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BERLIN
Wie ein Kabinett ohne Mehrheit regiert
Leerer Kabinettstisch       -  Konferenzraum im Bundeskanzleramt vor der Kabinettssitzung: An diesem Mittwoch steht die „Verordnung zur Änderung der Stromnetzzugangsverordnung“ auf der Tagesordnung.
Foto: Wolfgang Krumm, dpa | Konferenzraum im Bundeskanzleramt vor der Kabinettssitzung: An diesem Mittwoch steht die „Verordnung zur Änderung der Stromnetzzugangsverordnung“ auf der Tagesordnung.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 26.11.2017 02:42 Uhr

Es ist, als wäre nichts passiert. Als hätte es weder die Bundestagswahl mit ihren Verwerfungen des Parteiensystems noch das Scheitern der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition mit ihren Unwägbarkeiten gegeben. An diesem Mittwoch kommen, wie an jedem Mittwoch, um 9.30 Uhr die Ministerinnen und Minister von CDU, CSU und SPD zu ihrer 166. Sitzung zusammen. Themen sind unter anderem die „aktuelle Lage und Entwicklung der Rentenversicherung“ sowie eine „Verordnung zur Änderung der Stromnetzzugangsverordnung“.

Die Botschaft ist klar: Die Regierung ist weiter im Amt und geht ihrer normalen Arbeit nach – auch wenn sich die Reihen nach dem Ausscheiden von Wolfgang Schäuble (Finanzen), Alexander Dobrindt (Verkehr) und Andrea Nahles (Arbeit und Soziales) etwas gelichtet haben. Doch ansonsten ist alles, wie es immer war – Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel sitzt als Vizekanzler und Außenminister neben der Kanzlerin, alle anderen SPD-Minister wie Heiko Maas (Justiz), Brigitte Zypries (Wirtschaft), Barbara Hendricks (Umwelt) und Katarina Barley (Familie) stehen unverändert an der Spitze ihrer Häuser.

Normalität in Zeiten der politischen Ausnahmesituation. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble spricht angesichts der Probleme von einer Aufgabe, die „groß“ allerdings „lösbar“ sei. „Es ist eine Bewährungsprobe, aber es ist keine Staatskrise.“

Rein theoretisch unbegrenzt weiter regeiren

Die Regierung ist geschäftsführend im Amt – und könnte rein theoretisch unbegrenzt weiter regieren. Im Grundgesetz gibt es keine Frist, die vorschreibt, in welchem Zeitraum nach einer Wahl eine neue Regierung gebildet werden muss. Zwar hat sich in der Vergangenheit die Praxis herausgebildet, dass eine lediglich geschäftsführende Regierung keine weitreichenden finanziellen oder personellen Entscheidungen trifft, und somit die künftige gewählte Regierung binden würde. Gleichwohl müssen aber auch in der Übergangszeit „wesentliche“ Entscheidungen getroffen und entsprechende Gesetzentwürfe verabschiedet werden.

Denn der Bundestag ist seit seiner Konstituierung am 24. Oktober voll arbeitsfähig. Am Dienstag kam er zu seiner ersten Arbeitssitzung zusammen und setzte für die Zeit, in der es keine gewählte Regierung gibt, einen Hauptausschuss ein. Dieses provisorische Gremium, dem 47 Mitglieder aller Fraktionen angehören, ersetzt die regulären Fachausschüsse.

Das stärkt die Macht der Parlamentarier

In ihm können alle Gesetzentwürfe der Regierung beraten und dem Plenum zur zweiten und dritten Lesung vorgelegt werden. Da sich die Regierung allerdings auf keine parlamentarische Mehrheit stützen kann, muss sie in jedem Fall genügend Abgeordnete finden, die dem Gesetz zustimmen. Das stärkt die Macht der Parlamentarier.

Arbeitsfähig wäre eine geschäftsführende Regierung auch im neuen Jahr, obwohl noch kein vom Bundestag beschlossener Haushalt für 2018 vorliegt.

Nach Artikel 111 des Grundgesetzes („Vorläufige Haushaltswirtschaft“) ist die Bundesregierung ermächtigt, „alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind, um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen, um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen, um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind“.

Nach dem Prinzip der vorläufigen Haushaltsführung könnte im Jahr 2018 jedes Ministerium auch ohne beschlossenen Haushalt pro Monat so viel ausgeben, wie es im Durchschnitt im Vorjahr pro Monat getan hat. Diese Zwölftel-Regelung sorgt dafür, dass der Staat nicht zahlungsunfähig wird und alle laufenden Verpflichtungen erfüllen kann, eine zeitliche Begrenzung sieht das Grundgesetz dabei nicht vor. Neue Ausgaben für Investitionen oder andere neue Vorhaben sind dagegen nicht möglich.

Spekulationen über Termin für Neuwahl

An Spekulationen, wann in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt werden könnte, herrscht dieser Tage in Berlin kein Mangel. Im Gespräch ist vor allem Sonntag, der 22. April. Das wäre nach dem Ende der Osterferien in allen Bundesländern, zudem garantiert dieser Termin, dass alle gesetzlich vorgegebenen Fristen eingehalten werden können.

Zwar müsste zuvor im Bundestag dreimal eine Kanzlerwahl stattfinden, doch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann den Termin der ersten Wahl völlig frei entscheiden. Für die drei Wahlgänge ist dann ein Zeitraum von 14 Tagen vorgegeben, danach muss innerhalb von 60 Tagen der neue Bundestag gewählt werden. Somit könnten die Kanzlerwahlen im Bundestag im Februar stattfinden, dann wird im April neu gewählt. Voraussichtliche Kosten: knapp 100 Millionen Euro.

 
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