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Berlin
Sanierungswelle führt zu Asbest-Flut
Die gefährlichen Fasern stecken in Millionen von Gebäuden. Die IG Bau fordert besseren Schutz von Bauarbeitern und Handwerkern sowie eine "Abwrackprämie".
Problemfall Asbest.jpeg       -  Beschäftigte auf dem Bau sind bei der Arbeit oft Asbest ausgesetzt. Sie sollen künftig besser geschützt werden.
Foto: Bernd Wüstneck, dpa | Beschäftigte auf dem Bau sind bei der Arbeit oft Asbest ausgesetzt. Sie sollen künftig besser geschützt werden.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:53 Uhr

Millionen von Tonnen Asbest, die in vier Jahrzehnten in Deutschland verbaut wurden, drohen in den kommenden Jahren zu einer tödlichen Gefahr zu werden. Denn unzählige Häuser stehen vor umfassenden Umbaumaßnahmen, die dem Klimaschutz helfen oder sie an die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft anpassen sollen. Doch wenn mit Asbest, einem mineralischen Werkstoff, nicht sachgerecht umgegangen wird, werden winzige, spitze Fasern freigesetzt, die vom menschlichen Körper nie abgebaut werden und noch Jahrzehnte später zu schwersten Erkrankungen bis hin zum Lungenkrebs führen können. Die Gewerkschaft IG Bau drängt deshalb die Politik, Bauarbeiter, Handwerkerinnen und Heimwerker besser als bisher zu schützen.

Wer Wohnraum schafft, soll davon nicht krank werden

"Mit der Sanierungswelle droht jetzt eine Asbest-Welle auf dem Bau", sagte Bundesvorstand Carsten Burckhardt am Donnerstag in Berlin. Mehrere Maßnahmen seien nötig, um diese Herausforderung zu bewältigen. Ein Asbest-Gebäudepass und ein Asbest-Kataster sollen demnach künftig Aufschluss über den Zustand von Immobilien geben und für Transparenz sorgen, etwa wenn ein belastetes Objekt auf den Markt kommt. Für besonders betroffene Häuser soll es staatliche Sanierungs- und Abwrackprämien geben, forderte Burckhardt, "denn es braucht Wohnraum". Die Menschen, die diesen bauen, müssten aber geschützt werden und das koste Geld. Ihre Arbeit dürfe sie nicht krank machen. Auf einem nationalen "Asbest-Gipfel" müssten Bund, Länder und Kommunen deshalb eine einheitliche Linie im Umgang mit dem Problem finden.

Deutlich intensiviert werden soll der IG Bau zufolge auch der staatliche Arbeitsschutz. Denn derzeit ist ein einziger Kontrolleur durchschnittlich für die Sicherheit von rund 23.000 Beschäftigten zuständig – mehr als doppelt so viele, wie internationale Organisationen empfehlen. Mit einer Informationsoffensive "Asbest auf dem Bau" müssten Bauwirtschaft und Handwerk ihre Beschäftigten besser aufklären. Weil auf dem Bau viele Menschen mit ausländischen Wurzeln beschäftigt sind, sei auch Infomaterial in deren Sprachen nötig. Arbeiten mit Asbest gehöre zwar generell in die Hände speziell ausgebildeter Profis, aber auch Heimwerker dürften nicht vergessen werden. 

Asbest wurde einst als "Wunderbaustoff" angepriesen

Als wahrer Wunderbaustoff galt Asbest lange Zeit. Das faserige Mineral, das in Minen in Russland, Südafrika, Australien und Kanada abgebaut wurde und teils bis heute noch wird, ist feuerfest, feuchtigkeitsunempfindlich, dämmt gut und ist leicht zu verarbeiten. Mehr als vier Millionen Tonnen wurden zwischen 1950 und 1990 nach Deutschland eingeführt. In praktisch allen Gebäuden aus dieser Zeit dürften laut IG Bau asbesthaltige Produkte verwendet worden sein. Es geht nicht nur um die heute berüchtigten Faserzementplatten, sondern auch um Rohre, alten Putz, Spachtelmasse oder Estrich bis hin zu Fensterkitt.

Fast 9,5 Millionen Gebäude sind bundesweit betroffen, in Bayern sind es knapp 1,7 Millionen, in Baden-Württemberg gut 1,3 Millionen. Für die Bewohner bedeutet das in aller Regel keine unmittelbare Gefahr. Erst wenn die Asbest-Bauteile brechen, was etwa beim Abriss, bei der Renovierung oder beim Umbau oft nicht zu vermeiden ist, gelangen die fast unsichtbaren Fasern in die Luft. Einmal eingeatmet, können sie zur gefürchteten Asbest-Staublunge (Asbestose) oder zu Lungenkrebs führen. Für die Betroffenen, darunter viele Handwerker und Bauarbeiter, kommt eine Diagnose häufig einem Todesurteil gleich. Wolfgang Leihner-Weygandt, 69, wäre beinahe an den Folgen seines jahrelangen Umgangs mit Asbest gestorben. Bei dem früheren Bauarbeiter wurde 1995 Lungenkrebs festgestellt. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Umgang mit krebserregendem Asbest die Ursache. "Ich hatte das Glück, dass ich zu den 20 Prozent gehöre, die überlebt haben", sagte er. 

 
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