Noch sitzt die AfD in Bayern und Hessen nicht im Landtag. Doch das wird sich wahrscheinlich bald ändern. Warum die AfD so erfolgreich ist und weshalb auch manche Christen für rechtes Gedankengut empfänglich sind, erläutert die Publizistin Liane Bednarz.
Am Sonntag wird in Bayern gewählt, zwei Wochen später in Hessen. Das sind die letzten beiden Landtage, in denen die Alternative für Deutschland (AfD) noch nicht vertreten ist. Aller Voraussicht nach wird die AfD dort dann auch einziehen. Erleben wir in Deutschland gerade einen historischen Rechtsruck?
Liane Bednarz: In gewisser Weise kann man das so sagen. Das gab es in dieser Form noch nicht, dass sich das rechte Denken übergreifend etabliert, sowohl auf der Bundesebene wie auch auf der Landesebene. Wir hatten die Republikaner oder auch andere rechte Parteien. Aber das waren vorübergehende Phänomene, die auch auf einzelne Bundesländer beschränkt waren.
Was ist das Erfolgsrezept der AfD?
Bednarz: Die AfD profitiert sicherlich bis heute von dem bürgerlichen Image, das sie sich in ihren Gründungsjahren als Anti-Euro-Partei erworben hat, mit den vielen Professoren und anderen bürgerlichen Gesichtern. Darüber hinaus hat sie es geschafft, dem Protest eine Stimme zu geben. Viele Menschen sind von der Politik frustriert und fühlen sich nicht ernst genommen, zum Beispiel bei Fragen der Migrationspolitik. Die AfD tut so, als würden Regierung und Politik dem Volk massiv schaden und als müsse man sich dagegen wehren - und für diese Erzählung sind erstaunlich viele Leute anfällig.
Also auch ein Versäumnis der Regierenden, ganz konkret vielleicht auch von Angela Merkel, mit ihrem Politik-Stil, Themen nicht offensiv anzusprechen, zu erklären, sondern eher auszusitzen?
Bednarz: Bestimmt. Die AfD hat sich ja auch gegründet als Reaktion auf Merkels Mantra der Alternativlosigkeit. Aber das ist natürlich nicht alles. Es gab seit Jahrzehnten rechte Strategen, die nur darauf gewartet haben, dass es eine Partei gibt, an die sie andocken können, um ihre Ideen dort zu verankern. Und das ist erstaunlich erfolgreich.
Und der Erfolg dauert an.
Bednarz: Das kann man wohl sagen. Andere rechte Gruppierungen wie die Republikaner oder etwa die Schill-Partei sind schnell wieder verschwunden. Die haben sich in kurzer Zeit praktisch selbst zerlegt. Die AfD hatte von Anfang an Personal, das seriös und professionell aufgetreten ist. Da ist offensichtlich auch mehr Disziplin drin, von der Parteispitze her. Das hat auch bürgerliches Publikum angezogen . Die Strukturen sind gewachsen und das gewinnt irgendwann eine Eigendynamik. Davon profitiert die AfD bis heute.
In ihrem neuen Buch „Die Angstprediger“ warnen Sie nun davor, so der Untertitel, dass „rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“. Wie muss man sich das vorstellen? Nur weil ich als Christ gegen Abtreibung bin, bin ich doch nicht rechts?
Bednarz: Nein. Die entscheidende Frage ist aber, wo hört das konservative, bewahrende Denken auf und geht ins antipluralistische, illiberale – und bisweilen auch ins völkische Denken über? Die Abtreibungsdiskussion ist ein gutes Beispiel dafür. Für die meisten strenggläubigen Christen ist der Lebensschutz ein echtes Anliegen – übrigens auch für mich. Aber das kippt eben dann, wenn das Thema verknüpft wird mit demografischen Aspekten wie bei der AfD, die es in einen Zusammenhang stellt mit einer von ihr sogenannten „aktivierenden Familienpolitik“ zugunsten der „einheimischen Bevölkerung“. Die AfD ist also unter anderem gegen Abtreibung, weil nicht genug deutsche Kinder geboren werden. Ein konservativer Christ würde hingegen keinen Unterschied dahingehend machen, ob das Kind eine deutsche oder eine ausländische Mutter hat.
