Starke Schultern werden stärker belastet. Das ist einer der Grundsätze der Finanzierung des deutschen Sozialstaats. Doch die offizielle Statistik zeigt, dass die schmaleren Schultern die Hauptlast tragen.
Demnach erbringen alle Geringverdiener mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von unter 30.000 Euro insgesamt 29 Prozent der Sozialabgaben, während sie nur über 21 Prozent des Einkommens aller Beschäftigten verfügen. Das geht aus der amtlichen Lohn- und Einkommensstatistik hervor, die die Linkspartei bei der Bundesregierung erfragt hat. Sie liegt unserer Redaktion vor.
"Wir haben eine grob unfaire Lastenverteilung bei den Sozialabgaben"
Bei Spitzenverdienern mit einem Jahreseinkommen von über 110.000 Euro ist das Verhältnis umgekehrt. Sie verfügen über einen Anteil am Gesamteinkommen in Höhe von 24 Prozent, zahlen jedoch nur einen Anteil an den Gesamtabgaben von elf Prozent.
"Die Zahlen sind ein Alarmsignal. Wir haben eine grob unfaire Lastenverteilung bei den Sozialabgaben. Je höher das Einkommen, desto geringer der Anteil an der Finanzierung der Sozialsysteme", sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch unserer Redaktion. Das sei sozial grob ungerecht. Bartsch verlangte höhere Steuern für Spitzenverdiener und eine deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialkassen. "So wäre es möglich, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten."
Bei der Finanzierung von Rente, Stütze, Krankenversicherung und Pflege profitieren Gutverdiener von dem Privileg, dass sie nur auf einen Teil ihres Einkommens Sozialbeiträge leisten müssen. Die Beitragsbemessungsgrenze schneidet einen Teil des Einkommens ab, auf den keine Sozialabgaben anfallen.
Sozialabgaben: Grüne und SPD für Anhebung der Bemessungsgrenze
Für die Kranken- und Pflegeversicherung liegt die Grenze 2023 bei einem Verdienst von 59.850 Euro pro Jahr oder 4.987,50 Euro im Monat. Für die Renten- und Arbeitslosenversicherung sind es 87.600 Euro Jahreseinkommen oder monatlich 7300 Euro. Die Beitragsbemessungsgrenze bei Renten- und Arbeitslosenversicherung unterscheidet sich leicht zwischen West- und Ostdeutschland. Für Kranken- und Pflegeversicherung gilt ein bundesweiter Einheitswert. Die Höhe des Grenzwerts wird jedes Jahr an die Lohnentwicklung angepasst.
Bartsch setzt mit seiner Forderung SPD und Grüne unter Druck, die sich ebenfalls für eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze aussprechen. "So schonen wir Menschen mit geringen und mittleren Einkommen, nehmen höhere Einkommen in die Verantwortung und sorgen für mehr Gerechtigkeit innerhalb der Pflegeversicherung", sagte jüngst Grünen-Chefin Ricarda Lang. Doch die Liberalen lehnen höhere Belastungen für Gutverdiener ab, die sie als ihre Wählerklientel begreifen.