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Berlin
Weg mit dem Bürgergeld: CDU plant Umbau des Sozialstaats
Die Christdemokraten wollen bei einem Wahlsieg eine „Neue Grundsicherung“ einführen. Wer nicht arbeiten will, muss mit einer Streichung staatlicher Leistungen rechnen.
'Die Bundesregierung hat keinen Plan': CDU stellt Bürgergeld-Alternative vor.jpeg       -  Die CDU, hier Generalsekretär Carsten Linnemann, will das Bürgergeld abschaffen.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Die CDU, hier Generalsekretär Carsten Linnemann, will das Bürgergeld abschaffen.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 23.03.2024 02:47 Uhr

Die CDU will im Falle eines Sieges bei der nächsten Bundestagswahl das Bürgergeld wieder abschaffen und durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzen. Ein entsprechendes Papier hat der Parteivorstand am Montag in Berlin einstimmig verabschiedet. Die grundlegendste Änderung: „Menschen, die arbeiten können, werden auch arbeiten gehen müssen, ansonsten entfallen Sozialleistungen“, wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte. Sogenannte „Totalverweigerer“ sollen demnach gar kein Geld mehr bekommen. 

Das Bürgergeld wurde Anfang 2023 eingeführt, es löste damals Hartz IV ab. Begründet wurde der Systemwechsel damit, dass die Hartz-Reformen das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit verletzten: Menschen, die 30 oder 40 Jahre gearbeitet hatten, wurden nach einem Jahr Arbeitslosengeld-II-Bezug genauso behandelt, wie Menschen, die wenig oder gar nicht zur Arbeit gingen. Die Union trug die Bürgergeld-Einführung mit, setzte allerdings im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gravierende Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf durch. Das Schonvermögen wurde gekürzt, die Karenzzeit halbiert, die Vertrauenszeit gestrichen.

Leistungskürzung auf null

Die CDU hatte sich für ihren Vorstoß Rat beim ehemaligen Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, geholt. Ihm zufolge wäre die Kürzung auf null mit geltendem Recht vereinbar. Schlegel verwies auf die sogenannte Sanktionsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019. Karlsruhe hatte Sanktionen in Form des vorübergehenden Entzugs staatlicher Leistungen grundsätzlich gebilligt. Gleichzeitig gab das Gericht „strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit“ vor und schränkte damit den Spielraum des Gesetzgebers ein. Viele Expertinnen und Experten lesen dieses Urteil deshalb anders als Schlegel und sehen keine Handhabe, staatliche Leistungen komplett zu streichen. 

Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister und Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels (CDA), Karl-Josef Laumann, sprach von einer „abnehmenden Akzeptanz“ des Bürgergeldes in der Bevölkerung. Es gebe viel Arbeit und einen Mangel an Arbeitskräften, andererseits bekomme der Staat beim Bürgergeld „die Integration in den Arbeitsmarkt nicht gut genug“ hin. Der Staat werde in Notlagen Sicherheit gewährleisten, das entspreche dem Menschenbild seiner Partei. Beim Bürgergeld würden aber zu viele Menschen auf diese Solidarität und zu wenige auf Eigenverantwortung setzen. Es müsse außerdem „einen guten Grund geben, morgens aufzustehen, dass man irgendwo erwartet wird“. Eine gute Sozialstaatspolitik müsse also dafür sorgen „wieder zu einem Leben zu kommen, wo sie eine Aufgabe haben.“

Es gibt kaum Sanktionen

Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen der Bundesagentur für Arbeit lebten im November 2023 über 5,7 Millionen Menschen in leistungsberechtigten Haushalten. Davon zählten rund 5,5 Millionen zu den sogenannten Regelleistungsberechtigten, also Personen mit einem Anspruch auf Bürgergeld. Davon waren wiederum knapp drei Viertel erwerbsfähige und der Rest nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Zu Letzteren zählen vor allem Kinder unter 15 Jahren. Mit Sanktionen, also mit mindestens einer Leistungsminderung belegt, wurden beispielsweise im Oktober 2023 rund 18.000 erwerbsfähige Leistungsbezieher.

Die Diakonie Deutschland wies den Vorstoß der CDU als populistisch zurück. „Es ist gefährlich, sozialstaatliche Hilfen mit Drohungen zu versehen und dabei die Schwächsten in unserer Gesellschaft, wie zum Beispiel chronisch Kranke, Menschen mit Lese- und Schreibproblemen und Menschen, die im Bildungssystem durchgefallen sind, zu bestrafen“, sagte Sozialvorständin Maria Loheide. 

 
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