Es begann – unmittelbar nach seiner Lieblingssendung „Fox and Friends“ – mit einer mutmaßlich spontanen Twittertirade am Sonntagmorgen, die selbst einigen Beratern im Weißen Haus zunächst peinlich zu sein schien. Doch Donald Trump legt jeden Tag nach. Am Ende dieser Woche scheint der US-Präsident die Blaupause für einen extrem polarisierenden Wahlkampf mit rassistischer und nationalistischer Einfärbung gefunden zu haben, und seine Anhänger feiern ihn dafür.
Die Demokraten hingegen befinden sich in der Defensive und sind wegen der möglichen Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gespalten.
„Ich gewinne den politischen Kampf. Und ich werde ihn mit großem Abstand gewinnen“, verkündete der Präsident am Mittwochnachmittag vor seinem Abflug zu einer Kundgebung in North Carolina. In einer ausverkauften Sportarena lieferte er wenige Stunden später einen beklemmenden Vorgeschmack auf seine Wiederwahlkampagne. Erneut griff er vier nicht-weiße, progressive Kongressabgeordnete an: „Diese linken Ideologen sehen unsere Nation als eine Kraft des Bösen“, heizte er seine Anhänger ein: „Sie wollen unsere Verfassung zerstören und die Werte, die dieses wunderbare Land aufgebaut hat, beseitigen.“ Als er die aus Somalia stammende und vor 20 Jahren in den USA eingebürgerte Parlamentarierin Ilhan Omar persönlich scharf attackierte, grölten Tausende Kehlen: „Schickt sie zurück! Schickt sie zurück!“
Aufgepeitschte Stimmung
Trump bemühte sich in keiner Weise, die aufgepeitschte Stimmung zu dämpfen. Im Gegenteil genoss er erkennbar die Sprechchöre und nickte. Am Sonntag hatte er getwittert, die farbigen Politikerinnen sollten zurück in ihre „total kaputten und von Gewalt infizierten“ Länder gehen, aus denen sie kommen. Drei der vier Abgeordneten wurden in den USA geboren. „Manche hassen unser Land“, rief er bei der Kundgebung aus: „Wenn sie es nicht mögen, sollen sie gehen!“
Die Bilder lösten Erschrecken in liberalen Kreisen des Landes aus. „Das war eine der schaurigsten und beunruhigendsten Dinge, die ich in meinem politischen Leben gesehen habe“, erklärte Jon Favreau, der ehemalige Redenschreiber von Präsident Barack Obama. Viele Publizisten, Künstler und Politiker äußerten sich bei Twitter ähnlich.
Auch das American Jewish Committee (AJC) verurteilte den Vorgang scharf: „Dieser entsetzliche Sprechchor macht Amerika nicht groß. Er erinnert uns vielmehr auf unheimliche Weise an eine dunkle Zeit in der Geschichte unserer Nation.“
Donald Trump aber wirkte hochzufrieden. „Was für eine Menge. Was für großartige Leute!“, twitterte er: „Der Enthusiasmus wird unsere Rivalen von der radikalen Linken wegfegen.“ Es klang, als könnte „Schickt sie zurück!“ nach dem auf Hillary Clinton gemünzten „Sperrt sie ein!“ von 2016 zum Schlachtruf eines neuen, noch hemmungsloseren Kulturkampfes werden.
Tatsächlich hat der Präsident wichtige taktische Erfolge erzielt: Nicht nur mobilisieren die Attacken gegen Minderheiten offenkundig die eigene, rechte Basis. Vor allem zwingen sie die mehrheitlich keineswegs linksradikale Demokraten-Fraktion zur Solidarisierung mit den vier Newcomerinnen. So kann der Präsident die gesamte Partei für deren Positionen in Haftung nehmen und als Gefahr für das Wirtschaftswachstum des Landes brandmarken.
Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, hat zuletzt die teils extremen Forderungen von Alexandria Ocasio-Cortez, Ayanna Pressley, Rashida Tlaib und Ilhan Omar immer wieder relativiert und ausgebremst. Doch über politische Inhalte wird derzeit kaum noch geredet.
Furcht vor einem Eigentor
In welche Schwierigkeiten das die Partei bringt, zeigt sich auch bei dem umstrittenen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Pelosi fürchtet ein Eigentor und lehnt schnelle Reaktionen ab.
Trotzdem brachte ein Abgeordneter am Mittwoch eine Resolution mit der Impeachment-Forderung ins Repräsentantenhaus ein. 95 Demokraten stimmten dafür, 135 dagegen. Trump amüsierte sich bestens: „Das ist das lächerlichste Projekt, mit dem ich je zu tun hatte.“