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Energiewende
Scheitert die Energiewende an unserem Stromnetz?
Unser Strombedarf wächst durch den Verzicht auf fossile Brennstoffe massiv. Doch die Netze sind dafür gar nicht ausgelegt. Kann die Energiewende überhaupt gelingen?
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Foto: Julian Stratenschulte, dpa | Von Nord- nach Süddeutschland braucht es mehr Hochspannungsleitungen. Die bayerische Staatsregierung hat dies in der Vergangenheit verhindert.
Moritz Maier
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:30 Uhr

Es ist eine (zu) romantische Vorstellung vom ländlichen Raum der Zukunft: In ein paar Jahren fahren Millionen Menschen ein E-Auto und können es quasiautark mit den vielen Photovoltaik-Anlagen auf ihren Dächern selbst laden. Unabhängig von in die Höhe schießenden Gas- oder Strompreisen. Mit der überschüssigen Energie können Häuslebesitzerinnen und -besitzer sogar noch ihre Wärmepumpe betreiben. Ein klimafreundliches Schwaben. 

So einfach ist es aber leider nicht: Denn dafür braucht es eine stabile Strominfrastruktur. Unser Strombedarf steigt schneller als je zuvor, während die Netze die nötigen Mengen gar nicht transportieren können. Vor dem Hintergrund der Energiewende ein großes Problem, das bewusst verschlafen wurde, so der Vorwurf von Wirtschaftsexpertinnen und -experten. Die Politik ist für das Problem verantwortlich, lösen können es aber auch Verbraucherinnen und Verbraucher.

Energiewende: Deutschlands Stromverbrauch verdoppelt sich binnen weniger Jahre

Der notwendige Verzicht auf fossile Brennstoffe als Energieträger hat einen hohen Preis. Ein Blick auf den künftigen Stromverbrauch verdeutlicht, welche Herausforderungen uns bevorstehen: Während der Bedarf in Deutschland 2022 noch bei etwa 467 Terawattstunden (TWh) lag, steigt er bis 2037 bereits auf bis zu 1053 TWh. In 15 Jahren mehr als das Doppelte, prognostiziert die Bundesnetzagentur. Strom ist die wichtigste Währung der Zukunft. Wo bisher Diesel für das Auto herhält, soll künftig eine Batterie den Antrieb sichern. Rohöl für Containerschiffe soll durch energieintensiv hergestellten Wasserstoff ersetzt werden. Und Gasheizungen müssen Wärmepumpen weichen. Auch diese brauchen vor allem eins: Strom.

Viel klimafreundlicher Strom kommt aus Windkraft. Und die kommt vor allem aus dem Norden des Bundesrepublik. Doch die bayerischen Granden um Markus Söder und Horst Seehofer haben große Stromtrassen von Nord nach Süd in Bayern verhindert. Das weiß auch Matthias Mier, Experte für Energieökonomik am Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München: "In der Vergangenheit wurden Netzbetreibern nicht nur planungs- und genehmigungstechnisch Steine in den Weg gelegt, sondern auch politisch." So habe die bayerische Blockadehaltung leistungsfähigere Stromnetze in der Region verhindert.

Mangelhafte Infrastruktur: Können Netzbetreiber bald unseren Strom drosseln?

Dem entgegen stehen ambitionierte Ziele der Bundesregierung. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostroms aus erneuerbaren Energien kommen. Für Schwaben und die lokalen Energieversorger wie die LEW heißt das, die bisher drei Gigawatt Leistung aus Erneuerbaren müssen zu sieben werden.Das Problem: Unser Netz ist bereits an vielen Stellen am Kapazitätslimit. "Wir brauchen jetzt schon mehr und leistungsfähigere Stromnetze", stellt Mier klar. Das gelte sowohl für große Hochspannnetze von Nord nach Süd als auch auf regionaler Ebene. "Das weiß man bereits seit 20 Jahren und hat trotzdem ein Problem", so Mier.

Die Klimaschutzziele aber drängen und der Ausbau der Erneuerbaren kann nicht warten, bis die Netze ertüchtigt sind. Deshalb hat der Bund nun einen Plan vorgestellt, der vorsieht, den Stromzugang von Verbraucherinnen und Verbrauchern extern drosseln zu können. Damit soll sichergestellt werden, dass das bisher unzureichend ausgebaute Netz in Zukunft stabil bleibt. "Die lokalen Kabel und Trafos sind nicht immer auf eine solche Belastung ausgelegt", heißt es dazu von der Bundesnetzagentur auf Nachfrage. Wenn etwa zum Feierabend hin der Stromverbrauch durch Ladesäulen stark ansteigt, könnte die LEW die Stromzufuhr künftig also unbegrenzt in ganzen Straßenzügen herunterfahren, um eine Überlastung zu verhindern.

Energiewende: Es liegt auch an den Verbraucherinnen und Verbrauchern

Der Bund und die regionalen Netzbetreiber unterstützen diese von Kritikerinnen und Kritikern als "Abschaltgesetz" bezeichneten Pläne. Dadurch soll der Übergang zu einer Strominfrastruktur gelingen, die den Aufgaben der Zukunft auch wirklich gerecht wird. Neben dem Netzausbau sollen künftig vor allem intelligente Stromsysteme helfen, Überlastungen zu vermeiden. Martin Uhrig, Netzinfrastrukturexperte der LEW, setzt außerdem auf flexible Stromtarife: In Zeiten hohen Verbrauchs wird Strom teurer, bei wenig Auslastung günstig. So sollen die Menschen direkt zur Netzstabilität beitragen. Klar ist jedenfalls: Der klimagerechte Netzausbau wird extrem aufwendig und teuer. Doch Ifo-Experte Mier ist sich sicher: Die zukunftssichere Infrastruktur nicht zu haben, käme uns noch viel teurer.

 
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