Das geplante Selbstbestimmungsgesetz, mit dem die Bundesregierung einen jährlichen Wechsel des amtlichen Geschlechtseintrags ermöglichen will, sorgt für heftigen Streit. Geht es nach SPD, Grünen und FDP, sollen Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene künftig durch eine einfache Erklärung beim Standesamt die Änderung des eigenen Geschlechts und des Vornamens im Personenstandsregister erwirken können. Dies soll jährlich neu möglich sein. Die Frauen-Union der CDU kritisiert den von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) verfassten Gesetzentwurf scharf. Bundesvorsitzende Annette Widmann-Mauz sagte unserer Redaktion: "Der Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz schießt weit über das Ziel hinaus und muss überarbeitet werden. Geschlechtszugehörigkeit und Geschlecht sind keine beliebigen Größen." Anders, als es schon der Name des Gesetzes nahelege, so die CDU-Politikerin aus Baden-Württemberg, sei "geschlechtliche Identität nicht frei wähl- oder gar mehrfach veränderbar".
Erleichterter Geschlechtseintrag: Thomae verteidigt Selbstbestimmungsgesetz
Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestags-FDP, verteidigt das Vorhaben: "Bisher müssen Menschen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen als ihrem biologischen Geschlecht, oder Menschen, die nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind, ein sehr entwürdigendes und intimes Verwaltungsverfahren durchlaufen, wenn sie den Geschlechtseintrag in ihren Personenstandsdokumenten ändern lassen wollen." Dies, so der Rechtsexperte weiter, sei "völlig unnötig".
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz will die Ampel das Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, nach dem ärztliche Atteste oder gerichtlich beauftragte Gutachten nötig waren, um beim Standesamt Geschlecht und Namen ändern zu lassen. Dafür mussten teils intime Fragen beantwortet werden, die von vielen Betroffenen als entwürdigend empfunden wurden. Wie bereits seit 2011 ist auch künftig keine medizinische Angleichung der Geschlechtsmerkmale durch Operationen oder Hormonbehandlung für eine Änderung des Eintrags erforderlich.
Streiten Jugendliche mit Eltern übers Geschlecht, entscheidet das Gericht
Kritiker bemängeln, dass dem kürzlich vorgestellten Gesetzentwurf zufolge künftig auch Jugendliche ab 14 Jahren beim Amt frei aus den vier Möglichkeiten "weiblich", "männlich", "divers" und "keine Angaben" wählen dürfen. Eltern oder Sorgeberechtigte müssen zustimmen, doch gibt es darüber Streit, hat ein Gericht das letzte Wort. Annette Widmann-Mauz sagte: "Die vorgesehenen Regelungen zum Jugendschutz sind völlig unzureichend. Wer angesichts in die Höhe schnellender Zahlen von Mädchen, die ihr Geschlechtändern wollen, den Transitionswunsch nicht hinterfragt, wird seiner staatlichen Verantwortung nicht gerecht. " Eine Personenstandsänderung zum Geschlechtseintrag und Vornamen schon ab 14 Jahren ohne Gutachten lehne die Frauen-Union deshalb ab.
Befürchtungen, das Gesetz könne dazu führen, dass sich Männer zu Frauen erklären, um etwa in Damenumkleiden und -saunen oder Frauenhäuser eindringen zu können, treten die Autoren entgegen. Durch die Reform entstehe kein Anspruch auf Zugang zu geschützten Räumen. Das private Hausrecht bleibe unberührt. Im Kriegsfall, wenn alle volljährigen Männer zur Landesverteidigung herangezogen werden können, soll eine Änderung des Geschlechtseintrags nicht vor der Einberufung schützen.
Änderung des Geschlechtseintrags: Mogeln sich Männer ins Frauengefängnis?
Auch Fälle aus Großbritannien, wo Männer, die Sexualstraftaten begangen hatten, nach Änderung des Geschlechtseintrags in Frauengefängnissen untergebracht wurden, haben offenbar Spuren im Entwurf hinterlassen. Darin heißt es, die Unterbringung von Strafgefangenen in Haftanstalten müsse sich nicht allein an den amtlichen Eintragungen orientieren. Einer Verlegung in ein Frauengefängnis könnten Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Gefangener entgegenstehen.
Frauen-Unions-Chefin Widmann-Mauz gehen die Einschränkungen nicht weit genug: "Die Ampel-Koalition kommt weder ihrer Aufgabe nach, Frauen vor Gewalt zu schützen noch Transsexuelle vor Diskriminierung." Das zeige sich dort, wo in der Praxis Konflikte auftreten könnten, wie in Frauenhäusern, Fitnessstudios oder Saunen.