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Berlin
Wie Clans der Mafia Konkurrenz machen
Innenminister Seehofer zufrieden mit dem Kampf gegen organisierte Kriminalität
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 05.10.2021 02:31 Uhr

Die Mafia aus Süditalien ist der Inbegriff des organisierten Verbrechens – auch in Deutschland. Doch der berüchtigte Ruf wird herausgefordert durch kriminelle Großfamilien, die in den vergangenen Jahren durch spektakuläre Überfälle, Einbrüche und Morde von sich reden gemacht haben. Die Clans geraten mittlerweile doppelt so häufig in den Fokus von Polizei, Bundeskriminalamt und Staatsanwälten wie die Mafia.

Wie der neue Lagebericht des Bundeskriminalamtes zeigt, wurden vergangenes Jahr 27 Verfahren wegen Organisierter Kriminalität gegen arabisch und türkischstämmige Clans geführt. Gegen die Mafiosi waren es 13 Verfahren. „Das ist schon ein bemerkenswerte Zahl“, sagte BKA-Präsident Holger Münch bei der Vorstellung des Berichts. Insgesamt führt die Justiz 45 Verfahren gegen schwer kriminellen Großfamilien. Neben der Türkei und dem arabischen Raum stammen sie auch aus Serbien, Ungarn und Mazedonien. Sie sind verschlossen, lehnen die deutsche Gesellschaftsordnung ab, integrieren sich nicht und provozieren auch bei nichtigen Anlässen. So fasst es das Lagebild des BKA zusammen. Die Clans zählen Hunderte, manchmal tausende Mitglieder. „Kriminelle Parallelgesellschaften darf es in unserem Lande nicht geben“, erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Ihre Taschen füllen die Kriminellen durch den Verkauf von Drogen, Wohnungseinbrüchen, Prostitution, aber auch Trickanrufen aus falschen Call-Centern und das Erschleichen von Sozialleistungen. Nachdem der Verfolgungsdruck jahrelang durch die verschiedenen Zuständigkeiten bei der Ermittlung zwischen den Bundesländern und dem Bund gering war, haben die Behörden mittlerweile eine Null-Toleranz-Strategie ausgerufen.  Die Länder haben eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, das BKA koordiniert die Ermittlungen und unterstützt bei der Entschlüsselung verschlüsselter Nachrichten und Telefonanrufe. „Es besteht kein Änderungsbedarf in der Sicherheitsarchitektur“, meinte Seehofer. Seit 2017 kann die Justiz illegal erworbenes Vermögen, wie Wohnungen und Bargeld, einziehen. Das Gesetz hat sich als wirkungsvoll herausgestellt.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin fordern die Clans die Staatsmacht heraus. In der Hauptstadt werden angehörige des Remmo-Clans verdächtigt, eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Bode Museum gestohlen zu haben. Die Familie Abou-Chaker überfiel vor einigen Jahren ein Pokerturnier in einem Berliner Luxushotel. An Rhein- und Ruhr werden dem Omeirat-Clan hunderte Gewaltdelikte angelastet. Geld verdiente die Familie auch mit dem Schleusen von Flüchtlingen aus den Krisenländern des Nahen Ostens. Eine Zusammenarbeit mit Terrorgruppen aus diesen Staaten haben die Behörden bisher nicht beobachtet. „Wir sehen keine strukturellen Zusammenhänge zwischen beiden Bereichen“, sagte Münch.

Aktuell läuft in Berlin der Prozess gegen die mutmaßlichen Münz-Diebe vom Bode-Museum. Und auch das Verfahren wegen eines filmreifen, letztlich aber gescheiterten Überfalls auf einen Geldtransporter hat begonnen. Angeklagt sind wiederum Männer aus dem Clan-Milieu.

Laut BKA-Chef Münch haben es seine Leute eben nicht mit tumben Schlägern zu tun. Die Überwachung der Kommunikation kostet viel Aufwand, weil die Clans Verschlüsselungen einsetzen. Wegen der engen Familienbande finden die Ermittler nur wenige Insider, die vor Gericht auspacken wollen. Zu groß wäre die Gefahr für ihr Leben, sollten sie den Clan verraten. „Sie müssen da deutlich mehr investieren“, sagte Münch. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G laufen die Ermittler Gefahr, taub und blind zu werden. Denn er erlaubt, dass zwei Mobiltelefonen nicht mehr über ein Netz, sondern auch untereinander kommunizieren. Außerdem gehen Experten davon aus, dass die Verschlüsselungstechnik noch viel anspruchsvoller wird. Mit schnellen Erfolgen im Rückdrängen der Clans rechnet die der Gewerkschaft der Polizei indes nicht. Ihr Vorsitzender Oliver Malchow beklagte politische Versäumnisse über viele Jahre. „Die Geschäftsmodelle der kriminellen Clans konnten sich über lange Zeit mehr oder weniger ungestört entwickeln. Schnelle und vor allem nachhaltige Erfolge sind kurzfristig nicht zu erwarten“, sagte Malchow.


 

 
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