Sie argumentieren in Ihrem Buch, dass gewisse konservative Positionen in Gesellschaft wie in Kirche gleichsam heimatlos geworden sind.
Bednarz: Die Lebensschutzfrage ist da ein Beispiel. Gleichgeschlechtliche Lebensformen sicherlich ein weiteres. Das ist ein Thema vor allem für die evangelischen Landeskirchen. Wenn dort gleichgeschlechtliche Paare in Gottesdiensten gesegnet werden, dann haben damit viele sehr konservative Christen ein Problem. Über diese Frage hat zum Beispiel die Synode der Landeskirche in Württemberg kontrovers debattiert. Aus diesem Gefühl der Heimatlosigkeit kann eine Frustration entstehen und die Menschen flüchten sich in die Vorstellung, sie seien einer „Meinungsdiktatur“ ausgesetzt, dem „Terror“ der Political Correctness, wie es dann heißt. Statt weiter für die eigenen Überzeugungen zu streiten, machten nicht wenige sich mit Akteuren gemein, die von rechts kommen und diese Themen besetzen.
Aber wie kann ich beispielsweise als katholischer Christ Nationalist sein, wenn ich einer Kirche angehöre, die einen universellen Anspruch hat?
Bednarz: Eigentlich kann man das nicht zusammenbringen. Aber das Milieu biegt sich das zurecht. Da wird dann zum Beispiel behauptet, man könne die christliche Identität nur im nationalen Rahmen oder maximal im europäischen Rahmen schützen – nicht wenige sympathisieren mit der Pegida, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“.
Welche Bedeutung haben diese „rechte Christen“? Müssen wir uns Sorgen machen?
Bednarz: Man muss sich schon etwas Sorgen machen, weil diese Entwicklung unter dem Radar der Öffentlichkeit verläuft. Nach einer Studie sind drei bis vier Prozent der kirchennahen Christen anfällig für dieses Gedankengut. Die große Mehrheit ist also immun dagegen. Es gibt nicht so viele rechte Christen, aber sie sind zum Teil prominent, sie sind sehr aktiv und sie scharen viele Leute um sich. Rechte Themen, wie der angebliche „Gender-Wahn“, haben sich weit über die AfD hinaus bis an den rechten Rand der Unionsparteien festgesetzt. Das alles gibt dem Rechtspopulismus ein christliches Antlitz. Das ist das Problem.
Was kann man tun? Die Spitzen der großen christlichen Kirchen positionieren sich ja immer wieder eindeutig gegen rechtes Gedankengut.
Bednarz: Nach außen hin positionieren sich die Kirchen sehr stark. Kardinal Marx, der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz, und der EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm sind ja regelrecht zu Feindbildern der rechten Szene geworden. Aber genauso wichtig wäre es, dass die Positionierung auch nach innen stattfindet. Ich höre, dass man auf Gemeindeebene diesen Leuten bisweilen nicht wirklich entgegentritt. Es hängt viel am jeweils zuständigen Priester, am Pfarrer oder an der Pfarrerin, ob da was passiert oder eben nicht.
Nach dem Motto: Mit Rechten reden?
Bednarz: Ja, unbedingt! Es wird eine Herkulesaufgabe für uns alle, diese 18 Prozent Wähler, die der AfD zuneigen, einschließlich der Christen, die das tun, wieder für die gesellschaftliche Mitte zurückzugewinnen. Da sind die Feindbilder total verfestigt. Das geht nur mit sehr viel Geduld, auch im ganz persönlichen Bereich, im Familienkreis und unter Freunden. Das wird nicht einfach.