
Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland haben besondere Symptome. Sie stellen Ärzte oft jahrelang vor Rätsel, bis klar ist: Der Patient leidet an einer seltenen Erkrankung. „Eine solche Diagnose bedeutet viel Unsicherheit“, sagt Mirjam Mann, Geschäftsführerin der Selbsthilfeorganisation „Achse“, eine Abkürzung für Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen. „Die Patienten haben Sorgen, was das für ihre Zukunft bedeutet.“ Auch weil es häufig nur wenige oder schwer zugängliche Informationen über die Krankheiten gebe, so Mirjam Mann.
Der Tag der seltenen Erkrankungen an diesem Dienstag soll auf die Situation der Patienten aufmerksam machen. Er ist immer auf den letzten Tag im Februar terminiert und findet heuer zum zehnten Mal statt.
Eine Krankheit gilt dann als selten, wenn maximal fünf von 10 000 Menschen sie haben. Dazu gehören Erkrankungen, für die es Arzneien und Therapien gibt. Über andere ist dagegen nur wenig bekannt. Deswegen trägt der diesjährige Aktionstag das Motto „Forschen hilft heilen“, erklärt Mirjam Mann. „Es braucht mehr Medikamente und Behandlungsmethoden.“
Die Organisation „Achse“ setzt sich zudem für den Aufbau eines bundesweiten Netzes von zertifizierten Zentren für seltene Erkrankungen ein. Schon jetzt gibt es deutschlandweit an mehreren Universitätskliniken Mediziner, die sich speziell um diese Patientengruppe kümmern. Dazu gehört in Würzburg das ZESE, das Zentrum für Seltene Erkrankungen. Es wurde Ende 2014 gegründet und ist das Referenzzentrum für Nordbayern (Info im Internet unter www.zese.ukw.de).
Schätzungen zufolge leiden in Deutschland rund vier Millionen Menschen an einer seltenen Erkrankung, so Professor Helge Hebestreit, Sprecher des ZESE und stellvertretender Direktor der Würzburger Universitäts-Kinderklinik. Die Abklärung der Erkrankung erfolge auf Basis von Unterlagen und – nach interdisziplinärer Besprechung der Befunde – in ergänzenden Untersuchungen. „Und selbst wenn einmal eine seltene Diagnose gesichert ist, findet man nicht immer heimatnah Experten, die eine Betreuung auf der Basis des aktuellen Wissens leisten können“, informiert Hebestreit.
Seit kurzem gibt es eine Kooperation des Würzburger ZESE mit dem ZSER, dem Zentrum für Seltene Erkrankungen Regensburg. Die Zusammenarbeit sieht den Austausch von Patientendaten vor. Durch die enge Verflechtung der beiden Standorte könne Patienten, die meist eine jahrelange Odyssee hinter sich haben, mit einer optimierten medizinischen Infrastruktur schneller und immer nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen geholfen werden, erläuterte Professor Mark Berneburg, Sprecher des Regensburger Zentrums. Der Bedarf ist hoch. Nach Angaben der Uni Würzburg zählte das ZESE 2016 insgesamt 456 Anfragen. Das ZSER erreichen täglich bis zu zehn Anfragen.
30 Prozent der Betroffenen warten mehr als fünf Jahre auf eine korrekte Diagnose, informiert Professor Jürgen Schäfer, Leiter des ZUSE, des Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen an der Uni-Klinik Marburg. Seit 2013 haben sich dort mehr als 6500 Patienten gemeldet. Die Warteliste sei lang. „Das ist ein Indikator dafür, dass es im Bereich der komplexen Erkrankungen einen Versorgungsengpass in Deutschland gibt“, so Schäfer. „Es geht um menschliche Schicksale, um Schicksale, die günstig beeinflusst werden könnten, wenn man früher diagnostizieren würde.“
Die Zentren in Würzburg und Regensburg wollen künftig auch bei Studien enger zusammenarbeiten. Denn bisher seien weltweit nur für einzelne seltene Erkrankungen gezielt Medikamente oder andere Behandlungsformen entwickelt worden. Dazu gehört zum Beispiel Morbus Hunter, ein Typ unter den Mukopolysaccharidosen (MPS). Der fünfjährige Leander aus Würzburg leidet darunter und erhält eine Enzymtherapie. Sie heilt ihn jedoch nicht. Seine Geschichte erzählen wir auf