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München
Wie lustig geht es im Landtag zu?
Klar, Politik ist eine ernste Sache. Aber zwischendurch wird ja mal Luft sein für a bisserl Humor im bayerischen Parlament. Oder nicht?
Ja, muss man denn erst die Mannsbilder aus dem Bayerischen Landtag schmeißen, damit es auch mal lustig wird? Unser Foto zeigt Teilnehmerinnen der Konferenz „Frauen im Parlament“ im Oktober im Plenarsaal.
Foto: Peter Kneffel, dpa | Ja, muss man denn erst die Mannsbilder aus dem Bayerischen Landtag schmeißen, damit es auch mal lustig wird? Unser Foto zeigt Teilnehmerinnen der Konferenz „Frauen im Parlament“ im Oktober im Plenarsaal.
Uli Bachmeier
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 07.01.2020 02:10 Uhr

Kann Politik lustig sein? Wird im bayerischen Landtag gelacht? Und, wenn ja, worüber? Nun, es gibt in unserer Zentralredaktion tatsächlich Kollegen, die ernsthaft der Auffassung sind, dass der Landtag doch ein Biotop sein müsse, in dem die bunten Humorblüten nur so sprießen. Die bittere Wahrheit für Landtagsberichterstatter aber ist eine andere. Wer im Hohen Haus Heiterkeit erwartet, wird in aller Regel enttäuscht.

Der schwäbische Landtagsabgeordnete und ehemalige Kurzzeit-Wirtschaftsminister Franz Pschierer (CSU), der mittlerweile schon stolze 25 Jahre lang ein weitgehend freudloses Parlamentarierdasein fristet, fasst das ganze Elend in kurzen Worten zusammen. „Hier gibt? nichts Lustiges. Wir haben hier schon seit Jahren nicht mehr gelacht. Hier herrscht eine Stimmung wie in einem Landratsamt.“ Pschierers SPD-Kollege Harald Güller – ebenfalls Schwabe und mit einer Unterbrechung ebenfalls seit 1994 dabei – erlebt den Parlamentsalltag nicht anders: „Da fällt mir nichts ein – jedenfalls nichts, was man erzählen könnte.“ Eine kurze Umfrage unter rund 20 weiteren Abgeordneten bestätigt das. Die Standardantwort lautet: „Lustig? Hier? Sie machen Witze?

Aiwanger, der Hoffnungsträger in Sachen Humor 

Nun gut, Witze werden immerhin erzählt und bei einigen davon lässt es sich gerade noch verantworten, sie zu drucken – etwa diesen, der am Rande einer Debatte über die Lage auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt zum Besten gegeben wurde: Ein Türke und ein Arzt ziehen nebeneinander in baugleiche Reihenhäuser ein. Sagt der Türke: „Hey du, Arzt! Mein Haus ist mehr wert als deines.“ Sagt der Arzt: „Wieso das denn? Die Häuser sind doch identisch!“ Sagt der Türke: „Ja, schon. Aber du wohnst neben Türke, ich wohne neben Arzt.“ Offizielle Reden dagegen bleiben zumeist spaßbefreit – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Als einer der letzten Hoffnungsträger in Sachen Humor darf zum Beispiel der Chef der Freien Wähler, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, gelten. Der wortgewaltige Niederbayer schreckt auch am Rednerpult nicht davor zurück, mit knallharten Kalauern für die Interessen, das Ansehen und das Auskommen der Landbevölkerung zu streiten. Sein Feindbild Nummer Eins sind die grünen Stadtmenschen, die in Aiwangers Wahrnehmung am liebsten auf der Terrasse sitzen und in ihrem Latte macchiato rühren, statt etwas Anständiges zu arbeiten.

Der Frontmann der Freien Wähler diagnostiziert „eine Form von Kolonialismus von einer städtischen Elite gegen die ländlichen Räume“ und geißelt grüne Ideen zu Arten-, Klima- und Umweltschutz mit den Worten: „Sie (die Grünen) rühren in Ihrem Latte macchiato, und wenn die Milchbauern das umsetzen müssen, was Sie (die Grünen) vorschlagen, dann dürfen sie (die Milchbauern) die Wiese nicht mehr mähen. Dann haben Sie (die Grünen) gar keine Latte mehr in Ihrem Macchiato.“ Respekt! Da soll noch einer sagen, dass sich die komplizierte Politik nicht in klare pointierte Sätze fassen lässt.

