Sie schlüpfen in Tierkostüme und verhalten sich passend dazu. Als Maskottchen sind sie aber nicht unterwegs. Die „Verwandlung” in einen Charakter aus der Tierwelt ist ihr Hobby, das sie gern mit Gleichgesinnten teilen. Etwa 100.000 Menschen gehören Schätzungen zufolge der Subkultur Furry Fandom in Deutschland an - Tendenz steigend. Furry ist das englische Wort für pelzig oder flauschig, Fandom heißt Fangemeinde. Das Hobby ist vor ein paar Jahren aus den USA nach Deutschland geschwappt.
Patrik Schleehuber aus Ulm ist IT-Spezialist bei einer Tageszeitung - und in seiner Freizeit ein Plüsch-Bär. Cydo Bärsky nennt sich der 29-jährige Vorstand des Vereins Ulmer Furs. Für welches Tier man sich entscheidet, hänge auch davon ab, welche Charakterzüge man selbst habe, sagt er. „Ich versuche, die Leute um mich herum zu beschützen - mein Charakter ist eine Mischung aus Bär und Husky.”
Seit 2016 ist Schleehuber Teil der Szene, über das Gaming sei er dazu gekommen, berichtet er. „Ich habe irgendwann gesehen, dass es das vermenschlichte Tier gibt. Seitdem finde ich das spannend.”
Ende 2017 sei er zu seiner ersten Convention nach Stuttgart gegangen, einem großen Treffen von Gleichgesinnten. Freundschaften schließen, Gespräche beginnen - all das sei im Fandom deutlich einfacher als im echten Leben. „Es ist einfach ein angenehmes Hobby, das viel Spaß macht”, berichtet Schleehuber. Bei sogenannten Suitwalks, wie diesen Samstag in Ulm, treffen sich Furries und laufen durch die Innenstädte der Republik. Ziel sei es, Farbe in den oft grauen Alltag der Menschen zu bringen, so der Ulmer.
Safe Space für queere Menschen
Das Geschlecht sei bei der Wahl des Charakters komplett egal, daher seien auch viele Menschen aus der Queer-Community Teil der Szene. „Es liegt vor allem an der Offenheit und dass das Fandom mit dem Internet verbunden ist, wo man ja auch weiter ist”, sagt Mitstreiterin Jayden Kraus. Sie sei wie viele andere über Disney-Filme dazu gekommen, wo man oft anthropomorphe Tiere wie Bugs Bunny und Micky Maus gesehen habe, berichtet die Trans-Frau.
Die Subkultur ist international und hat auch viele Anhänger in Großbritannien und Japan. Anthropomorphe, also vermenschlichte Tiere wie Werwölfe gibt es nicht nur in der Popkultur. Man findet sie auch in Fabeln, Märchen und Comics.
Man könne sich kreativ in dem Rahmen austoben. „Sei es über das Kostümieren oder Kunst”, so die 20-Jährige alias Jinx. Sein Kostüm könne man selbst machen, aber auch kaufen. Manche Spezies seien erfunden und folgten eigenen Regeln. Es gebe keine Pflichten, auch ein Kostüm sei keine Pflicht. Ob man mehrere oder nur einen Charakter habe, sei jedem selbst überlassen. Fehl am Platz seien allerdings Leute mit menschenfeindlicher Gesinnung.
Als Lieblingstier verkleidet
„Recht häufig sind die Menschen als ihr Lieblingstier verkleidet, aber auch als das Tier was am besten zu einem passt”, berichtet Kraus. Sie selbst sei sehr mütterlich und habe sich für einen Kuh-Charakter entschieden.
Viele würden mit der Zeit die Körpersprache des jeweiligen Tieres interpretieren und beherrschen, so Schleehuber. „In die Bewegungen wächst man langsam rein.” Manche seien komplett stumm dabei, wie es ein Tier wäre. Manche würden normal sprechen. „Manche Leute, die wirklich über Jahre diese Tiere verkörpern, kriegen es immer besser hin, dann auch die normalen tierischen Laute nachzumachen.”
Charity-Charakter und Furry-Visitenkarten
Der Großteil der Menschen reagiere positiv auf die Furries, sagt Schleehuber. Die meisten fänden es cool und interessant. „Wir schauen auch, dass wir etwas für die Kinder machen bei Familientagen.” Bei Veranstaltungen würden auch Spenden gesammelt für verschiedene Hilfsorganisationen. „Manche kennen es auch schon, mittlerweile wird es durch Medienberichte in Deutschland bekannter.” Es gebe auch Furry-Visitenkarten mit Kurzbeschreibungen der Charaktere. Manche Menschen würden es aber auch nicht verstehen. „Leben und leben lassen”, sagt Kraus in Richtung Skeptiker. „Wenn es Spaß macht, soll man es einfach machen.”