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Berlin
BND-Chef: "Sehe keine Risse im System Putin"
Geheimdienste agieren normalerweise im Verborgenen. Doch in Zeiten der Krise teilt BND-Chef Bruno Kahl seine Einschätzungen über Russland und China.
Wladimir Putin.jpeg       -  Seit 15 Monaten führt Putin den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, sieht aktuell keine Schwächung des 'Systems Putin'.
Foto: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP, dpa | Seit 15 Monaten führt Putin den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, sieht aktuell keine Schwächung des "Systems Putin".
Jonas Klimm
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:52 Uhr

15 Monate schon zieht sich der Ukraine-Krieg hin, die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Kämpfe oder gar auf ein politisches Aus des Aggressors im Kreml haben sich bei vielen Experten längst in Luft aufgelöst. Bruno Kahl bildet da keine Ausnahme. Sein Urteil: Trotz mäßiger russischer Militärerfolge in der Ukraine sei keine Schwächung des "Systems Putin" erkennbar. Kahl ist Chef des Auslandsgeheimdienstes BND. Er sagt: "Es gibt keine Anzeichen, dass etwas im russischen Machtgefüge ins Wanken gerät." Russland sei nach wie vor in der Lage, einen lang anhaltenden Krieg zu führen. "Die russische Regierung setzt auf die lange Zeitschiene und auf Masse", erklärt Kahl. 

Für gewöhnlich ist der Bundesnachrichtendienst-Präsident kein Mann, der das Licht der Öffentlichkeit sucht. Während die amerikanischen und britischen Auslandsgeheimdienste seit jeher die Presse für sich zu nutzen wissen, lässt der BND selten etwas nach außen dringen. Nun aber zeigte sich Kahl beim sicherheitspolitischen Gespräch in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Die Akademie ist in Nebengebäuden des Schlosses Schönhausen im Norden Berlins untergebracht, das dem DDR-Präsidenten einst als Amtssitz diente. Wenn die BAKS einlädt, kommt das sicherheitspolitische Establishment Deutschlands zusammen. Hohe Militärs, Agenten und Politiker diskutieren über die Bedrohungen der Welt und darüber, ob Deutschland dafür gerüstet ist. Ironie der Geschichte: Zu DDR-Zeiten hätte man hier an der Seite Moskaus gestanden. 

Dass sich Kahl zu einem öffentlichen Auftritt bereiterklärte, dürfte auch mit dem schweren Imageschaden zusammenhängen, den sein Nachrichtendienst in den zurückliegenden Jahren erlitten hat. Bereits beim chaotischen Afghanistan-Abzug gab der BND ein klägliches Bild ab. Wegen fataler Fehleinschätzungen über die Stärke der Taliban gerieten die vor Ort stationierten deutschen Soldaten, Diplomaten und Aufbauhelfer in Gefahr und konnten nur mithilfe der US-Armee ausfliegen. Und auch zu Beginn des Ukraine-Krieges agierte Kahl mindestens unglücklich. Am 24. Februar 2022 befand sich der Geheimdienstchef trotz vorheriger Warnungen in Kiew. Letztlich musste ihn sein Personenschutzkommando außer Landes bringen. Wasser auf die Mühlen derer, die in den Mitarbeitern des BND"schnarchende Schlapphüte" sehen.

Russische Pläne waren 14 Tage vor Kriegsbeginn "nicht anders interpretierbar"

Trotzdem betont Kahl heute, dass der BND zusammen mit Geheimdiensten befreundeter Staaten seit Herbst 2021 vor der Möglichkeit eines russischen Angriffs gewarnt habe. "Leider haben wir nicht immer Gehör gefunden", sagt er. Vorwürfe, laut denen der BND deutlich später als amerikanische und britische Geheimdienste mit einem russischen Überfall gerechnet hätte, weist er zurück. Vielmehr seien die verbündeten Geheimdienste bei der Nennung des exakten Kriegsbeginns zunächst mehrfach danebengelegen. "Ungefähr 14 Tage vor Kriegsbeginn haben auch wir Phänomene festgestellt, die nicht anders interpretierbar waren. Darüber haben wir die Bundesregierung unterrichtet", erklärt Kahl. 

Eine politische Lösung im Ukraine-Krieg sieht der BND-Präsident aktuell nicht. "Zunächst bräuchte es die Einsicht im Kreml, mit dem Krieg aufzuhören. Und solange muss ein Opfer sich wehren können und dazu ertüchtigt werden", sagt Kahl. Neben Russland ist der Umgang mit China die zweite große geopolitische Herausforderung für Deutschland und das westliche Bündnis.

BND warnt vor zu großer Abhängigkeit von China

Seit einigen Jahren warnt der deutsche Auslandsgeheimdienst deshalb vor einer allzu großen Abhängigkeit von China. Deutschland müsse Risiken minimieren. "Auf dem Parteitag 2017 hat Xi Jinping die Hosen runtergelassen mit seinen Absichten", sagt Kahl in deutlichen Worten. "Bis 2049 will China die führende Weltmacht sein." Ein gänzliches Abkoppeln sei trotzdem keine Lösung, so der BND-Chef. Denn auch Deutschland profitiere von China: Sei es wirtschaftlich oder durch den akademischen Austausch. Aber auch in diesem Bereich gebe es Risiken. "Wir haben 40.000 chinesische Studenten im Land, die alle verpflichtet werden können, den Nachrichtendiensten zuzuarbeiten."

BND-Präsident: Umzug von Pullach nach Berlin war richtig

Auch zum Umzug von Bayern nach Berlinäußert sich der Geheimdienstchef. Bis Anfang 2019 hatte der BND seinen Hauptsitz im südlich von München gelegenen Pullach. Heute ist dort noch eine Außenstelle angesiedelt, die sich vor allem mit technischer Aufklärung befasst. Eines der Ziele des Umzugs nach Berlin war damals, näher an die Bundespolitik rücken zu wollen. Und dies sei vollumfänglich gelungen, erklärte er. "Aus dem Pullacher Wald hinter den Mauern immer mit Fax und Briefen mit der Bundesregierung zu kommunizieren, hat niemandem etwas gebracht." Durch die kürzeren Wege in Berlin könne der BND die Bedürfnisse seiner Kunden besser befriedigen, so Kahl.

 
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