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Straßburg
Wie viel Europa steckt wirklich in Olaf Scholz?
Am Europatag hält der Kanzler vor den EU-Abgeordneten eine Grundsatzrede zur Lage und Zukunft der Europäischen Union. Die Reaktionen waren nicht nur positiv.
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Foto: Kay Nietfeld, dpa | Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Rede im EU-Parlament in Straßburg.
Katrin Pribyl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:04 Uhr

Mit wie viel Leidenschaft Robert Schuman am 9. Mai 1950 seine Vision einer neuen Art der politischen Zusammenarbeit in Europa vorstellte, kann nur erahnt werden. Die Rede des französischen Außenministers wurde nicht aufgezeichnet, weshalb er die historische Szene später nachstellen ließ. Die Schuman-Erklärung gilt als Grundstein der heutigen EU. Bewaffnete Konflikte sollten durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft verhindert werden.

73 Jahre später trat Olaf Scholz im EU-Parlament in Straßburg ans Pult, um seine Vision der Staatengemeinschaft zu präsentieren. Der deutsche Kanzler am Europatag im Herzen der europäischen Demokratie – der 9. Mai sei die „einzig richtige, zukunftsweisende Antwort auf den von Deutschland entfesselten Weltkrieg, auf zerstörerischen Nationalismus und imperialistischen Größenwahn“, sagte Scholz. Auch wenn er an diesem symbolischen Datum immer wieder an Robert Schuman erinnerte, allzu viel Leidenschaft versprühte der SPD-Politiker nicht. 

Olaf Scholz liest seine Europa-Rede komplett vom Blatt ab

So las er seine auf Deutsch gehaltene Rede komplett vom Blatt ab. Die Ideen klangen keineswegs neu, ins Detail ging er ebenfalls nicht. Als Folge erntete er höflichen Applaus, mehr nicht. Für Emotionen sorgte stattdessen die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im EU-Parlament. „Bleiben Sie nicht im Ungefähren“, appellierte Terry Reintke an den Kanzler. 

Sie kritisierte Scholz so harsch, dass einige Kollegen im Plenum kurz innehielten. Schimpfte hier die Opposition oder ein Mitglied der Grünen, die in der Ampelkoalition mitregieren? „Sie lassen laufen, statt sich klar zu positionieren“, fuhr ReintkeScholz an. Das Bild eines Kanzlers, der liefere, sei „in den letzten Monaten leider verblasst“. Manfred Weber (CSU), Chef der Europäischen Volkspartei, meinte derweil, man benötige „keine weiteren Grundsatzreden mehr“, sondern Mut. „Europa braucht Führung.“

Tatsächlich beschränkte sich der Kanzler in seiner zweiten großen Europarede nach jener in Prag im August 2022 auf Bekanntes und Bewährtes. Er warb für eine rasche Überarbeitung des EU-Asylsystems und eine kontrollierte Zuwanderung, außerdem für mehr Freihandelsabkommen. Er bekräftigte die europäische Unterstützung für die Ukraine und plädierte abermals für eine Erweiterung der EU. „Europa muss sich der Welt zuwenden.“ Wie ein roter Faden zog sich das geopolitische Thema durch die Ansprache. Gleichwohl schränkte Scholz ein: „Wer nostalgisch dem Traum europäischer Weltmacht nachhängt, wer nationale Großmachtfantasien bedient, der steckt in der Vergangenheit.“ 

Eine Replik auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

Auch wenn er Emmanuel Macron nicht beim Namen nannte, durfte dieser Satz als Antwort auf die Bestrebungen des französischen Präsidenten verstanden werden. Dieser hatte mit Blick auf den Wettstreit zwischen China und den USA zuletzt eine unabhängigere Rolle der EU verlangt. Scholz, der die USA als wichtigsten Verbündeten der Gemeinschaft hervorhob, lehnt den Gedanken dagegen ab, die EU als dritte Großmacht zu positionieren. Überhaupt erwähnte er Frankreich nicht ein einziges Mal in seiner 21-minütigen Rede. 

Immerhin, als er als Initialredner zum Schluss noch einmal das Wort erhielt, wurde er leidenschaftlicher, nannte es etwa „wirklich peinlich“, dass die Westbalkanstaaten nach all den Jahren noch nicht in der Gemeinschaft seien. Auf die verbale Attacke der Grünen Reintke reagierte er indirekt. Er habe „mit Interesse dem einen oder anderen Beitrag aus allen politischen Spektren“ zugehört. 

Ist der Kanzler zu wenig in Brüssel sichtbar, wie EU-Vertreter regelmäßig monieren? Scholz scheint weiterhin auf dem europäischen Parkett seine Rolle als Regierungschef des mächtigsten EU-Landes zu suchen.

 
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