Gewaltbereit, international arbeitend und gut vernetzt - Kriminelle Banden haben im vergangenen Jahr laut einem Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) einen Milliardenschaden angerichtet. Er liegt doppelt so hoch wie im Jahr zuvor. „Sie bedrohen unsere Gesellschaft”, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Bundeslagebilds „Organisierte Kriminalität” in Berlin. Mit 2,7 Milliarden Euro (2022: 1,3 Milliarden Euro) erreichte die Schadenssumme 2023 den höchsten Wert der vergangenen zehn Jahre.
Organisierte Kriminalität ist der Definition von Polizei und Justiz zufolge von Gewinn- oder Machtstreben der Kriminellen bestimmt. Mindestens drei Täter teilen sich demnach planmäßig und über einen längeren Zeitraum ihre Aufgaben auf, um ihre Ziele zu erreichen. Der Bericht des BKA wird jährlich erstellt und befasst sich mit begonnenen und abgeschlossenen Verfahren aus diesem Bereich.
Geldwäsche oft schwer nachzuweisen
Der Großteil der finanziellen Schäden entstand dabei dem Bericht zufolge durch Cybercrime, also Taten die oftmals mithilfe des Internets begangen werden. Auf ein einziges Verfahren entfielen in diesem Bereich bereits 1,5 Milliarden Euro. Bei diesem ginge es um sogenannte Ransomware, also Programme, die zur Erpressung genutzt werden, erklärte der BKA-Präsident Holger Münch.
Rund eine Milliarde Euro erbeuteten Banden dem Bericht zufolge aus ihren kriminellen Machenschaften - nur etwa 83 Millionen Euro, also weniger als zehn Prozent, stellten die Behörden sicher. Grund dafür sei die hohe Anzahl an begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen aus dem vergangenen Jahr, erklärte Münch.
In rund einem Drittel aller Ermittlungen gegen Banden spielte zudem Geldwäsche eine Rolle. „Allerdings gehen wir von einem sehr hohen Dunkelfeld aus”, sagte Münch. Die Täter würden ihr illegal erwirtschaftetes Geld etwa für den Kauf von Immobilien und Handelsgüter nutzen. Die illegale Herkunft der Gelder sei den Tätern oft nur schwer nachzuweisen, teilt das BKA mit.
Überdurchschnittlich viele Verfahren im Jahr 2023
642 Verfahren gegen Gruppierungen der Organisierten Kriminalität zählte das BKA im vergangenen Jahr - unwesentlich mehr als 2022 (639). Zum dritten Mal in Folge knackt der Wert die 600er-Marke und liegt etwas über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Berichtsjahre.
Trotz eines Rückgangs von mehr als zehn Prozent dominiert dabei weiterhin der Drogenhandel. Etwa 40 Prozent der Ermittlungen zielen dem Bericht zufolge auf Gruppierungen aus dieser Szene ab. Danach folgen die Bereiche der Wirtschaftskriminalität mit rund 17 Prozent und der Eigentumskriminalität mit rund 10 Prozent der Verfahren.
Gewalt und Korruption keine Seltenheit
Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung eigener Interessen bleibe zudem auf einem hohen Niveau und gefährde zunehmend die Sicherheit im öffentlichen Raum, heißt es in dem Bericht des BKA. Die Organisierte Kriminalität schüchtere oftmals „völlig skrupellos und mit furchtbaren Mitteln” ihre Gegner ein, sagte Faeser. Im Bericht werden 4 (2022: 16) vollendete und 34 (2022: 22) versuchte Tötungsdelikte durch Gruppierungen der Organisierten Kriminalität aufgeführt. Über 300 Waffen stellte die Polizei 2023 bei den Gruppierungen fest.
Erstmals beschäftigt sich der Bericht auch mit den Kontakten der Organisierten Kriminalität in die Wirtschaft, Politik und Verwaltung - also zu Menschen, die kein Mitglied der Organisation selbst sind, ihr aber oft gegen Geld helfen. In knapp zwölf Prozent der Fälle unterstützten sogenannten Insider aus der Politik, Wirtschaft und Verwaltung die Gruppierungen der Organisierten Kriminalität.
Während Deutsche mit rund einem Drittel weiter den Hauptanteil der Verdächtigen bilden, ist die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger mit ungeklärter Staatsangehörigkeit um zehn Prozent gewachsen. Grund sei ein einzelnes Verfahren aus dem Bereich der Cyberkriminalität, in dem gegen 250 Tatverdächtige mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ermittelt wird. Gut 7.300 Tatverdächtige ermittelten die Behörden 2023 insgesamt.
Gewerkschaft der Polizei: „David gegen Goliath”
„Wir sorgen für einen bestmöglichen und höchstmöglichen Ermittlungsdruck”, betonte Innenministerin Faeser. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert nach Veröffentlichung des Berichts mehr personelle und technische Ressourcen, sowie weitreichendere Befugnisse. „Der Kampf gegen hochprofessionelle, kriminelle Strukturen erscheint wie der von David gegen Goliath”, beklagte der stellvertretende GdP-Vorsitzende, Alexander Poitz. Während die Organisierte Kriminalität aus dem Vollen schöpfe, werde in Deutschland über den Datenschutz debattiert.
Konkret forderte Poitz mehr Befugnisse in der Bekämpfung von Kriminalität im Internet, etwa die Möglichkeit auf verschlüsselte Chats zuzugreifen oder IP-Adressen zu speichern. Zudem sprach sich der stellvertretende GdP-Vorsitzende dafür aus, Europol eigenständige Ermittlungen zu ermöglichen.
Die Union kritisierte im Kontext des Berichts indes, dass die Ampel-Koalition den Einsatz von V-Leuten erschwere. V-Leute sind - anders als verdeckte Ermittler - keine Mitarbeiter der Polizei, sondern Menschen mit Zugang zu einer bestimmten Szene, die gegen Geld eine Zeit lang Informationen liefern.