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Warum der Konflikt um den Kosovo immer wieder eskaliert
Nach dem Angriff serbischer Milizen hat sich die Konfrontation auf dem Balkan gefährlich aufgeheizt. Ein offener Krieg ist wenig wahrscheinlich, blutige Gewalt jedoch zu befürchten.
Spannungen zwischen Kosovo und Serbien.jpeg       -  Bilder einer Eskalation: Angehörige der Spezialeinheit der kosovarischen Polizei schleppen einen der festgenommenen serbischen Milizen aus dem Gerichtssaal.
Foto: Visar Kryeziu, dpa | Bilder einer Eskalation: Angehörige der Spezialeinheit der kosovarischen Polizei schleppen einen der festgenommenen serbischen Milizen aus dem Gerichtssaal.
Simon Kaminski
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:20 Uhr

Wie die russischen "grünen Männchen" auf der Krim, tauchten serbische Milizen am 24. September plötzlich im Norden des Kosovo auf. Sie feuerten auf Polizisten, ein Beamter wurde getötet. Die rund 30 bewaffneten Männer hielten zwischenzeitlich das Kloster Banjska nördlich von Mitrovica besetzt. Kosovarische Sicherheitskräfte töteten drei Angreifer. International wurde schon über einen drohenden neuen Balkankrieg spekuliert.

Bei den "grünen Männchen", die ohne militärische Abzeichen die ukrainische Krim unter Kontrolle brachten, handelte es sich – wie Moskau später einräumte – um Mitglieder einer russischen Spezialeinheit. Für die Kommando-Aktion im Kosovo übernahm der kosovo-serbische Politiker Milan Radoicic die Verantwortung. Der Geschäftsmann wurde zwar in Belgrad festgenommen, nach einem Tag aber wieder auf freien Fuß gesetzt.

Serbische Regierung ließ Truppen an der kosovarischen Grenze aufmarschieren

In das Bild passt, dass die serbische Regierung nach diesem Überfall nicht versuchte, die Wellen zu glätten, sondern die Lage mit dem Aufmarsch seiner Streitkräfte in Grenznähe zum Kosovo weiter verschärfte. Die Nato reagierte mit der Ankündigung, die im Kosovo bereits seit 24 Jahren auf Basis einer UN-Resolution als Puffer zwischen den Konfliktparteien stationierten KFOR-Truppen (englisch Kosovo Force) zu verstärken. Dass das deutsche Verteidigungsministerium – wie am Freitag vom Spiegel gemeldet – ab April 2024 über die bereits stationierten 71 Soldatinnen und Soldaten hinaus weitere 155 Einsatzkräfte in die Region schicken will, hat mit den aktuellen Ereignissen aber nichts zu tun. Es geht darum, österreichische Soldaten zu ersetzen. Bislang sollen insgesamt 3400 KFOR-Soldaten einen militärischen Konflikt in der Region verhindern. 

Um den Kosovo tobt seit Jahren ein Kleinkrieg. Ende 2022 blockierten militante Serben etwa wichtige Verkehrsadern in den Kosovo. Im Herbst 2022 hatte der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti mit dem Versuch, die rund 50.000 Serben im Norden des Kosovo zu zwingen, ihre serbischen Kennzeichen zugunsten kosovarischer Nummernschilder auszutauschen, eine Krise ausgelöst. Auf Druck aus Washington und Brüssel kassierte Kurti diese Anordnung.

Die Schießereien vom September hatten ein anderes Kaliber: Dieses Maß an Gewalt habe man dort seit 20 Jahren nicht gesehen, sagte der Balkan-Experte Florian Bieber von der Universität Graz am Donnerstag in der ARD. "Der Gewaltpegel" sei stark angestiegen. Das Risiko eines Krieges hält Bieber allerdings für eher gering. Er könne sich nicht vorstellen, dass der serbische Präsident Aleksandar Vucic eine Konfrontation mit der Nato riskiere. Sein eigentliches Ziel sei vielmehr eine "Dauerkrise" um den Kosovo.

Versuche der EU, tragfähige Friedenslösung zu finden, scheiterten

Nur warum kommt die Region seit 1999 nicht zur Ruhe? Es geht um offene Rechnungen, Nationalismus, gegenseitige Schuldzuweisungen. Das heute nahezu ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo gehörte zu Serbien, bevor es 2008 unabhängig wurde – gegen den Willen Belgrads, das das Territorium weiterhin für sich reklamierte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an. 1998/99 führten serbische Truppen Krieg gegen die kosovarischen Unabhängigkeitskämpfer der UCK, dabei wurden Zivilisten getötet und vertrieben. Schließlich griff die Nato im Frühjahr 1999 ein – Kampfjets bombardierten Serbien und Montenegro, das damalige Restjugoslawien. Serbische Sicherheitskräfte und die serbische Verwaltung mussten sich aus dem Kosovo, in dem rund 1,8 Millionen Menschen leben, zurückziehen. Bis 2008 wurde das heutige Staatsgebiet von den UN verwaltet.

Alle Versuche der EU, mit Verhandlungen eine Grundlage für eine tragfähige Friedensregelung zu schaffen, scheiterten. Die Hoffnungen, dass dies diesmal anders ist, sind gering. So knüpfte die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani Gespräche mit Serbien an die Bedingung, dass es zuvor westliche Sanktionen gegen Belgrad geben müsse. Vucic tut seinerseits alles, um die Serben im Norden des Kosovo gegen die Regierung in der Hauptstadt Pristina aufzubringen.

Verhandlungen über EU-Mitgliedschaft Serbiens als Hebel?

Serbien führt seit 2022 offizielle Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft. Wäre das nicht ein Hebel, Belgrads aggressive Politik zu stoppen? Eher nicht, sagt Experte Bieber. Er glaube nicht, dass Vucic die EU-Beitrittsverhandlungen derzeit ernsthaft vorantreibe. Dennoch sei es sinnvoll, dass Brüssel gegenüber den Serben in Zukunft eine klarere Sprache spreche, da Serbien seinen Handel zu 60 Prozent mit EU-Staaten abwickeln würde.

Konkrete Hinweise dafür, dass der russische Präsident Wladimir Putin die jüngste Konfrontation vorangetrieben hat, gibt es nicht. Dass Instabilität auf dem Balkan im Sinne Moskaus ist, liegt aber auf der Hand. Was den Westen schwächt, freut den Kreml.

 
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