zurück
HANNOVER
Wie die Linke Wahlkampf macht
Bundesparteitag Die Linke       -  Partei-Ikone Sahra Wagenknecht fährt einen rot-rot-grün-kritischen Kurs.
Foto: Peter Steffen, dpa | Partei-Ikone Sahra Wagenknecht fährt einen rot-rot-grün-kritischen Kurs.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:48 Uhr

Rot-Rot-Grün rückt in unendlich weite Ferne. Dass es Martin Schulz doch noch irgendwie schafft, Angela Merkel aus dem Kanzleramt zu jagen, scheint nach dem Parteitag der Linken in Hannover fast ausgeschlossen. Der Kanzlerkandidat bräuchte neben einer so sensationellen wie unwahrscheinlichen Aufholjagd seiner SPD ja auch die Grünen und eben die Linkspartei als Koalitionspartner, um eine Regierung unter seiner Führung bilden zu können. Doch die Ergebnisse des Treffens der Linken dürften die Angst vieler Bürger vor einer rot-rot-grünen Bundesregierung noch gesteigert haben.

Auch die Partei selbst ist tief gespalten in der Frage, ob sie ein Mitregieren im Bund überhaupt anstreben – oder doch lieber aus Prinzip in der Opposition bleiben soll. Echte Verantwortung übernehmen, das verträgt sich nicht nur für Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht nicht so recht mit dem sturen Beharren auf kommunistischen Idealen. Die innere Zerrissenheit zieht sich wie ein tiefroter Faden durch den Parteitag.

Ratlos verfolgen junge Neu-Parteimitglieder, die eingetreten sind, weil sie sich eine gerechtere Welt wünschen und die Politik von Donald Trump ablehnen, wie sich die unterschiedlichen Flügel ineinander verbeißen.

Da sind die Realos aus dem Gewerkschaftslager, die den Sozialstaat reformieren wollen. Die genau durchgerechnet haben, wie viel sie „den Reichen“ nehmen müssen, um eine bedingungslose Grundsicherung zu finanzieren, die Hartz IV ablösen soll. Auch wer etwa Jobangebote ablehnt, soll künftig 1050 Euro im Monat bekommen. Gleichzeitig gibt es noch genügend stramme Kommunisten, denen selbst die sozialromantischsten Vorschläge niemals weit genug gehen und die wohl nur mit der faktischen Wiedereinführung der DDR zufrieden wären.

Kirchenkritik kommt an

Die Forderung, im Kampf gegen hohe Mieten Wohnungen kurzerhand zu enteignen, ist in der Partei durchaus salonfähig, auch wenn der entsprechende Antrag es nach längerer Diskussion nicht ins Programm schafft. Wenn sich die Linke als Partei des Friedens stilisiert, richtet sich das höchst einseitig gegen Nato und USA. Am traditionell russlandfreundlichen Kurs wird ungeachtet aller weltpolitischen Realitäten eisern festgehalten.

Anträge auf eine Verurteilung der Besetzung der Ostukraine, der Annexion der Krim und eine Missbilligung der Menschenrechtslage haben auf dem Parteitag erwartungsgemäß keine Chance.

Die Nato will die Linke durch ein neues Sicherheitsbündnis mit russischer Beteiligung ersetzen. Immerhin: Die weitergehende Forderung nach einem sofortigen Nato-Austritt Deutschlands lehnen die Delegierten ab. Ebenso schließt der Parteitag zwar eine deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen aus, lässt aber durchaus Spielraum etwa für Beratungs- und Ausbildungseinsätze im Ausland. Geheimdienste will die Linkspartei übrigens komplett abschaffen.

Auch Kirchenkritik gehört in der Linkspartei zum guten Ton. So erklärt sich der Antrag, die Kündigung der Kirchenstaatsverträge, die die theologische Ausbildung und die Seelsorge bei der Bundeswehr und in Krankenhäusern betreffen, ins Parteiprogramm aufzunehmen. Am Samstagabend wird die Forderung noch knapp angenommen. Doch über Nacht dämmert den Delegierten, dass sie damit die Abschaffung von Übereinkünften fordern, die ja gerade die von ihnen gewünschte Trennung von Staat und Kirche regeln. So wird der umstrittene Beschluss am Sonntag erneut diskutiert – und wieder zurückgenommen.

Die Linke, bei der letzten Bundestagswahl mit 8,6 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft, hat in Hannover weder klären noch erklären können, für was sie eigentlich steht. Und selbst wenn das Ergebnis des Parteitags als knapper Punktsieg des gemäßigten Lagers gewertet wird, der die Tür zu einer Regierungsbeteiligung noch einen Spalt weit offenlässt, ist das Bild nach außen verheerend.

Die Linkspartei hat aufs Neue gezeigt, dass sie zum Regieren auf Bundesebene kaum willens, vor allem aber längst nicht in der Lage ist. So bleibt nur die Hoffnung von Sahra Wagenknecht, SPD-Mann Martin Schulz möge es jetzt dem britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn gleichtun, dem mit radikal-linken Forderungen ein Überraschungsergebnis gelang. Doch je mehr die Linkspartei versucht, Grüne und SPD in ihre Richtung zu ziehen, desto klarer müssen sich diese im Wahlkampf von ihr abgrenzen.

Ziele der Linken – Kernpunkte ihres Wahlprogramms

Soziales: Eine Mindestsicherung von 1050 Euro soll an die Stelle der Hartz-IV-Leistung für Langzeitarbeitslose treten. Sanktionen etwa wegen nicht angenommener Jobangebote sollen abgeschafft werden. Der Mindestlohn soll von 8,84 auf 12 Euro steigen. Die Partei möchte eine Mindestrente von 1050 Euro garantieren. Das Rentenniveau soll auf 53 Prozent steigen. Gesundheit: Eine von Arbeitnehmern und -gebern gleichermaßen finanzierte Gesundheitsversicherung soll zu einer Senkung der Beiträge führen. Zuzahlungen sollen gestrichen werden. Steuern: Vermögen ab einer Million Euro soll mit fünf Prozent besteuert werden; die erste Million soll freigestellt sein. Zu versteuernde Einkommen unter 12 600 Euro sollen steuerfrei bleiben. Beim Jahreseinkommen soll gelten: Ab 70 000 Euro zu versteuerndem Einkommen – rund 81 000 Euro brutto – soll der Steuersatz 53 Prozent betragen, ab 260 533 Euro 60 Prozent und ab einer Million 75 Prozent. Inneres: Verfassungsschutz und perspektivisch Geheimdienste sollen abgeschafft werden. Dass PKK-Verbot soll aufgehoben werden. dpa
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bernhard Junginger
Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundeswehr
Die Linke
Donald Trump
Geheimdienste und Nachrichtendienste
Kirchenkritik
Linksparteien
Martin Schulz
Nato
Parteitage
SPD
Sahra Wagenknecht
Stellenangebote
Wahlkampf
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen