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Moskau
Wütender Mob in Dagestan: Jagd auf Juden in Russland
Antisemitische Stereotype halten sich stark in der russischen Gesellschaft, selbst Präsident Putin fällt mit antisemitischen Sprüchen auf. Das nährt den Boden für antijüdische Übergriffe.
Inna Hartwich
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:07 Uhr

Das Wort „Pogrom“ ist ein russisches. Es beschreibt Zerstörung, Zertrümmerung, Zerschlagung. Zu Sowjetzeiten hatte es gleich mehrere antisemitische Kampagnen des Staates gegeben, vielen Jüdinnen und Juden war es teils nicht vergönnt, an die Universität zu gehen, sie durften von staatlicher Seite aus bestimmte Stellen nicht besetzen, weil in ihren Pässen als Nationalität „Jewrej“ eingetragen stand, Jude.

Nun ist in Russland wieder von „Pogromen“ die Rede, seit am Sonntag ein wütender Mob aus Hunderten von Männern in der muslimisch geprägten Nordkaukasus-Republik Dagestan den Flughafen der Republikhauptstadt Machatschkala gestürmt hatte – in der Meinung, in einem Flugzeug aus Tel Aviv seien jüdische Flüchtlinge angekommen. Mit lauten „Allahu Akbar“-Rufen stürmten sie bis aufs Rollfeld hinaus. Auf Videos war zu sehen, wie sie Scheiben kaputt schlagen, Passagiere umringen, alles überrennen, was sich ihnen in den Weg stellt. Mehr als 20 Menschen wurden dabei verletzt, teils schwer. Die russischen Behörden ließen die Männer stundenlang gewähren, erst am Abend schickten sie Spezialeinheiten zum Flughafen. Am Montag wurden in Dagestan mehrere Wohnungen durchsucht, 60 Menschen festgenommen. 

Der Kreml vermutet die Schuldigen hinter den Unruhen im Ausland

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte für Montag zu einer „großen Besprechung“ zusammengerufen. Der Schuldige der „Unruhen“, wie Zusammenstöße aller Art in Russland genannt werden, war aus offizieller Sicht schnell gefunden: der Westen. Dieser versuche, „die Ereignisse im Nahen Osten“ zu nutzen, um die russische Gesellschaft „zu spalten“, hieß es aus dem Kreml. Bereits das Oberhaupt der Republik Dagestan, Sergej Melikow, hatte zuvor von einem „gezielten Versuch unserer Feinde“ gesprochen, Dagestan destabilisieren zu wollen. Die „Feinde“ verortet er in der Ukraine, die die Menschen in Dagestan zu religiösem Hass und Gewalt aufgerufen haben sollen. 

Viele Evakuierungsmaschinen aus Israel landen im russischen Süden, der stark muslimisch geprägt und oft antijüdisch eingestellt ist. Der Rabbi in der dagestanischen Stadt Derbent, wo sich nach seinen Worten noch etwa 400 jüdische Familien aufhielten, schlug Alarm. Seine Gemeinde verharre in Angst. Auch in weiteren nordkaukasischen Republiken kam es zu Ausschreitungen.

Die neuesten Schuldzuweisungen sind ein Deckmantel dafür, welchen Boden die offizielle Meinung für eine derartige Welle des Antisemitismus bereitet. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte im vergangenen Jahr davon gesprochen, dass auch Hitler „jüdisches Blut“ gehabt habe und damit für Empörung in Israel gesorgt. 

 
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