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Brüssel
Nächtlicher Aufstand gegen das EU-Asylabkommen
Polen und Ungarn blockierten beim EU-Gipfel eine gemeinsame Linie beim Thema Migration. Bundeskanzler Olaf Scholz macht sich trotzdem keine Sorgen.
EU-Gipfel in Brüssel.jpeg       -  Polternder Auftritt: Polens Regierungschef  Mateusz Morawiecki
Foto: Virginia Mayo, dpa | Polternder Auftritt: Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki
Katrin Pribyl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:21 Uhr

Olaf Scholz schien das alles nicht sonderlich zu beeindrucken. Die Provokationen und scharfe Rhetorik der Partner aus Polen und Ungarn, das nächtliche Drama um ein paar Sätze zur Migration in der gemeinsamen Abschlusserklärung, der Abschied der 27 Staats- und Regierungschefs aus Brüssel ohne gemeinsame Einigung beim Thema Asylpolitik. Der Kanzler sprach lieber gewohnt unaufgeregt von einem "großen Durchbruch für die solidarische Zusammenarbeit im Umgang mit Fluchtmigration in Europa".

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban malt "Migrationskrieg" an die Wand

Er habe "ein Grundvertrauen, dass eine in den Verträgen Europas vorgeschriebene Gesetzgebung auch von allen beachtet wird", sagte der SPD-Politiker am Gipfelende – ganz so, als seien die 24 Stunden zuvor völlig normal verlaufen. Einen anderen Blick auf das Spitzentreffen hatte dagegen Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der über einen "Migrationskrieg" im Sitzungssaal wetterte und den Widerstand gegen die jüngst beschlossenen Asylregeln als "Freiheitskampf" pries. 

Sein Amtskollege aus Warschau, Mateusz Morawiecki, hatte in der Nacht zuvor die Hauptrolle als Europas Widersacher übernommen, gepoltert, gekeift und geschimpft. Obwohl es lediglich um zwei vage gehaltene Passagen in dem Gipfeldokument ging..

Lieferten sie lediglich eine Show, um Wahlkampf mit dem heiklen Thema zu machen, nachdem die beiden Länder Mitte Juni beim Innenminister-Beschluss des EU-Asyl- und Migrationspakts in Luxemburgüberstimmt worden waren? 

Meuterei ohne praktische Auswirkungen auf Abkommen

Zahlreiche Diplomaten zeigten sich genervt über die Störmanöver. Noch dazu, weil die ungarisch-polnische Meuterei zwar eine negative Symbolkraft, aber keine Auswirkungen auf das Abkommen hat. In der Folge brachen die Staatenlenker die Diskussionen in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ohne Ergebnis ab. Kurz vor halb zwei Uhr morgens rollten die Limousinen aus dem Europaviertel in Richtung ihrer Unterkünfte. Im Zentrum Brüssels, im Hotel Amigo, tauschte sich eine Gruppe von Ländern wie Deutschland, Frankreich, Polen, Italien und Spanien dann noch über künftige Reformen sowie einen möglichen Beginn der Beitrittsgespräche mit der Ukraine aus. 

Während es hinter den Kulissen hieß, dass Scholz im kleinen Kreis versucht hatte, Orban und Morawiecki Zugeständnisse abzuringen, wollte er sich öffentlich nicht zu dem Migrationsstreit äußern. "Deutschland als großes Land mitten in Europa wird sich niemals hervortun, indem es andere Länder in Europa kritisiert", sagte er. Während der belgische Premierminister Alexander De Croo das Scheitern "bedauerlich" nannte, zeigte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Verständnis für ihre Verbündeten in Polen und Ungarn. "Ich bin nie enttäuscht von denen, die ihre nationalen Interessen verteidigen", antwortete die rechte Regierungschefin. 

Am Ende ein bisschen leise Kritik von Olaf Scholz

Dabei hatte Meloni Insidern zufolge zuvor ebenfalls versucht, die Partner umzustimmen. Doch offenbar gab es auch am zweiten Tag des Spitzentreffens keine Chance auf einen Konsens. Die beiden Osteuropäer hatten vor allem die Tatsache kritisiert, dass der Asylkompromiss, der noch vom EU-Parlament verhandelt und abgestimmt werden muss, nicht einstimmig beschlossen worden sei. 

Eine Mehrheit ohne Einstimmigkeit genügt für die Reform, nach der Mitgliedstaaten verpflichtet werden sollen, eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Länder, die sich weigern, könnten sich "freikaufen" – 20.000 Euro für jeden Migranten würden anfallen und in einen von Brüssel verwalteten Fonds fließen. "Ich finde, man darf und muss über diese Fragen diskutieren", sagte Scholz mit leiser Kritik. "Aber es muss so sein, dass wir Solidarität als Kriterium miteinander im Blick haben."



 
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