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Berlin
Abhör-Skandal bei der Bundeswehr: Pistorius spricht von "Informationskrieg"
Der Verteidigungsminister kündigt eine Untersuchung der Vorfälle an und mahnt gleichzeitig zur Besonnenheit. Die Opposition fordert Aufklärung von Kanzler Scholz.
Statement Pistorius zum Abhörskandal.jpeg       -  Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich am Sonntag zum Abhör-Skandal bei der Bundeswehr.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich am Sonntag zum Abhör-Skandal bei der Bundeswehr.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 11.03.2024 08:59 Uhr

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine wird die Bundeswehr von einem der größten Spionagefälle der deutschen Nachkriegsgeschichte erschüttert. Verteidigungsminister Boris Pistorius ordnete den Vorfall, bei dem Russland ein Gespräch zwischen ranghohen Luftwaffenoffizieren zum möglichen Einsatz von Taurus-Raketen abhörte, am Sonntag in Berlin als „Teil eines Informationskrieges“ ein, den der russische Präsident Wladimir Putin führe. Der SPD-Politiker mahnte gleichzeitig zur Besonnenheit. „Am Ende ist entscheidend, dass wir geschlossen bleiben und uns nicht auseinandertreiben lassen von Putin“, mahnte er. Dem Minister zufolge untersucht der Militärische Abschirmdienst MAD den Vorfall. Erkenntnisse seien in den nächsten Tagen zu erwarten. Je nach Ergebnis würden daraus gegebenenfalls entsprechende „Konsequenzen und Entscheidungen“ folgen. 

Pistorius mahnte jedoch, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Ein großer Teil der im Gespräch geteilten Informationen sei „schon vorher“ in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Es gehe jetzt auch darum, „Putin hier nicht auf den Leim zu gehen“. Es sei ja kein Zufall, dass der Mitschnitt am Tag nach der Trauerfeier für den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sowie „nach neuen Enthüllungen zum Wirecard-Skandal“ veröffentlicht worden sei, sagte der Minister und ergänzte: „Hier geht es eindeutig darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben.“ Es gehe darum, die deutsche Innenpolitik zu hintertreiben. „Und ich hoffe sehr, dass Putin das nicht gelingt, dass wir geschlossen bleiben bei allem Streit, den es um die Frage von Taurus geben kann, bei allen Fragen, die zu klären sind im Umgang mit diesem Telefonat.“ 

Bundeskanzler Scholz verspricht im Fall des Abhör-Skandals eine zügige Aufklärung

Der Abhör-Skandal hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz erfasst. Der SPD-Politiker versprach am Rande seines Papst-Besuches in Rom eine zügige Aufklärung. Der Opposition geht das nicht weit genug. „Es ist kaum vorstellbar, dass Scholz von dieser militärischen Einschätzung nichts wusste“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn, unserer Redaktion. Denkbar sei das nur, wenn Pistorius den Regierungschef nicht in Kenntnis gesetzt habe, was erneut „ein desaströses Bild auf diese Bundesregierung werfen würde“. Wie andere Politiker forderte auch Hahn (CSU) den Kanzler auf, sich im Verteidigungsausschuss des Bundestages zu erklären. 

„Es ist nicht wirklich überraschend, dass Russland das Abhören deutscher Kommunikation insbesondere von Entscheidungsträgern und Militärs unternimmt. Man muss sich fragen, ob die Bundeswehr die entsprechenden Maßnahmen zur Abwehr dieser Angriffe konsequent vornimmt“, sagte Hahn. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ging im Gespräch mit dem Spiegel noch einen Schritt weiter und und drohte: „Bei dieser Sachlage kann ein Untersuchungsausschuss nicht ausgeschlossen werden.“

Die Opposition wirft Scholz vor, in der Debatte um den möglichen Einsatz von bunkerbrechenden Taurus-Marschflugkörpern die Unwahrheit gesagt zu haben. Der Kanzler hatte deutlich gemacht, dass die Verwendung der pro Stück rund eine Million Euro teuren Raketen nur möglich sei, wenn deutsche Soldaten von der Ukraine aus operieren. Der SPD-Politiker will aber genau das unbedingt vermeiden. Er sieht die Gefahr, dass Deutschland dadurch zur Kriegspartei werden könnte. Das abgehörte Gespräch, an dem unter anderem der hoch dekorierte Drei-Sterne-General und Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz beteiligt war, soll den Schluss nahelegen, dass Bundeswehrangehörige ukrainischen Boden nicht betreten müssten. 

CSU-Verteidigungsexperte Hahn findet Verhalten des Kanzlers "mehr als fragwürdig"

Der CSU-Verteidigungsexperte Hahn lenkte den Blick auf einen weiteren Aspekt. Es stelle sich einerseits die Frage nach den Standards, der Ausrüstung und der Weisungslage im Ministerium, sagte er. „Mindestens genauso wichtig ist aber der Inhalt des Gesprächs, denn offenbar hat sich Minister Pistorius explizit zum Taurus einschließlich Einsatzmöglichkeiten erstmals am 26. Februar detailliert unterrichten lassen – die Debatte darüber inklusive parlamentarischer Abstimmung ist aber schon über ein halbes Jahr alt.“

„Insgesamt ist das Verhalten des Kanzlers mehr als fragwürdig und sorgt für großen, gerade auch internationalen Schaden für Deutschland“, konstatierte Hahn und erinnerte dabei an die „Verzögerung der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine“.

 
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