Sie gehören mit Ergebnissen um zwei Prozent oder darunter zu den kleinsten Parteien im Europaparlament und hören auf Namen wie Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), Piratenpartei, "Die Partei" oder Volt. Wenn es nach Bundestag und Bundesrat geht, könnte die Europawahl im kommenden Jahr, spätestens aber die danach, das Aus für diese Parteien bedeuten. Parlament und Länderkammer haben mehrheitlich einer Sperrklausel zugestimmt, wonach es für den Einzug ins EU-Parlament mindestens zwei Prozent der Stimmen braucht.
Die Partei des Satirikers und Europaabgeordneten Martin Sonneborn, die sich "Die Partei" nennt, hat deshalb diese Woche Organklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht und will das entsprechende Gesetz stoppen, wie Sonneborn unserer Redaktion bestätigte. Die Chancen stehen nicht schlecht. Karlsruhe hat ähnliche Sperrklauseln schon zwei Mal untersagt.
"Ich bin vorsichtig optimistisch, was unseren Eilantrag in Karlsruhe betrifft", sagte Sonneborn und ergänzte: "Wenn CDU, SPD und Grüne sich mit einer Sperrklausel durchsetzen, fallen drei Millionen Stimmen unter den Tisch." Sonneborn, der sich unter anderem als Autor des Satiremagazins Titanic einen Namen machte und seit 2014 Europaabgeordneter ist, versuchte es einerseits mit Ironie. "Die GroKo Haram will insbesondere "Die Partei" wieder aus dem EU-Parlament kicken – zu viel Transparenz, zu schlechte Witze", sagte er. Andererseits gehe es natürlich ums demokratietheoretische Prinzip.
Sperrklausel für die Europawahl? Sonneborn kritisiert die CDU
"Aus der CDU wissen wir, dass es in Zeiten sinkender Wahlergebnisse explizit um die Mandate der Kleinparteien geht", sagte Sonneborn. ÖDP-Generalsekretär Claudius Moseler sieht das ähnlich. "Es geht hier nicht um die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments, sondern schlicht um mehr Mandate für die großen Parteien", sagte er unserer Redaktion. "Wenn es nicht mit den Wählerstimmen mehr funktioniert, dann schraubt man am Wahlrecht."
Tatsächlich haben die kleinen Gruppierungen den großen Parteien in den letzten Jahren Sitze weggenommen. So bekamen beispielsweise CDU und CSU bei der Europawahl 2009 zusammen 42 Sitze. Fünf Jahre später waren es noch 34 – dafür entfielen sieben auf die AfD und sieben auf sonstige Parteien (die 2009 noch keine Sitze hatten). Aktuell hat die Union 29 Sitze. Die AfD hingegen kommt auf elf, die anderen kleinen Parteien verbuchen zusammen neun Sitze.
"Die Partei" will das Gesetz bei Steinmeier stoppen
"Die Partei" von Sonneborn holte bei der letzten Wahl 2,4 Prozent, sie gehöre damit "natürlich zu den großen Parteien", scherzte der 58-Jährige. Aber sollte sich die Sperrklausel durchsetzen, könnte es auch für den fraktionslosen Abgeordneten eng werden. Ob es so kommt, hängt zum einen vom Ausgang des Verfahrens in Karlsruhe ab. Mit ihrer Organklage will "Die Partei" erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Bundespräsidenten die Ausfertigung des entsprechenden Gesetzes untersagt, wie der Spiegel berichtete.
Der Hintergrund ist kompliziert. In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht 2011 und 2014 jeweils Sperrklauseln für die Europawahl gekippt. Die Begründung: Sperrklauseln sind unvereinbar mit dem Grundgesetz, zumindest bei Europawahlen– für die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl gelten andere Maßstäbe. Weil die großen Parteien hierzulande also nicht recht weiterkamen, machten sie Druck in der EU. Der Rat der Europäischen Unionänderte daraufhin vor ziemlich genau fünf Jahren den Europäischen Direktwahlakt (DWA) und beschloss damit die Einführung einer Sperrklausel mit einer Spannbreite von zwei bis fünf Prozent. Dies wiederum nahmen deutsche Parteien zum Anlass, einen dritten Vorstoß zu wagen.
"Das Europäische Parlament ist jetzt schon stark zersplittert"
FDP-Fraktionsgeschäftsführer Stephan Thomae sagte dazu: "Das Europäische Parlament ist jetzt schon stark zersplittert, weil sich die Fraktionen aus Vertretern der unterschiedlichen nationalen Parteien zusammensetzen. Das macht die Entscheidungsfindung sehr anspruchsvoll." Die Herausforderungen und damit die Bedeutung des Parlaments würden in den kommenden Jahrzehnten aber eher wachsen. "Wenn die Organe der EU zukunftsfest gemacht werden sollen, muss einer weiteren Zersplitterung des Parlaments eher entgegengewirkt werden", sagte der Jurist.
Sollte "Die Partei" in Karlsruhe scheitern und das Gesetz in Kraft treten, würde der EU-Beschluss trotzdem erst wirksam werden, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Zwei Länder indes fehlen noch. ÖDP-Generalsekretär Moseler erklärte, man dürfe jetzt "gespannt sein, ob Spanien und Zypern diese neue Regelung überhaupt noch rechtzeitig vor der EU-Wahl ratifizieren".