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WÜRZBURG
US-Diplomaten im Gespräch: Was uns verbindet
US-Diplomaten auf Abschiedsbesuch: Drei hochrangige Gesandte haben turnusgemäß nach drei Jahren ihre Posten in Berlin und München verlassen: der stellvertretende Botschafter, die Kulturattachée und die Generalkonsulin. Gespräche über transatlantische Befindlichkeiten – abseits der Tagespolitik.
Michelle und Kent Logsdon in der Würzburger Residenz
Foto: Thomas Obermeier | Michelle und Kent Logsdon in der Würzburger Residenz
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:53 Uhr

Michelle und Kent Logsdon waren zum Mozartfest noch einmal nach Würzburg gekommen. Vor dem Konzert war Zeit für ein Gespräch in der Redaktion über gemeinsame Werte und unterschiedliche Wahrnehmungen. Nach drei Jahren in Berlin kehren die beiden zurück nach Washington.

Frage: Herr Gesandter, wie würden Sie den gegenwärtigen Zustand der deutsch-amerikanischen Beziehungen beschreiben?

Kent Logsdon: Wir sind immer wieder überwältigt, wie vielen Menschen die transatlantischen Beziehungen am Herzen liegen. Die darauf brennen, mit uns in Kontakt zu kommen und mit uns zu diskutieren – über Gemeinsamkeiten, aber natürlich auch über aktuelle Aspekte. Wir halten das für eine sehr starke Beziehung, und wie Beziehungen zwischen Freunden nun mal sind, müssen wir nicht in allen Punkten einer Meinung sein. Aber wir können über alle Punkte reden.

Nun gibt es seit anderthalb Jahren einen neuen US-Präsidenten, und viele Deutsche finden, damit haben sich die Beziehungen verändert. Die „FAZ“ meldete „Außenminister Heiko Maas trifft in Washington auf eine harte Wand und großes Desinteresse“. Können Sie das erklären?

Kent Logsdon: Das kann ich tatsächlich. Der brandneue Botschafter und Heiko Maas, gerade zurück aus Washington, haben sich zusammengesetzt. Ich weiß nicht, wie die „FAZ“ zu ihrer Einschätzung kommt, aber der Außenminister war sehr zufrieden mit den Treffen in Washington. Er sprach sehr positiv über seine Begegnungen mit Außenminister Mike Pompeo und dem nationalen Sicherheitsberater John Bolton, und er hatte das Gefühl, gute persönliche Kontakte geknüpft zu haben. Also eine ganz andere Wahrnehmung als in der Zeitung.

Der neue Botschafter, Richard Grenell, hat seinen ersten Tag im Amt genutzt, um per Tweet deutsche Firmen aufzufordern, ihre Geschäfte mit dem Iran sofort einzustellen. Das ist hier nicht wirklich als diplomatischer Einstand wahrgenommen worden. Auch hier unterschiedliche Wahrnehmungen?

Kent Logsdon: Sie können sich sicher vorstellen, dass der Botschafter in seinen ersten Wochen sehr viel über dieses Thema gesprochen hat. Es war ihm sehr wichtig zu betonen, dass Tweets und Ansagen zu diesem Thema direkt von der Regierung in Washington kommen. Die Aufforderung, die Geschäfte mit dem Iran einzustellen, stammt aus einem Papier des Weißen Hauses im Zusammenhang mit der Entscheidung des Präsidenten, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen. Er legt großen Wert darauf, dass nicht nur die politischen Standpunkte sehr klar vertreten werden müssen, sondern auch, dass er die Vorgaben gut wiedergibt. Wir arbeiten hart daran, neue Wege und Märkte für deutsche Firmen zu finden, die im Iran aktiv sind. Denn wie immer bei Sanktionen kommt es darauf an, dass die Partner zusammenhalten. Aber wir wollen sicher nicht unsere Verbündeten verletzen.

Eine Zeitung hat geschrieben, dass es Ihre Aufgabe sei, in Washington zu erklären, wie Deutschland tickt. Also: Wie tickt Deutschland?

Kent Logsdon: Das ist eine wirklich schwierige Frage. Aber es stimmt: Einerseits ist es unsere Aufgabe, die Vereinigten Staaten zu repräsentieren, aber eben auch, dem Weißen Haus, dem Außenminister die bestmögliche Information darüber zu geben, was hier passiert. Vor allem aber, eine Einschätzung zu geben, welche Folgen amerikanische Entscheidungen haben könnten. Wie wird Deutschland reagieren? Wie können die Vereinigten Staaten entweder mit Deutschland zusammenarbeiten oder sich auf eine Reaktion vorbereiten? Oder: Wenn Deutschland Einwände hat, sollten wir wirklich diese Entscheidung treffen? Was das Ticken anbelangt: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir neben der Botschaft in Berlin fünf Konsulate in verschiedenen Teilen Deutschlands haben. Ich denke, deshalb haben wir einen besseren Einblick als manche Kollegen anderer Botschaften. Denn Sie, die Deutschen, ticken in allen Regionen unterschiedlich.

