Die rechtsextreme NPD wird nicht verboten. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Es wies mit dem Urteil vom Dienstag den Verbotsantrag des Bundesrates ab.
Wegen der hohen Risiken war das neue Verfahren gegen die NPD von Anfang an umstritten. Jetzt ist passiert, was viele befürchtet haben: Für ein Verbot haben die Länder in Karlsruhe nicht genug in der Hand. Die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. «Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt.» (Az. 2 BvB 1/13)
Hürden für ein Parteiverbot sind hoch
Kritiker eines neuen Verbotsversuchs hatten von Anfang an vor den großen Risiken gewarnt. Denn die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind hoch, und die NPD hatte zuletzt an politischer Bedeutung eingebüßt. Im September 2016 mussten die Rechtsextremen bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ihre bundesweit letzten Landtags-Mandate abgeben. Seither ist die NPD nur noch auf kommunaler Ebene und mit einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten.
Zweiter gescheiterter Versuch
Es ist bereits das zweite Mal, dass der Versuch, in Karlsruhe gegen die NPD vorzugehen, mit einem Misserfolg endet. Ein erstes Verfahren war 2003 geplatzt, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit Informanten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Bundesregierung und Bundestag, die das Verbot damals mit beantragt hatten, schlossen sich deshalb diesmal dem Bundesrat nicht an.
Einzig das Bundesverfassungsgericht ist befugt, ein Parteiverbot auszusprechen. Passiert ist das überhaupt erst zweimal, und das ist mehr als 60 Jahre her. 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten, 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
Die 1964 gegründete NPD hat bundesweit etwa 5200 Mitglieder. Ihre Hochburgen liegen in Ostdeutschland und dort insbesondere in Sachsen.
Die ersten Reaktionen auf Twitter:
#npd-TweetsDiese Historie ging dem Verbotsverfahren voraus:
März 2003: Die Karlsruher Richter stellen das erste Verbotsverfahren gegen die NPD ein. Grund sind zahlreiche Verbindungsleute (V-Männer) des Verfassungsschutzes in NPD-Führungsgremien. Das Verbot hatten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat Anfang 2001 unter dem Eindruck zunehmender Gewalt rechtsextremer Täter beantragt.
August 2007: Eine Hetzjagd von Jugendlichen auf acht Inder in der sächsischen Stadt Mügeln belebt die Debatte um ein NPD-Verbot neu. Der Vorstoß des damaligen SPD-Chefs Kurt Beck, ein neues Verfahren prüfen zu lassen, stößt in anderen Parteien aber auf Skepsis.
April 2008: Die SPD-Innenminister kommen zu dem Schluss, vor einem NPD-Verbot müssten zunächst nachrichtendienstliche Zugänge «abgeschaltet» und dann erneut Erkenntnisse über die Partei gesammelt werden. Die Union lehnt einen neuen Anlauf weiter ab.
März 2012: Die Innenminister der Länder beschließen, wieder systematisch Beweise gegen die rechtsextreme Partei zu sammeln und auf V-Leute in der NPD-Führung zu verzichten.
November 2012: Die NPD will beim Verfassungsgericht ihre Verfassungstreue prüfen lassen. Ihre Argumentation: Die Partei werde durch die Behauptung, sie sei verfassungswidrig, in ihren Rechten verletzt. Die Richter weisen den Vorstoß im März 2013 ab.
Dezember 2012: Der Bundesrat beschließt, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten. Nur Hessen enthält sich.
März 2013: Die schwarz-gelbe Bundesregierung verzichtet darauf, sich dem Antrag der Länder anzuschließen. Im April stimmt auch der Bundestag gegen einen eigenen Verbotsantrag.
November 2013: Die Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz hat die Beweismittel zusammengetragen und den Verbotsantrag fertiggestellt, wie Baden-Württembergs Innenministerium mitteilt.
Dezember 2013: Der Bundesrat reicht den Verbotsantrag ein.
Mai 2015: Die Länder legen vom Verfassungsgericht angeforderte neue Beweise zur Abschaltung von Geheimdienstinformanten vor.
August 2015: Der Bundesrat reicht weitere Beweisunterlagen ein, die unter anderem belegen sollen, dass die NPD seit 2013 besonders aggressiv gegen Asylbewerber vorgehe.
März 2016: Drei Tage lang kommen bei der Verhandlung in Karlsruhe Prozessbevollmächtigte von Bundesrat und NPD sowie Experten und Politiker zu Wort. Es zeichnet sich ab, dass ein Verbot diesmal nicht an V-Leuten scheitern wird. Die Richter scheinen der Frage des politischen Einflusses der NPD einen hohen Stellenwert beizumessen.
Oktober 2016: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg lehnt eine Beschwerde der NPD ab, in Deutschland als verfassungswidrig stigmatisiert zu werden.
November 2016: Das Bundesverfassungsgericht teilt mit, dass es am 17. Januar sein Urteil verkünden will.
Dezember 2016: Die «Bild»-Zeitung berichtet, in einer internen Einschätzung gehe die Bundesregierung davon aus, dass Karlsruhe dem NPD-Verbotsantrag nicht stattgeben werde.