Aiwanger ist auch eine beliebte Zielscheibe für Hohn und Spott 

Aiwanger freilich ist nicht nur entschlossener Vollstrecker von Hohn und Spott, sondern gerne auch Zielscheibe. Und manchmal scheint er es gar nicht zu bemerken oder tut wenigstens so – etwa bei der Debatte über seine Regierungserklärung zur Energiepolitik. Man darf CSU-Fraktionsvize Alexander König getrost eine gehörige Portion Ironie unterstellen, wenn er Aiwanger geradezu überschwänglich zum Visionär der Energiewende ausruft: „Es ist – das sei hier noch mal gesagt – ein visionäres Ziel, wenn der Staatsminister sagt, er will durch ein Akzeptanzprogramm und Bürgerbeteiligungsmodelle dazu beitragen, dass in Bayern, wo wir zurzeit 1164 Windräder bei einer Gesamtzahl von 30 000 in Deutschland haben, bis zu 300 weitere Windräder generiert werden. Das ist doch visionär! Das müssen Sie doch sagen!“

Als von der FDP der Zwischenruf kommt – „Bis wann?“ –, lässt König die Pointe raus: „Das hat er nicht gesagt, bis wann. Das dürfen Sie mich jetzt nicht fragen. Ich habe die Vision nicht in den Raum gestellt.“

Eine der wenigen Quellen für Amüsement im Landtag 

Und wenig später setzt der CSU-Politiker gleich noch einen drauf, damit auch wirklich jeder versteht, wie es gemeint ist: „Ganz visionär ist es doch – das sei hier auch nochmals gesagt –, wenn Staatsminister Aiwanger sagt, sein Ziel sei es, bis 2050 ein Viertel der Häuser in Bayern mit Geothermie zu beheizen. Das ist toll! Mit einer Anschubfinanzierung von nur zehn Millionen Euro! Er ist mein Lieblingsminister, was Haushaltspolitik angeht.“ Zum Vergleich: Allein die Förderung von Seilbahnen in Skigebieten lässt sich die Staatsregierung rund zehn Millionen Euro kosten.

Die wundersam rasante Wandlung der Freien Wähler von der hammerharten Oppositions- zur kreuzbraven Regierungspartei jedenfalls ist eine der wenigen Quellen für Amüsement im Landtag. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) – eher ein abwägender Intellektueller denn ein mitreißender Redner – bringt mit einem überraschenden Bekenntnis das Plenum zum Kochen: „Bayern würde nicht dort stehen, wo es heute steht, wenn nicht auch die CSU das eine oder andere richtig gemacht hätte. Oder? So ist es doch, meine Damen und Herren.“

Die CSU-Abgeordneten jubeln lautstark, aus den Reihen der Opposition hagelt es höhnische Zwischenrufe. Alle im Plenarsaal wissen: Piazolo war einst einer der schärfsten Kritiker der Bildungspolitik der CSU. An der Arbeitsweise des Ministeriums und den bildungspolitischen Inhalten aber hat sich unter seiner Regie kaum etwas geändert. Als er merkt, was er da gerade gesagt hat, wird ihm dann doch etwas blümerant, und er fügt selbstironisch hinzu: „Ich weiß nicht, wann mich dieser Satz noch einholt in meinem Leben.“ Hiermit geschehen.

An den Humor seiner Vorgänger kann Söder nicht anknüpfen 

Zu den beliebtesten Motiven der wenigen Humoristen im Maximilianeum, das in immer wieder neuen Variationen ausgeschmückt wird, gehört auch der radikale Imagewandel des CSU-Chefs und Ministerpräsidenten. Einst galt Markus Söder als Polit-Rabauke und ungebändigter Haudrauf. Im Jahr 2019 aber vollendet er, was sich bei ihm schon in der zweiten Jahreshälfte 2018 abgezeichnet hatte – er wechselt aus dem Krawallmodus in die Rolle des milden, verständnisvollen Landesvaters. Söder gibt den sozialen Wohltäter und Familienförderer, umarmt Bäume, sattelt um auf Bienen- und Klimaretter und schafft es sogar, als potenzieller Kanzlerkandidat der Union gehandelt zu werden. Star-Wars-Fan Söder will allen zeigen, dass er auf der hellen Seite der Macht steht. Die Rolle der Finsterlinge weist er anderen zu: der AfD sowieso, aber in gewisser Weise auch den Grünen. Einige alte Kameraden in der CSU reiben sich immer wieder verwundert die Augen und mutmaßen, dass Söder sogar seinen geliebten Nürnberger Bratwürsten öffentlichkeitswirksam abschwören würde, sollte der Zeitgeist es erfordern und er sich zusätzliche Wählerstimmen davon versprechen.

