Seit Wochen war im politischen Frankreich mit zunehmender Spannung eine Regierungsumbildung erwartet worden. Doch für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist es nicht die Zeit für politische Experimente. Letztlich entschied er sich für Nominierungen von ihm Nahestehenden: Anstatt einer sonst üblichen Verlesung der Namen auf der Außentreppe des Élysée-Palastes durch Macrons rechte Hand Alexis Kohler gab es nur eine lapidare Pressemeldung: Die Schwergewichte bleiben, von Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire bis zum Innenminister Gérald Darmanin.
Mehrheit in Frankreich möchte Premierministerin Élisabeth Borne loswerden
Auch Premierministerin Élisabeth Borne konnte sich halten, obwohl ihr ein schwieriges Verhältnis zu Macron nachgesagt wird. In einer Umfrage sprachen sich 55 Prozent der Menschen in Frankreich für ihren Abtritt aus. Nur 22 Prozent sehen sie in der Lage, einen „echten Einfluss“ auf wichtige politische Entscheidungen zu nehmen.
Bei fünf der acht Neuzugänge handelt es sich um Abgeordnete der Regierungspartei Renaissance, darunter deren bisherige Fraktionschefin in der Nationalversammlung, Aurore Bergé, die Ministerin für Solidarität und Familien wird. Bornes früherer Büroleiter Aurélien Rousseauübernimmt das Gesundheitsressort. Sein Vorgänger François Braun, ein Notfallarzt, musste ebenso gehen wie der bisherige Bildungsminister, der Historiker Pap Ndiaye. Beide galten als Vertreter der Zivilgesellschaft, die gegenüber den Berufspolitikern andere Erfahrungen einbringen sollten. Beide blieben im harten politischen Geschäft blass.
Franko-Senegalese Pap Ndiaye muss gehen und wird durch Budgetminister ersetzt
Der Franko-Senegalese Ndiaye, Spezialist für die Geschichte der Schwarzen in den USA, wurde zur Zielscheibe der Rechtsextremen. Dieses Jahr sei „sicherlich das intensivste, wahrscheinlich das härteste meines Lebens“ gewesen, sagte er zum Abschied. Als schwierig stellte sich für ihn heraus, dass Macron gerne in seinen Kompetenzbereich eindrang und selbst Ankündigungen machte. Auch die First Lady, Brigitte Macron, eine ehemalige Lehrerin, mischte sich mit ein. Ersetzt wird Ndiaye durch den 34-jährigen bisherigen Budget-Minister Gabriel Attal, einen der Unterstützer des Präsidenten der ersten Stunde.
Anders als bei seinem Amtsbeginn vor sechs Jahren konnte Macron sein politisches Lager nicht erweitern. „Es gab keine Abwerbung aus einem gegnerischen Lager mit einer Persönlichkeit, die eine politische Koalition verkörpern könnte“, sagt der Politikwissenschaftler Bruno Cautrès. Dadurch bleibe das Problem einer fehlenden absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung ungelöst. Zur Durchsetzung von Gesetzen ist Macron auf die Zustimmung von oppositionellen Abgeordneten angewiesen. Dies erwies sich im Fall der unpopulären Rentenreform im Frühjahr als fatal – sie wurde schließlich ohne abschließendes Votum verordnet, was in den Augen vieler ihre Legitimität schmälerte.
Nach Tod eines 17-Jährigen: Es ist Macrons erster Auftritt seit den Krawallen
Macron forderte bei der ersten Kabinettssitzung, die Staatsverschuldung zu verringern, um Frankreichs Unabhängigkeit zu garantieren, und forderte seine Minister auf, „effizienter“ zu werden: „Die demokratische Krise ist zu einem großen Teil verbunden mit der Tatsache, dass die Entscheidungen nicht schnell genug im Leben unserer Landsleute spürbar sind.“
Es handelte sich um Macrons erste Wortmeldung seit den gewaltsamen Krawallen vor drei Wochen in vielen Metropolen und Vororten des Landes. Auf sie ging er nur kurz ein, warnte vor dem „Risiko der Spaltung“, mahnte die „Notwendigkeit von Autorität, Respekt und legitimer Hoffnung an“ und versprach, die Bürgermeister beim Wiederaufbau der zerstörten Gebäude zu unterstützen.