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Gastbeitrag
Wie der Rechtsstaat wetterfest gegen Extremisten gemacht werden kann
Die Demokratie gerät in vielen Ländern zunehmend unter Druck. Ein Rechtswissenschaftler fordert: Die Politik sollte die Freiheit und Unabhängigkeit der Justiz im Lande absichern.
ARCHIV - Die Adler-Skulptur aus Holz an der Wand des Gerichtssaals des Bundesverfassungsgerichts, aufgenommen am 11.08.2010 in Karlsruhe. Mit der Wahl von drei neuen Richtern verjüngt sich das Bundesverfassungsgericht weiter. Die 46 bis 51 Jahre alte       -  Die Adler-Skulptur aus Holz an der Wand des Gerichtssaals des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Eine wehrhafte Demokratie ist ohne unabhängige Justiz nicht denkbar.
Foto: Fredrik von Erichsen, dpa | Die Adler-Skulptur aus Holz an der Wand des Gerichtssaals des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Eine wehrhafte Demokratie ist ohne unabhängige Justiz nicht denkbar.
Michael Kubiciel
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:16 Uhr

Rechtsextremisten, die als Schöffen urteilen; Familienrichter, die versuchen, Corona-Schutzmaßnahmen außer Kraft zu setzen; eine Richterin, gegen die wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens ermittelt wird. Auch Gerichte sind nicht gegen Infiltrationsversuche von Extremisten gefeit. Dabei sind Gerichte der gleichen Geltung des Rechts und der Achtung unserer Verfassung verpflichtet, nicht Parteien oder gar extremistischen Zielen. Die Bindung der Gerichte an demokratisch legitimierte Gesetze und die Grundrechte ist die Voraussetzung dafür, Richterinnen und Richter mit der Macht auszustatten, Recht zwangsweise durchsetzen zu können. Diese Grundbedingungen eines Rechtsstaates standen in der Bundesrepublik lange Zeit nicht infrage. 

In Zeiten, in denen sich die gesellschaftliche Großwetterlage verdunkelt, muss der Rechtsstaat wetterfest gemacht werden. So berät der Bundestag, wie extremistische Laienrichter, die keine Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, aus ihren Ämtern abberufen werden können. Von noch größerer Bedeutung ist es, jenes Gericht zu schützen, das die Bundesrepublik zu einem Staat gemacht hat, der das demokratische Recht der Mehrheit achtet und zugleich den Rechten von Minderheiten Gehör und Raum verschafft: das Bundesverfassungsgericht. Um die Grundrechte der Einzelnen auch gegen den Willen der Mehrheit zu verteidigen, kann es Gesetze für nichtig und unanwendbar erklären. Dass Karlsruhe das letzte Wort hat, war bislang Konsens. 

Autoritäre Regierungen in Polen und Ungarn haben es vorgemacht

Parteien aber, deren Ziele und Wertvorstellungen mit der Verfassung in Konflikt geraten, müssen die Macht des Gerichtes brechen. Autoritäre Regierungen wie in Polen und Ungarn haben vorgemacht, wie das geht. So könnte die Zahl der am Gericht tätigen Richter erhöht und jede neue Richterstelle mit Parteigängern besetzt werden. Möglich wäre es auch, die Arbeit des Gerichtes zu lähmen, indem man ihm das Recht nimmt, die Entscheidung dringlicher Angelegenheiten von gesamtstaatlicher Bedeutung rascher zu beraten als andere Verfahren von geringerer Bedeutung. Gegenwärtig ist all dies in Deutschland ausgeschlossen, weil ein Gesetz die Anzahl der am Gericht tätigen Richter auf 16 begrenzt. Zudem schreibt es vor, dass Richter nur mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag bzw. Bundesrat gewählt werden können. Auch darf das Gericht über die interne Organisation seiner Arbeit selbst entscheiden.

Gerade weil das Verfassungsgericht Vertrauen genießt, wird es oft angerufen; es erstickt aber nicht unter der Arbeitslast, sondern kann, wo nötig, rasch tätig werden. So weit, so gut, könnte man denken. Das aber wäre voreilig, denn die gerade skizzierten Regeln lassen sich mit einfachen Mehrheiten ändern.

Grundregeln der Organisation des Bundesverfassungsgerichtes gehören in die Verfassung

Soll der Rechtsstaat vor dem Zugriff einer rechtsstaatsfeindlichen Mehrheit geschützt werden, müssten einige Grundregeln über die Organisation des Gerichtes in der Verfassung selbst niedergelegt werden. Denn die Verfassung lässt sich nur in einem aufwendigeren Verfahren und mit einer Zweidrittelmehrheit ändern. Wahlsiege von extremen Parteien führten dann nicht ohne weiteres zu einer Gefährdung der Fundamente unseres Staates.

Wer also den Rechtsstaat wetterfest machen will, muss auch jenen Schutzschirm erweitern, den die Väter und Mütter der Bundesrepublik an Anbetracht der NS-Herrschaft über unser Land gespannt haben. Klar ist aber: Auch der beste Schutzschirm hält einem politischen Sturm nur stand, wenn es genügend Bürgerinnen und Bürger gibt, die an ihm festhalten.

Prof. Michael Kubiciel, ist Studiendekan der Juristischen Fakultät und Direktor des Instituts für die gesamten Strafrechtswissenschaften an die Universität Augsburg.

 
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