An den Humor seiner Vorgänger kann der runderneuerte Söder, der sich als Landesvater jede Form von Frotzeleien verkneift, allerdings nicht anknüpfen. Das gilt für das unfreiwillig Komische, in dem Edmund Stoiber eine unerreichte Meisterschaft entfaltete: „Frau Merkel und ich, wir haben nächtelang gerungen, um in eine gemeinsame Position zu kommen.“ Das gilt auch für Horst Seehofers zuweilen bitter-böse Abkanzelung eigener Parteifreunde als „Glühwürmchen“ oder „Mäusekino“. Wenn Söder in der eigenen Partei jemanden gerade blöd findet, dann hört sich das mittlerweile nur noch so an: „Ich mag ihn ja, aber ...“

Die Sache mit den Lutschbonbons 

Weit her ist es also nicht mehr mit dem Humor in der Landespolitik. Das gilt für die großen Parteien und ihre Chefs ebenso wie für die Kleinen. Der SPD, so scheint es manchmal, ist nach fortgesetzten Wahldebakeln sogar der Galgenhumor vergangen. Die FDP strampelt, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Und mit der AfD ist eine ziemlich überflüssige Gereiztheit in den Parlamentsbetrieb eingezogen. Da können sogar Kleinigkeiten zu Komplikationen führen – die Sache mit den Lutschbonbons zum Beispiel, die am letzten Sitzungstag des Jahres 2019 nur dank des Humors und des diplomatischen Geschicks von Vizepräsident Alexander Hold ein halbwegs versöhnliches Ende nimmt.

Es ist schon Abend. Seit neun Uhr früh bereits diskutieren die Abgeordneten so trockene Angelegenheiten wie das Finanzausgleichsgesetz, das Finanzausgleichsänderungsgesetz und das Haushaltsgesetz. Zudem hat die AfD durch eine ganze Serie von zuvor in den Ausschüssen bereits behandelten Anträgen dafür gesorgt, dass sich die Plenarsitzung um viele Stunden in die Länge zieht. Die Weihnachtspause muss warten. Die Stimmung ist angespannt. In dieser Situation packt der AfD-Abgeordnete Ingo Hahn eine Thermoskanne aus und kassiert prompt einen Rüffel von Vizepräsident Hold: „Im Sitzungssaal ist Essen und Trinken nicht gestattet.“ Unter normalen Umständen wäre das kein Problem. Aber die Umstände sind halt nicht normal. Die AfD fühlt sich benachteiligt und ausgegrenzt, die anderen sind genervt von der AfD. Und prompt erreicht das Sitzungspräsidium der Hinweis vonseiten der AfD, dass doch auch auf der Regierungsbank permanent irgendwas geknabbert und gelutscht werde. Hold weiß: Vor allem der Ministerpräsident und sein Staatskanzleichef Florian Herrmann lassen sich von den Beamten hinter ihnen mit allerlei Süßigkeiten versorgen. Dürfen Söder und seine Minister, was anderen untersagt wird?

Der Herr Vizepräsident sitzt in der Klemme und muss seine ganze Erfahrung als Jurist aufbieten, damit nicht kurz vor Weihnachten aus einer Winzigkeit ein Skandal wird: „Erlauben Sie mir kurz zur Klarstellung, weil hier offensichtlich Unklarheiten aufgetaucht sind, noch eine Erläuterung zur Frage der Zulässigkeit von Essen und Trinken im Sitzungssaal. Man muss diese Regelung nach Sinn und Zweck auslegen. Sinn und Zweck ist in erster Linie, dass der Sitzungssaal nicht verunreinigt werden soll. Deshalb sind selbstverständlich von der Regelung Bonbons ausgenommen, weil – zumindest wenn diese Bonbons bis zum Ende des Lutschvorgangs im Munde bleiben – mit einer Verunreinigung des Sitzungssaales nicht zu rechnen ist.“

Das Protokoll verzeichnet „Allgemeine Heiterkeit“ – ausnahmsweise.

 
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