Für die meisten Erwachsenen beginnt der Tag mit einer Tasse Kaffee, der Wachmacher ist sogar das absolute Lieblingsgetränk der Deutschen. Fast 150 Liter genießt jeder durchschnittlich pro Jahr. Doch die wenigsten Kaffeefreunde machen sich Gedanken über die Bedingungen, unter denen die Bohnen angebaut werden.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller sagt: „Bei der Tasse Kaffee am Morgen muss jedem klar sein, dass dort Kinderarbeit drin stecken kann. Nur zehn Prozent des deutschen Kaffees ist fair produziert.“ Er habe die Kinder auf den Plantagen in Westafrika mit eigenen Augen gesehen, so der CSU-Politiker. „Sie müssen dort schuften, weil ihre Eltern viel zu wenig verdienen.“
Kaffee sei aber längst nicht das einzige Produkt, das unter unfairen Bedingungen produziert werde. Ähnlich dramatisch sei die Situation bei Bananen oder Kakao, zählt Müller auf. Und der Hunger der Industrieländer nach billigen Lebensmitteln, Textilien und anderen Produkten zerstöre in den ärmeren Ländern die natürlichen Lebensgrundlagen und sorge für immense Klimaschäden.
Müller dazu: „Unser Tag beginnt mit einer Dusche. Im Shampoo aber steckt Palmöl. Das kommt im Wesentlichen aus Indonesien und dafür werden weiterhin Regenwälder abgebrannt.“ Auf der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin, die noch bis zum Wochenende läuft, verweist Müller auch auf die Rodung von Urwald in Südamerika zur Produktion von Rindfleisch und Futtermitteln für den Weltmarkt.
Die Verantwortung für die Missstände sieht Müller bei den großen Handelsketten. „Sie müssen sicherstellen, dass in der Schokolade, im Kaffee, im Kakao, in den Textilien und in allen anderen Waren keine Kinder-und Sklavenarbeit steckt.“
Wenn Müller von moderner Sklaverei spricht, hat er die Arbeiter auf den Kaffeeplantagen, die Kinder in den Minen des Kongo oder die Näherinnen in Äthiopien im Blick. Ihr Los lasse sich nur verbessern, wenn beim Einkauf der Rohprodukte existenzsichernde Löhne gezahlt würden. „Die Handelsspanne ist groß genug, das zeigen ja die Lockangebote“, sagt der CSU-Minister.
Erst kürzlich hatten sich sieben große deutsche Supermarktketten freiwillig dazu verpflichtet, existenzsichernden Einkommen zu zahlen: Lidl, Rewe, Aldi Nord, Aldi Süd, Kaufland, DM und Tegut. Für Müller „ein wichtiger Schritt“, noch vor zwei Jahren hätte niemand ein solches Engagement für möglich gehalten.
Das Ziel laute aber: „hundert Prozent fairer Supermarkt“. Er wolle deshalb mit dem Einzelhandel eine Mindestpreisschwelle beim Einkauf etwa von Bananen in Ecuador oder Kakao in Ghana vereinbaren. Nur so könnten die Verbraucher beim Einkaufen sicher sein, dass Kaffee, Schokolade oder Bananen ohne Kinderarbeit produziert wurden.
„Wie die Konzerne den Endpreis bestimmen, ist ihre Sache“, sagt der Kemptener. Bewege sich der Handel nicht ausreichend, müssten entsprechende Gesetze her: „Wir haben in der Textilindustrie gesehen: Freiwilligkeit funktioniert nur bis zu einem bestimmten Punkt. Rund die Hälfte verpflichtet sich zu Sozial- und Umweltstandards, die andere Hälfte macht nicht mit. Deshalb sprechen wir ja jetzt über die gesetzliche Festlegung von sozialen und ökologischen Mindeststandards.“
Nach Zahlen aus dem Entwicklungsministerium landet oft nur ein Bruchteil dessen, was ein Produkt im deutschen Handel kostet, bei den Produzenten: 50 Cent pro Pfund Kaffeebohnen, 14 Cent pro Kilo Bananen und nur sieben Cent pro Tafel Schokolade.
Gerade bei der Schokolade, der liebsten Süßigkeit der Deutschen, sei schon einiges erreicht worden. Demnach sind 60 Prozent des Kakaos in Deutschland mittlerweile nachhaltig erzeugt. Vor zehn Jahren waren es erst drei Prozent. Entwicklungsminister Müller hofft, dass bald nur noch fair und klimafreundlich erzeugte Produkte in den Handel gelangen. Dabei zählt er auf die Verbraucher: „Immer mehr wollen wissen, wir ihre Lebensmittel hergestellt werden, die auf dem Frühstückstisch stehen. Sie wollen sicher sein, dass keine Kinder oder Sklaven dafür arbeiten müssen.“