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Berlin
Pistorius verzichtet - Scholz soll es noch einmal machen
Es ist entschieden: Auch die Kanzlerpartei SPD hat sich auf einen Kanzlerkandidaten verständigt. Der beliebteste Politiker der Republik musste dafür aber zunächst den Weg frei machen.
Debatte über Kanzlerkandidatur der SPD - Pistorius verzichtet       -  Boris Pistorius verzichtet - der Weg für die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz frei.
Foto: SPD/dpa | Boris Pistorius verzichtet - der Weg für die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz frei.
Michael Fischer, Jörg Blank und Ulrich Steinkohl, dpa
 |  aktualisiert: 21.11.2024 22:22 Uhr

Nach dem Verzicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll Bundeskanzler Olaf Scholz am kommenden Montag vom SPD-Vorstand als Kanzlerkandidat für die Neuwahl des Bundestags nominiert werden. „Wir werden jetzt sehr schnell in den Gremien, Montag im Parteivorstand, dann auch Klarheit schaffen: Wir wollen mit Olaf Scholz in die nächste Wahlauseinandersetzung gehen”, sagte der Parteivorsitzende Lars Klingbeil nach digitalen Beratungen des Parteivorstands in Berlin.

Nach kontroverser öffentlicher Debatte in der SPD hatte Pistorius zuvor den Weg für eine erneute Kandidatur des Kanzlers freigemacht. Er teilte der Partei- und Fraktionsspitze mit, dass er nicht für eine Kandidatur zur Verfügung stehe. „Das ist meine souveräne, meine persönliche und ganz eigene Entscheidung.” 

Pistorius: „Olaf Scholz ist ein starker Kanzler”

Pistorius sprach sich gleichzeitig für Scholz als Kanzlerkandidat aus. „Olaf Scholz ist ein starker Kanzler und er ist der richtige Kanzlerkandidat.” Er habe eine schwierige Koalition aus drei Parteien durch die vielleicht größte Krise der letzten Jahrzehnte geführt. „Olaf Scholz steht für Vernunft und Besonnenheit.” Das sei in Krisenzeiten wie diesen besonders wichtig. 

Die Nominierung von Scholz soll am Montag in der regulären Sitzung des Parteivorstands erfolgen. Bereits am Abend schalteten sich die Vorstandsmitglieder digital zusammen. In der niedersächsischen Landesvertretung kamen gleichzeitig die SPD-Ministerpräsidenten zunächst mit Scholz zusammen, anschließend stieß die Parteispitze hinzu. 

Pistorius rief seine Partei dazu auf, die Kandidatendebatte jetzt zu beenden. Sie habe für zunehmende Verunsicherung in der SPD und für Irritationen bei den Wählerinnen und Wählern gesorgt. Das schade der SPD, sagte Pistorius. „Ich habe diese Debatte nicht angestoßen, ich habe sie nicht gewollt und ich habe mich für nichts ins Gespräch gebracht. Wir stehen jetzt gemeinsam in der Verantwortung, diese Debatte zu beenden. Denn es geht um viel.”

Mit Mützenich und dem „Grummeln” in der Partei begann die Debatte 

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition hatte sich in der SPD eine immer lauter werdende Debatte darüber entwickelt, ob es nicht besser wäre, mit Pistorius ins Rennen zu gehen. Mit Blick auf seine deutlich höheren Beliebtheitswerte und vermutete bessere Wahlchancen hatten sich immer mehr SPD-Politiker auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene offen für ihn ausgesprochen.

Die SPD-Spitze hatte sich hinter Scholz gestellt, aber nach der Entscheidung für eine Neuwahl am 23. Februar auch zunächst darauf verzichtet, ihn als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Mit einer Äußerung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, dass es „Grummeln” in der Partei in der K-Frage gebe, begann die öffentliche Debatte.

Pistorius wollte nur ausschließen, dass er Papst wird

Pistorius machte tagelang keine Anstalten, sie zu unterbinden. Im Gegenteil: „In der Politik sollte man nie irgendetwas ausschließen, ganz egal, worum es geht”, sagte der SPD-Politiker erst am Montag bei einer Veranstaltung der Mediengruppe Bayern in Passau. „Das Einzige, was ich definitiv ausschließen kann, ist, dass ich noch Papst werde”, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Allerdings sagte Pistorius dann auch noch zur Kanzlerkandidatur: „In meiner Lebensplanung findet das nicht statt und das muss auch ehrlich gesagt nicht sein.”

Scholz hat seinen Anspruch früh formuliert

Scholz selbst hatte seinen Anspruch bereits im Juli erklärt, als der Bruch der Ampel-Koalition noch weit weg war: „Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden”, sagte er damals. In den vergangenen Tagen hatte er das nicht so klar wiederholt - offensichtlich um nicht den Eindruck zu vermitteln, er wolle sich selbst küren.

Nach der Nominierung durch den Parteivorstand mit seinen 34 Mitgliedern wird am 11. Januar noch der Parteitag über die Kanzlerkandidatur abstimmen. Normalerweise ist das Formsache. Die erste offizielle Präsentation des Kandidaten soll schon früher stattfinden: bei einer „Wahlsiegkonferenz” am 30. November in Berlin. 

SPD braucht extreme Aufholjagd für Erfolg

Will Scholz wiedergewählt werden, muss er eine extreme Aufholjagd hinlegen. In den Umfragen liegt die SPD aktuell mit Werten zwischen 14 und 16 Prozent noch hinter der AfD mit 18 bis 19 Prozent und weit hinter der Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), die auf Werte zwischen 32 und 34 Prozent kommt.

Scholz hatte kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung” an die Bundestagswahl 2021 erinnert. „Die Zuverlässigkeit solcher Umfragen ist überschaubar, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, auch wenn das manche schnell vergessen haben.” Die SPD lag damals zweieinhalb Monate vor der Wahl ebenfalls weit hinter der Union - bis zu 16 Prozentpunkte -, bis ein Lacher von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Flutgebiet die Stimmung drehte. Bei der Wahl holten die Sozialdemokraten dann 25,7 Prozent der Stimmen und Scholz wurde Kanzler der ersten Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene. 

Lindner: „Da wissen die Menschen, was sie bekommen”

Mit am schnellsten äußerte sich am Abend der frühere, von Scholz gefeuerte Finanzminister Christian Lindner zur Entscheidung der K-Frage der SPD. „Es ist mir recht, wenn Herr Scholz der Kanzlerkandidat der SPD ist. Da wissen die Menschen, was sie bekommen. Und was nicht: #Wirtschaftswende.”

 
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