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Rio de Janeiro
Ein unwählbarer Bolsonaro kann noch gefährlich werden
Brasiliens ehemaliger Präsident darf 2026 und 2030 nicht mehr zur Wahl antreten. Wie sich dieses Urteil des Obersten Wahlgerichts auswirken kann.
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Foto: Eraldo Peres/AP, dpa | Jair Bolsonaro darf bei den nächsten Wahlen nicht antreten.
Tobias Käufer
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:20 Uhr

Das Oberste Wahlgericht (TSE) in Brasilien hat entschieden: Mit einer Mehrheit von 5:2-Stimmen urteilten die Richterinnen und Richter, dass Brasiliens ehemaliger rechtspopulistischer Präsident Jair Bolsonaro acht Jahre lang unwählbar bleibt. Das bedeutet: Bolsonaro, der das größte lateinamerikanische Land von 2019 bis 2022 regierte, wird bei den Präsidentschaftswahlen 2026 oder 2030 nicht mehr antreten dürfen. Auch alle anderen politischen Ämter sind für ihn tabu. 

Die Entscheidung hat eine politische und eine juristische Ebene. Juristisch ist sie im konkreten Fall nachvollziehbar. Bolsonaros Flirt mit einem Aufstand seiner Anhänger, der im Vandalismus am 8. Januar endete, als der Mob in Brasilia erstaunlich schlecht bewachte Regierungsgebäude stürmte und dort randalierte, ist nicht zu verzeihen. Er hat damit politisch eine rote Linie überschritten. 

Ob es sich dabei um einen Putschversuch handelte, ist allerdings bereits Interpretation. Bolsonaro selbst befand sich gar nicht im Land, er rief in einigen TV-Ansprachen zuvor dazu auf, friedlich zu bleiben und "nicht die Mittel der Linken anzuwenden". Andererseits ließ er die Dinge offenbar bewusst in Brasilia aus dem Ruder laufen. Hinzu kommen nicht bewiesene Betrugsvorwürfe gegen das Wahlsystem wie man sie zuletzt von Donald Trump in den USA oder Gustavo Petro in Kolumbien hörte, die ebenfalls die Demokratie und ihre Institutionen infrage stellten. Aus dieser Perspektive ist die Entscheidung begründet. 

Nun kommt die emotionale Ebene ins Spiel

Nun kommt aber die politische und damit auch eine emotionale Ebene ins Spiel: Bolsonaros Gegenspieler, Wahlsieger Lula da Silva, nimmt es ebenfalls mit der Demokratie nicht so genau. Er verweist Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Venezuela ins Reich des "Narrativs", während gleichzeitig der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wegen eindeutiger Beweislage seine Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Maduro fortsetzt. Ließ Bolsonaro mit seiner Verehrung für Folterknechte der rechten Militärdiktatur seine Missachtung für die Demokratie durchblicken, wiederholt sich bei Lula das Drama im linken Spektrum mit Maduro – auch ihm werfen Human Rights Watch oder Amnesty International vor, für Folterungen und außergerichtliche Hinrichtungen verantwortlich zu sein. Hinzu kommen die bis heute nie von unabhängiger Stelle aufgearbeiteten Vorwürfe der Korruption gegen Lulas Partei PT während des als Odebrecht-Skandal in die Geschichte eingegangenen gigantischen Schmiergeldskandals. Auch das war ein Angriff auf die demokratischen Institutionen, nur eben etwas verborgener, stiller als die Randale von Brasilia. 

Schon zwei Tage nach dem Urteil wuchs die Zahl der Instagram-Follower Bolsonaros um 100.000 auf 25,3 Millionen. Das zeigt, dass seine "Bewegung" durch das Urteil plötzlich wieder neuen Schwung bekommt. Man sollte nicht vergessen: 58 Millionen Brasilianer (49,2 Prozent) haben bei den letzten Wahlen für Bolsonaro gestimmt. 

Der Ex-Präsident selbst präsentiert sich als Opfer einer politisch einseitigen Justiz, verglich das Messerattentat gegen ihn 2018 mit dem "Dolchstoß" des TSE. Bolsonaro sieht das Land auf dem Weg in eine Diktatur. Mit dem Urteil besteht nun die Möglichkeit, dass der bereits langsam im Sinkflug befindliche Bolsonaro wieder neuen Auftrieb bekommt, weil er nun eine neue Geschichte erzählen kann. Seine Ehefrau Michelle Bolsonaro bringt sich bereits als Kandidatin in Stellung. Nichts braucht der Populismus so sehr wie die Opferrolle. Und die hat ihm die Wahlbehörde indirekt verschafft. Ob das Urteil deswegen klug ist, wird sich zeigen. 

 
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