Michelle Logsdon: Eine wichtige Rolle spielen die einheimischen Angestellten. Sie stellen die Mehrheit in jeder unserer Vertretungen, und sie verkörpern die kontinuierliche Komponente, denn wir Diplomaten kommen und gehen. Sie geben uns die tieferen Einblicke, damit wir wirklich verstehen, was Sache ist.

Versuchen wir es anders, um auf das Ticken zurückzukommen – wo liegen denn die auffälligsten Unterschiede zwischen Deutschen und Amerikanern? Gibt es Dinge, die gar nicht gehen?

Kent Logsdon: Es gibt Unterschiede – kulturelle Unterschiede, die Art, wie wir Geschäfte machen, wie wir Probleme angehen. Amerikaner neigen dazu, jemanden, der sich anbietet, gleich mit ins Boot zu nehmen. Ein deutscher Diplomat würde vermutlich erst diskutieren wollen, ob die Person der richtige Partner ist. Manchmal ist es auch witzig zu sehen, wo Unterschiede sind. Viele, viele Deutsche betonen immer, dass die Amerikaner zwar immer offen und nett sind, aber nicht sehr zuverlässig beim Einhalten von Zusagen. Wir sagen zum Beispiel gerne, lass uns mal zusammen essen gehen. Manchmal klappt das auch, aber manchmal ist es einfach nur eine freundliche Floskel. Deutsche hingegen sitzen dann am Telefon und warten auf die Einladung zum Essen. Aber es gibt jede Menge Dinge, die uns verbinden, zum Beispiel unsere Werte. Ich glaube, wir betrachten die Probleme in der Welt aus derselben Perspektive.

Ein Unterschied zwischen Deutschland und den USA besteht im Bereich Kultur. Genauer: in der Finanzierung von Kultur. Hier Subventionen, dort Sponsoren. Sie als Kulturattachée kennen beide Systeme – welches halten Sie für das bessere?

Michelle Logsdon: Ich halte jedes System für das bessere, das so viel Geld wie möglich für Kultur ausgibt, egal, ob privat oder öffentlich. Wir haben dort ein außerordentlich lebendiges Kulturleben, seien es Museen, Kunstprogramme für Kinder, Tanz, Theater. Es passiert nur auf andere Weise. In den Staaten spielen immer individuelle Ansätze eine große Rolle, das hat mit unserer Geschichte zu tun. Die Leute wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen, und sie mögen es, wenn sie etwas hinkriegen. Wir haben nichts dagegen, wenn uns jemand Geld gibt, aber vorher ziehen wir los und erledigen das selbst.

Kent Logsdon: Der erste Ort, den ich in Deutschland kennengelernt habe, war Würzburg. Als 16-jähriger Austauschschüler auf dem Weg nach Buxtehude. Auch bei späteren Aufenthalten habe ich festgestellt, dass es damals sehr wenig Sponsoring für Kultur gab. Inzwischen ist das System weitaus gemischter. Es gibt immer mehr privates Geld, das in Kultur fließt – es scheint, als näherten wir uns da an.

Das Deckenfresko in der Würzburger Residenz ist ein Stück deutsch-amerikanischer Geschichte – 1945 schaffte es der US-Kunstschutzoffizier John Davis Skilton, Material herbeizuschaffen, um ein Notdach über dem gefährdeten Kunstwerk zu errichten. Er gilt heute als Retter der Residenz.

Kent Logsdon: Welches Glück, dass damals jemand, der die Kompetenz und die Hingabe für Kunst und Kultur hatte, bei der US Army gelandet ist und dann auch noch weitgehend im Alleingang die Leute fand, die ihm helfen konnten. Wir waren sehr beeindruckt. Und es macht mich sehr stolz zu sehen, dass die Menschen, nur ein paar Monate nach so einem furchtbaren Krieg, zusammengearbeitet haben, um diese bedeutende Kulturstätte für uns alle zu retten.

Kent Logsdon war seit 2015 Gesandter der Botschaft der Vereinigten Staaten und damit stellvertretender Botschafter. Stationen davor waren Washington, Tiflis (Georgien), Kiew (Ukraine), Bangkok (Thailand), Almaty (Kasachstan), Islamabad (Pakistan) und Stuttgart. Kent Logsdon ist verheiratet mit Michelle Logsdon.

Michelle Logsdon war seit 2015 Kulturattachée der US-Botschaft in Berlin. Stationen davor waren Ost-Berlin, Stuttgart Tiflis, Kiew oder Karachi.

 
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