Es ist wie so oft bei Donald Trumps Auftritten vor laufenden Kameras, die der US-Präsident so genießt, dass er seinen sprunghaften Redefluss kaum zügeln kann: Nachher ist man nicht schlauer als vorher. Einerseits droht Trump: „Das war ein sehr großer Angriff. Er könnte von unserem Land sehr leicht mit einem viel, viel größeren Angriff erwidert werden“. Andererseits sagt er, dass er keinen Krieg mit dem Iran anstrebe: „Wir wollen das natürlich vermeiden.“
Wie das zusammenpasst, weiß derzeit wahrscheinlich nicht einmal Trump selber. Die verheerende Drohnen- und Raketenattacke auf die größte Raffinerie Saudi-Arabiens legt die ganze planlose Widersprüchlichkeit seiner Iran-Politik offen. „Der Iran hat einen beispiellosen Angriff auf die globale Energieversorgung verübt“, hatte US-Außenminister Mike Pompeo am Wochenende bereits das Mullah-Regime verantwortlich gemacht, obwohl die jemenitischen Huthi-Rebellen die Tat für sich reklamieren. Trump twitterte martialisch, die USA stünden „Gewehr bei Fuß“. Offen forderte sein Golf-Partner, der republikanische Senator Lindsey Graham, die Bombardierung der iranischen Ölraffinerien: Das würde Teheran „das Rückgrat brechen“.
Wahnwitzige Zickzackfahrt
Am Montag erklärt Trump, er habe es mit einer Reaktion auf den Anschlag nicht eilig. Erst einmal solle Pompeo nach Saudi-Arabien fahren und sich dort über den Hergang des Anschlags informieren. Überraschungen sind kaum zu erwarten: Riad macht den Iran, von dem die Drohnen stammen sollen, für das Zerstörungswerk verantwortlich. Stichhaltige Belege wurden bislang aber nicht vorgelegt. Trump beteuert, er wolle dem Königreich helfen, erklärt aber zugleich: „Das war ein Angriff auf Saudi-Arabien, das war kein Angriff auf die USA“.
Die Reaktion erinnert an die wahnwitzige Zickzackfahrt nach dem Abschuss einer amerikanischen Aufklärungsdrohne im Juni, als Trump einen Vergeltungsanschlag anordnete und buchstäblich in letzter Minute wieder absagte. Mit der Kündigung des Atom-Abkommens und der Politik des „maximalen Drucks“ auf Teheran hat Trump eine fatale Entwicklung angestoßen, die er offenkundig nicht mehr im Griff hat: Der Ausstieg aus dem Abkommen hat die USA von den Verbündeten entfremdet.
Die schmerzhaften Wirtschaftssanktionen reizen den Iran zu immer verwegeneren Reaktionen. Zugleich hat Trump seinen zweifelhaften Freunden im saudischen Königshaus im Jemen-Krieg freie Hand gegeben. Ein Tweet vom Sonntag erweckte gar den Eindruck, dass er Riad die Entscheidung über Krieg und Frieden am Golf überlassen möchte: „Wir warten darauf, vom Königreich zu hören, wen sie für den Urheber der Attacke halten und unter welchen Bedingungen wir fortfahren.“
So eskalieren die Spannungen immer weiter. Vor einem Militärschlag schreckt der US-Präsident aber aus mehreren Gründen zurück: So gibt es bislang nicht einmal den Ansatz einer internationalen Koalition, und angesichts seines notorisch schwierigen Verhältnisses zur Wahrheit dürfte es Trump auch schwerfallen, andere Länder von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen.
Auch innenpolitisch wäre ein Militärschlag für den Präsidenten heikel: Eine durch die dauerhafte Störung der Öl-Versorgung ausgelöste Rezession könnte ihm ebenso wie der Bruch des Wahlversprechens, die US-Truppen heimzuholen, bei seinen Anhängern im Wahljahr schaden.
Debatte um Rüstungsexporte
Ohnehin ist umstritten, ob Trump in eigener Regie einen Angriff lostreten darf. „Herr Trump, die Verfassung der Vereinigten Staaten ist absolut klar. Nur der Kongress – nicht der Präsident – kann einen Krieg erklären“, twitterte der demokratische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders. Die Demokraten wollen ihre Zustimmung nicht geben. Ohne erkennbare Strategie wirkt der US-Präsident hin- und hergerissen. Nahost-Experte Ilan Goldenberg warnt: „All sein Schnauben und Keuchen kann am Ende dazu führen, dass er keine andere Wahl hat, als einen Krieg anzuzetteln, um Abschreckung und Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.“ Das Fazit des Wissenschaftlers: „Es ist ein Desaster.
Saudi-Arabien kündigte an, die Vereinten Nationen und internationale Experten einladen zu wollen, sich an den Ermittlungen zu beteiligen. Das Außenministerium in Riad erklärte bei den Bombardierungen am Samstag seien iranische Waffen benutzt worden. Ziel der Angriffe sei in erster Linie die internationale Energieversorgung gewesen. Der saudische Ölkonzern Aramco habe rund die Hälfte der Produktion stoppen müssen. Seit den Angriffen am Samstag ist der Ölmarkt im Ausnahmezustand.
In Deutschland fachten die Angriffe die Debatte über eine Wiederaufnahme von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien an. Kanzlerin Angela Merkel sieht derzeit keine Grundlage für eine Aufhebung des Rüstungsexportstopps gegen Saudi-Arabien. SPD und Union hatten sich im März 2017 in ihrem Koalitionsvertrag auf einen Rüstungsexportstopp für die „unmittelbar“ am Jemen-Krieg beteiligten Länder verständigt, aber mehrere Hintertüren offengelassen. Ein kompletter Exportstopp gegen Saudi-Arabien wurde nach der Tötung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul verhängt und im März dieses Jahres um sechs Monate verlängert. Zum 30. September steht die Entscheidung über eine weitere Verlängerung an. Mit Infos der dpa