In den Augen zahlreicher Menschen ist die katholische Kirche eine nicht besonders ernst zu nehmende, wenn nicht gar überflüssige Institution. Die Kirchenmänner, allen voran Papst Franziskus, spüren das. Die Kirche hat immer weniger Mittel, um Gehör bei den Menschen zu finden, ihre Botschaften werden insbesondere im Westen überhört. Eine mögliche Reaktion auf dieses Phänomen wäre, sich weiter zurück zu ziehen, den Kopf über die ebenso mondäne wie orientierungslose Lebenslust zu schütteln und in den alten Mustern gefangen zu bleiben. Hier die Sünder, dort die Gerechten. Erfolgversprechend ist das nicht. Die Kirche würde sich weiter vom Leben entfernen und noch weniger gehört werden.
Die Amazonien-Synode in den vergangenen drei Wochen im Vatikan war deshalb ein wegweisendes Ereignis. Hier machten der Papst und knapp 200 Bischöfe vor allem aus Lateinamerika im Zentrum der Weltkirche den Versuch, der Bedeutungslosigkeit zu entkommen und wieder einen glühenden Draht zur Gegenwart zu bekommen. Der Versuch ist gelungen. Das Thema Amazonien wirkte auf den ersten Blick abwegig. Warum sollte sich eine weltweite Glaubensgemeinschaft mit 1,3 Milliarden Angehörigen mit einer abgelegenen Region beschäftigen, die scheinbar wenig mit dem Alltag hierzulande zu tun hat? Ein Trick des Papstes, um den Zölibat zu untergraben und Frauen in kirchliche Ämter zu hieven? Das auch. Die Amazonien-Synode dürfte den Anfang vom Ende des Pflichtzölibats in der katholischen Kirche einläuten und Frauen auf lange Sicht zu mehr Einfluss in der Kirche verhelfen.
Die Kirche ist am Leben interessiert
Dabei handelt es sich um kirchliche Interna. Ob Priester verheiratet sein dürfen oder nicht, ob Frauen die Messe lesen dürfen oder nicht, kümmert zwar das Fachpublikum. Den Rest der Welt berührt das wenig. Die Amazonien-Synode, bei der Kirchenleute und Experten zwar kirchliche Fragen behandelten, aber sich auch ganz grundsätzlich mit dem katastrophalen Zustand des für das globale Öko-System essentiellen Amazonas-Beckens beschäftigten, hat einen jetzt schon spürbaren Effekt: Die katholische Kirche ist am Leben interessiert und das nicht nur, wenn es um besonders intime Angelegenheiten wie Abtreibung oder Sterbehilfe geht.
Die Amazonien-Synode hat auch ein Scheinwerfer-Licht auf viele in der Kirche aktive Menschen geworfen. Der Kirche wird hierzulande oft Unverständnis entgegen gebracht, weil Generationen von Klerikern scheinbar auch den Kredit ihrer heute aktiven Nachfolger verspielt haben. Im besten Fall handelte es sich um Einmischungen in das Privateste, im Schlimmsten Fall um Gewalt. In Rom wurde sichtbar, wie sich Priester, Ordensleute und Laien tatkräftig an die Seite der Verfolgten und Ausgebeuteten stellen. Dieser Aspekt wird bei aller berechtigten Kirchenkritik gerne vergessen. Auch die katholische Kirche tut Gutes, oft gerade dann, wenn die Öffentlichkeit nicht hinsieht.
Der Papst holt die Kirche von ihrem hohen Ross
Das Bischofstreffen, das am Sonntag mit einer Messe im Petersdom endet, war eine Zusammenkunft, bei der es um die gegenwärtige Identität der Kirche geht. Wenn die Kirche sich selbst vor allem als über allen Dingen erhabenen, moralischen Leuchtturm im Orkan der Relativität versteht, wird sie immer weniger verstanden. Sie marginalisiert sich selbst. Papst Franziskus mit allen seinen Schwächen hat das erkannt. Er holt die Amtskirche langsam von ihrem hohen Ross herunter und versucht sie auf Augenhöhe der Menschen zu positionieren. In Amazonien kämpfen Priester und katholische Laien nicht nur gegen Ausbeutung und für den Erhalt der Umwelt, sie setzen sich letztendlich für die Lebensgrundlage aller Menschen auf diesem Planeten ein. „Eine neue Partnerschaft mit der Erde“, forderte ein Bischof auf der Konferenz. Das ist die Herausforderung der Zukunft für die Kirche. In Rom wurde gerade ein Anfang gemacht.