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AUGSBURG
Umweltaktivistin Luisa Neubauer: „Unser Protest wird schneller, stärker, lauter“
Das Gespräch führte Sandra Liermann
 |  aktualisiert: 14.01.2020 02:10 Uhr

Luisa Neubauer zählt neben Greta Thunberg zu den Hauptorganisatorinnen von Fridays for Future. Die 23-jährige Hamburgerin studiert Geografie und engagiert sich seit langem für die Umwelt. Im Interview spricht die 23-Jährige über ihre Motive und wie die Klimaschutz-Bewegung noch erfolgreicher werden will.

Frage: Frau Neubauer, im vergangenen Jahr haben die Airlines weltweit einen neuen Umsatzrekord erzielt, so viele neue SUVs wie nie zuvor rollen über Deutschlands Straßen, die Treibhausgasemissionen im Verkehr steigen, Massentierhaltung wird weiterhin subventioniert. Wie frustriert sind Sie?

Luisa Neubauer: Nicht frustrierter als Anfang 2019. Wir hatten 2019 zwar noch ein Jahr mehr Zeit, aber es gab keine aufgeweckte Gesellschaft, die sich in aller Ernsthaftigkeit dem Thema gestellt hat. Es gab eine winzig kleine Fridays-for-Future-Bewegung, die noch nicht wusste, dass es sie einmal so geben wird, wie es sie heute gibt. Das macht machtlos und frustriert in einer sehr viel undankbareren Weise, als es heute der Fall ist. Heute haben sich die Umstände zwar in einigen Kontexten verschlechtert, gleichzeitig haben wir ein Jahr lang vieles von dem, was lange für unmöglich gehalten wurde, möglich gemacht.

Während in Australien Buschbrände toben, plant die Regierung dort eine der größten Kohleminen weltweit. Siemens will sich an der Technik beteiligen. Sie fordern Konzernchef Joe Kaeser auf, den Auftrag abzulehnen.

Neubauer: Was in Australien passiert, ist mehr als absurd. Das Land erlebt Feuer, die so noch nie gesehen wurden. Es ist wichtig klarzustellen, dass nicht die Klimakrise Feuer legt. Wissenschaftlich ist aber eindeutig belegt, dass der Klimawandel die Bedingungen schafft, die Australien zu einem riesengroßen Scheiterhaufen werden lassen können. Trotzdem lenkt die partiell Klimakrisen-skeptische Regierung nicht ein und plant nach wie vor das Kohlekraftwerksprojekt der Firma Adani. Dass Siemens als Konzern, der öffentlich immer wieder bekundet, Klimaneutralität bis 2030 anzustreben und seiner Verantwortung in Zeiten der Klimakrise gerecht werden zu wollen, jetzt durch einen Auftrag ein Projekt stützt, das bis 2080 Kohle fördern wird, widerspricht dem in so vielen Dimensionen. Als Konzern, der verstanden hat – oder vorgibt, zu verstehen, was die menschengemachte Klimakrise bedeutet – ist es nicht zu rechtfertigen, an einem Projekt wie der Adani-Mine festzuhalten.

Haben Sie von Kaeser persönlich Rückmeldung bekommen?

Neubauer: Ja, er hat sich bei mir gemeldet, wir sind zu einem persönlichen Gespräch an diesem Freitag verabredet.

Zugleich eine positive Nachricht: Deutschlands CO2-Emissionen sind überraschend stark gesunken – um etwa 35 Prozent im Vergleich zu 1990. Gibt es also doch Grund zur Hoffnung?

Neubauer: Wo unsere Hoffnung liegt, ist eine andere Frage. Die sehe ich nicht in der Art, wie die Bundesregierung gerade Politik macht und auch nicht so sehr in der Art, wie Deutschland gerade die eigenen Emissionen senkt, dafür sind die Veränderungen hier zu marginal. Was wir sehen ist, dass es möglich ist, Emissionen rascher zu senken als prognostiziert. Aber wissen Sie, die deutschen Klimaziele sind so weit davon entfernt, mit dem Paris-Abkommen kompatibel zu sein. Wenn alle Länder sich verhalten wie Deutschland, dann: Gute Nacht!

Im Buch „Vom Ende der Klimakrise“, zitieren Sie Klimaforscher Johan Rockström: „Wenn Deutschland es schaffen kann, dann auch andere. Scheitert Deutschland, stehen die Chancen für alle schlecht.“

Neubauer: Die Rolle von Deutschland international ist als eine der größten Wirtschaftsmächte bekanntermaßen keine kleine. Es gibt wenige Länder, die beweisen können, dass nachhaltiger, gerechter und wohlstandskompatibler Klimaschutz möglich ist. Eines der Länder, das die Ressourcen und Kapazitäten hat, das die Klimakrise anerkennt und sich den Verantwortlichkeiten stellt, kann Deutschland sein. Wenn es das nicht tut, liefert es der Welt eine Ausrede, nicht zu handeln. Das ist eine geopolitische Verantwortung, die gerade massivst auf Deutschlands Schultern liegt.

Die Fridays-for-Future-Bewegung ist in Deutschland seit etwa einem Jahr aktiv. Auf Instagram schreiben Sie, dass man entschlossen sei, das Jahr 2020 zu einem Wendepunkt zu machen.

Neubauer: Ich glaube, viele Menschen erwarten, dass wir müde sind und vielleicht auch resignieren, weil wir so wahnsinnig viel gemacht haben im letzten Jahr und trotzdem so weit hinterherhinken. Aber wir haben ein Jahr lang festgestellt, wie man sich organisiert. Wir haben uns ein Jahr lang darauf vorbereitet und trainieren können, politischen Wandel zu bewirken und das in diesem Jahr besser, schneller, stärker, lauter, vehementer zu machen.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Klimaschutz immer radikal sein muss. Im Verständnis vieler Menschen geht Radikalität einher mit Gewalt.

Neubauer: Ich teile diese Interpretation des Wortes auf keine Weise. Fridays-for-Future ist eine strikt gewaltfreie, pazifistische Bewegung.

Wird es weiterhin Klimastreiks an Freitagen geben?

Neubauer: Freitagsstreiks werden wir weiter betreiben. Gleichzeitig fordern wir von uns selbst das ein, was die Bundesregierung nicht macht: eine ehrliche Reflektion der eigenen Arbeit und der Ergebnisse.

 
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