verteilung der Fachärzte werde dadurch verschärft, dass sich Ärztinnen und Ärzte bevorzugt dort niederließen, wo Menschen mit hohem Einkommen leben.
Pflegebedürftige, Betagte und Schwerstkranke sind besonders betroffen
Das Gesundheitsministerium will vor allem die Kommunen stärken, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. So soll künftig etwa die Gründung von medizinischen Versorgungszentren erleichtert werden, wo sich auch Fachärzte ansiedeln könnten. Die Abschaffung der Neupatientenregelung verteidigt das Ministerium. Die frühere Regelung sei auch nicht besser für die Versorgungssituation gewesen.
Die Verbände machen derweil Druck auf die Politik. Besonders hart träfen die lange Wartezeiten Pflegebedürftige, Betagte und Schwerstkranke, sagt Eugen Brysch. "Insbesondere zu Hause oder im Pflegeheim versorgte Menschen werden zunehmend von der fachärztlichen Versorgung abgekoppelt."