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Hammelburg
Boris Pistorius verspricht den Soldaten "bestes Material"
Die Chemie zwischen Verteidigungsminister und Armee stimmt. Das wird auch beim Antrittsbesuch von Boris Pistorius bei der Infanterieschule in Unterfranken deutlich. Und doch läuft nicht alles rund für den Minister.
Bundesverteidigungsminister Pistorius in Hammelburg.jpeg       -  Bei seinem Antrittsbesuch in der Infanterieschule Hammelburg der Bundeswehr beobachtet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine Militärübung.
Foto: Daniel Löb, dpa | Bei seinem Antrittsbesuch in der Infanterieschule Hammelburg der Bundeswehr beobachtet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine Militärübung.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:58 Uhr

Sein eigener Wehrdienst ist 42 Jahre her, doch innerhalb kürzester Zeit hat es Boris Pistorius geschafft, als Verteidigungsminister nicht nur die Truppe hinter sich zu versammeln, sondern auch einen großen Teil der Bevölkerung. Wie sonst keinem anderen Minister wird Pistorius Wertschätzung entgegengebracht: Rund 30 Prozent der Befragten sind mit dem SPD-Mann sehr zufrieden, wie aus einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos hervorgeht. Knapp 25 Prozent gaben an, sehr unzufrieden mit seiner Arbeit zu sein. Zum Vergleich: Mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung unzufrieden.

Dass die Chemie stimmt, war auch bei Pistorius Antrittsbesuch beim Heer in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) zu spüren. Auf dem Truppenübungsplatz zeigten am Dienstag mehrere hundert Soldatinnen und Soldaten der aktuellen Lehrgänge der Infanterieschule in Hammelburg, wie sie sich auf den Ernstfall vorbereiten. Er habe einmal mehr „große Leidenschaft“ bei der Truppe gespürt, sagte der Minister, selbst gekleidet im Tarnfleck-Parka. „Der Mann hat echtes Interesse an dem, was wir tun“, freute sich einer der beteiligten Soldaten. 

Bundeswehr bereitet sich in Hammelburg auf Ernstfall vor

Der Ernstfall, auf den sich die Bundeswehr vorbereitet, könnte, da ließen die Soldatinnen und Soldaten in Hammelburg angesichts der gegenwärtigen Krisensituation keinen Zweifel, ein Einsatz an der Ostflanke der Nato sein. Aber auch in anderen Krisengebieten der Welt leiste die Bundeswehr ihren Beitrag, betonte Pistorius– so wie zuletzt beim Evakuierungseinsatz im Sudan.

In Unterfranken werden vor allem die sogenannten leichten und mittleren Kräfte des Heeres ausgebildet, die im Unterschied zur "schweren Truppe" nicht mit Kettenfahrzeugen, also Panzern, ausgestattet sind. Als Vertreter der leichten Kräfte demonstrierten Gebirgsjäger im Übungsdorf Bonnland, das auf dem Hammelburger Übungsplatz liegt, ihre Fähigkeiten beim Kampf im urbanen Raum. Gut aufeinander abgestimmt stürmten 50 Soldatinnen und Soldaten ein vierstöckiges Haus in einem feindlichen Dorf – inklusive der Evakuierung von Verwundeten. "Wir sind heute schon kriegstauglich aufgestellt", lobte Oberstleutnant Eike Gudat seine schnelle Eingreiftruppe. 

Der Bundeswehr fehlt es an Radpanzern

Die leichten Kräfte seien in der Regel die Ersten, die den Ort von Kampfhandlungen erreichen. Die schweren Kampftruppen haben die leistungsfähigsten Waffen, brauchen aber Zeit, um das Kampfgebiet zu erreichen. Dazwischen komme den "mittleren Kräften", Panzergrenadieren etwa, entscheidende Bedeutung zu. Radfahrzeuge, die deutlich agiler als Kampfpanzer unterwegs und viel schneller, beispielsweise auch mit Hubschraubern, an die Front zu verlegen sind, sollen ihnen die nötige Durchschlagskraft sichern.

An solchen Fahrzeugen fehlt es der deutschen Armee. Derzeit setze man vor allem niederländisches Material ein, hieß es. Doch die Bundeswehr arbeite gemeinsam mit der Industrie daran, diesen Mangel in absehbarer Zeit zu beheben. Radpanzer wie der "Boxer" sollen gefechtstauglich aufgerüstet werden, mit Panzerabwehrwaffen, Kanonen, Haubitzen und modernster Relaistechnik. 

Die Beschaffung der "Boxer" aus Mitteln des Sondervermögens Bundeswehr sei bereits auf den Weg gebracht worden, betonte der Verteidigungsminister am Dienstag. Er rechne mit der Auslieferung dieser "Schwere-Waffen-Träger" im Jahr 2025. Die Soldatinnen und Soldaten hätten schließlich Anspruch auf das "beste Material". Dafür werde es auch künftig Geld geben, versprach Pistorius. 

Deutschland liegt weit vom 2 Prozent-Ziel der Nato entfernt

Und doch muss auch er einen harten politischen Kampf ausfechten. Eine Berechnung des Ifo-Instituts legte am Dienstag offen, dass Deutschland bei den Verteidigungsausgaben nach wie vor weit unter dem 2014 in der Nato vereinbarten Ziel liegt. In diesem Jahr wird die Bundesregierung demnach 64 Milliarden Euro für die Verteidigung ausgeben. Das wären 1,6 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung, und 17 Milliarden Euro weniger als die in der Nato vereinbarte Maßgabe von zwei Prozent, wie die Münchner Wirtschaftsforscher am Dienstag mitteilten.

„Das ist das größte Defizit aller Länder“, sagte Florian Dorn, einer der Autoren. In keinem anderen Land klafft demnach eine derart große Milliardenlücke zwischen Versprechen und tatsächlichen Ausgaben. Der „Sondervermögen“ getaufte Schuldentopf von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehrändert daran laut Ifo vorerst nichts. Zum Großteil finanziert wird die Nato von den USA, die laut Ifo 818 Milliarden der gesamten Bündnisausgaben von 1,2 Billionen Euro bezahlen. 

Gemessen an der Wirtschaftsleistung belegen die USA inzwischen allerdings Platz 2, Deutschland liegt auf Rang 17. An erster Stelle liegt laut Ifo mittlerweile Polen, das 4,3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für das Militär ausgibt und damit 17 Milliarden Euro mehr, als es das Land eigentlich müsste. Die Finanzen werden im Juli auf dem diesjährigen Nato-Gipfel in Vilnius ein Thema sein.

 
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