Bloß kein zweites Mal in die Diktatorenfalle tappen - was RusslandsPräsident Putin gelang, soll Chinas Staatschef Xi Jinping nicht glücken. Das ist die Kernbotschaft der neuen China-Strategie der Bundesregierung. „China hat sich verändert, deshalb muss sich auch unsere China-Politik ändern“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei der Vorstellung des Papiers am Donnerstag in Berlin. In den zurückliegenden zehn Jahren hat Xi im Inneren die Unterdrückung verstärkt, nach außen tritt er offensiv auf und will sich die Insel Taiwan einverleiben. Sein Ziel: China will seine historische Rolle als führenden Macht auf dem Erdball zurückerlangen.
Deshalb soll das Reich der Mitte nicht länger mit der Brille des Wachstumsparadieses für die deutsche Wirtschaft betrachtet werden, über dessen Schattenseiten der Gewaltherrschaft großzügig hinweggesehen wird. China ist „Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale“, wie es in dem 64-seitigen Papier gleich zu Beginn heißt. Doch was folgt konkret aus diesem Dreiklang? Das Zauberwort lautet: Risikoverringerung – auf Englisch De-Risking. Ausdrücklich nicht geplant ist die Abkopplung (De-Coupling). Zu bedeutsam ist der chinesische Markt für die deutschen Unternehmen, zu bedeutsam ist der Import von wichtigen Metallen und Solarmodulen aus China.
Außenministerin Baerbock nimmt andere Länder ins Visier
„Wir haben De-Risking zum Gebot der Stunde gemacht“, erklärte die Außenministerin. Um die Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen abzubauen, sollen die deutschen Unternehmen in anderen asiatischen Ländern Fabriken bauen, zum Beispiel in Vietnam, Japan oder Singapur. Die Bundesregierung hat deshalb die Vergabe von Investitionsgarantien verändert. Planen chinesische Firmen deutsche Hightech-Unternehmen zu schlucken, schaut das Wirtschaftsministerium genauer hin und verbietet – anders als früher – regelmäßig die Übernahme. Außerdem sollen auch aus Deutschland abgewanderte Wirtschaftszweige mit üppiger Förderung wieder angesiedelt werden.
Um die Versorgung mit Rohstoffen zu garantieren, haben sich Deutschland und die EU vorgenommen, Handelsabkommen mit Südamerika und Afrika zu schließen. Das Problem daran ist, dass die Chinesen auf beiden Kontinenten seit Jahren aktiv sind und sich Grund und Boden gesichert haben. Sie tun also bereits, womit Deutschland erst anfangen will. „China wird für die deutsche Wirtschaft ein wichtiger Markt bleiben“, heißt es in der Strategie klipp und klar.
Scholz trat bei der China-Strategie auf die Bremse
Die Kommunistische Partei Chinas ist nicht erfreut über den Politikwechsel Berlins, reagiert aber bislang auch nicht empört. Es wird genau registriert, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Chinastrategie nach außen defensiv bleibt, intern jedoch eingreift. Der Kanzler hat Baerbocks Wunsch nach einer härteren Ansprache entschärft. Ganz praktisch erlaubte er dem chinesischen Staatskonzern Cosco, einen Minderheitenanteil an einem Terminal des Hamburger Hafens zu kaufen. Weil Scholz und Baerbock uneins waren, verzögerte sich die Vorstellung der Strategie um Monate.
Die deutsche Wirtschaft reagierte mit grundsätzlicher Zustimmung auf die neue China-Strategie. „De-Risking, aber kein De-Coupling – diese Strategie ist richtig. Sie adressiert geopolitische Risiken, betont aber gleichzeitig Deutschlands Interesse an substanziellen Wirtschaftsbeziehungen und an Kooperationen mit China zur Bewältigung globaler Herausforderungen“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Der Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie warnte aber auch vor zu viel Regulierung, „etwa was mögliche Instrumente zur Kontrolle deutscher Investitionen im Ausland anbelangt“.