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Strassburg
Wer von der Leyen am meisten lobt
Ursula von der Leyen kann am 1. Dezember als Kommissionspräsidentin antreten. Die Erwartungen an sie sind (unerfüllbar) hoch.
Die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen und ihr unterlegener Konkurrent Manfred Weber
Foto: Philipp von Ditfurth, dpa | Die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen und ihr unterlegener Konkurrent Manfred Weber
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 01.12.2019 02:10 Uhr

Die große Mehrheit für Ursula von der Leyen und ihr Team war erst wenige Minuten alt, da hagelte es schon Appelle, Aufrufe, Mahnungen und Wunschzettel. Der Bundesverband der Deutschen Industrie forderte „zügig“ eine EU-Industriestrategie. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks appellierte an das Führungsteam der EU, die bürokratischen Auflagen abzubauen. Die Maschinenbauer wollen künftig mit den USA und China „auf Augenhöhe verhandeln“ – und so weiter.

Die Erleichterung und das Aufatmen über das Ende des monatelangen Gezerres um Europas neue Spitzencrew waren ebenso mit Händen zu greifen wie die zurückgehaltenen Erwartungen. Aber am Mittag war dann alles klar: 461 der 707 anwesenden Abgeordneten aus 28 Mitgliedstaaten hatten den 15 Männern und zwölf Frauen ihr Vertrauen ausgesprochen. 157 Parlamentarier vor allem vom rechten und linken Flügel votierten mit „Nein“, 89 enthielten sich, darunter die europäischen Grünen.

„Ich bin glücklich über diese überwältigende Mehrheit“, kommentiere von der Leyen das Ergebnis. „Ein Vertrauensvorschuss, den die neue Kommission erst noch rechtfertigen muss“, blieb der CSU-Abgeordnete Markus Ferber nüchtern. Zufrieden notierte dagegen Jens Geier, Vorsitzender der deutschen SPD-Abgeordneten, dass von der Leyen mehr Stimmen als der nun scheidende Vorgänger Jean-Claude Juncker vor fünf Jahren für seine Mannschaft bekam – und das obwohl mehr Volksvertreter im Raum waren. Manfred Weber, der Chef der christdemokratischen Mehrheitsfraktion EVP, in der auch die deutschen CSU und CDU-Vertreter sitzen, sprach von einem „starken Ergebnis“.

Das klingt nicht gerade spektakulär, aber eigentlich durfte man in genau diesem Moment nicht vergessen, dass eigentlich Weber den Job an der Spitze der mächtigsten EU-Behörde bekommen sollte. Denn er war Spitzenkandidat der Christdemokraten bei der Europawahl. Vor allem die Staats- und Regierungschefs verhinderten ihn. Trotzdem war er es, der an diesem Mittwoch für von der Leyen warb: als erster Frau an der Spitze der Kommission, 52 Jahre nach Walter Hallstein die zweite Deutsche. Und die hatte eine Botschaft, bevor gewählt wurde: „Lasst uns an die Arbeit gehen“.

Es soll ein „Neustart für Europa“ werden, versprach die frühere Bundesverteidigungsministerin. Die „Welt braucht unsere Führung mehr denn je“. Rund um die Vorstellung ihrer Kommissare entfaltete die neue Kommissionschefin, die nun am 1. Dezember ihr Amt übernehmen kann, eine vieles versprechende und teilweise sehr emotionale Rede, in der kein Politikbereich fehlte. Deutlicher als je zuvor plädierte sie für einen Green Deal, der „unsere neue Wachstumsstrategie“ sein soll.

Für den Übergang zu einer klimaneutralen Gemeinschaft bis 2050 versprach sie Maßnahmen, die sozial ausgewogen sein müssten, weil er „sonst nicht gelingt“. Sie wurde sogar persönlich, als sie vom Krebstod ihrer damals elf-jährigen Schwester erzählt: „Ich erinnere mich an die Hilflosigkeit meiner Eltern…“ Nun mache sich die Gemeinschaft auf, um dem Krebs den Kampf anzusagen – auch das ist einer der Schwerpunkte dieser neuen Kommission. Nur was kann die neue Führung leisten?

Von der Leyen tritt mit einer Europäischen Kommission an, die sie nur teilweise selbst gestalten konnte. Denn von Anfang an war klar, dass sie der dänischen Liberalen Margrethe Vestager und dem niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans, die beide als Vertreter ihrer Parteienfamilien in die Europawahl gegangen waren, herausgehobene Positionen schaffen sollte. Zum Ausgleich musste noch ein Christdemokrat her: der Lette Valdis Dombrowskis.

Dieses Triumvirat arbeitet künftig als Executive Vizepräsidenten – über den eigentlichen Vizes, denen wiederum die Fachkommissare unterstellt sind. Diese Struktur war mehr ein Wunsch der Staats- und Regierungschefs als von der Leyens Idee. Beobachter fürchten, dass die Präsidentin nun im Kreis dieser europäischen Schwerwichte alle Hände voll zu tun haben werde, um zu verhindern, dass sie politische Reizthemen besetzen und gleichsam für ihre Parteienfamilie okkupieren. Belegt beispielsweise der Sozialdemokrat Timmermans den Klimaschutz, um damit seiner in Europa angeschlagenen Partei zu helfen? Obwohl Kommissare eigentlich ihre nationale Herkunft beim Amtsantritt gleichsam an der Garderobe abgeben sollen, um fortan als Mitglieder eines Kollegiums und europäisch zu handeln. Ob sie das wirklich durchhalten können?

In Straßburg war an diesem Mittwoch ganz viel von mutigen Anfängen, selbstbewussten Aufbrüchen und europäischem Spirit die Rede. Und mittendrin Ursula von der Leyen, auf der viele Hoffnungen ruhen – darunter auch einige unerfüllbare.

 
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