Mit einem triumphalen Auftritt im New Yorker Trump Tower hat er vor gut drei Jahren seine kometenhafte Karriere als Politiker begonnen. In dem mit Marmor und Gold überladenen Atrium verkündete Donald Trump seine Kandidatur für das Weiße Haus. Eine Laune der Geschichte will es, dass der US-Präsident in dem Wolkenkratzer am Dienstag auch seine bislang größte Demütigung verarbeiten muss. Gerade erst hat er vor der UN geredet und Hof für die Führer der Welt gehalten, da tritt im 365 Kilometer entfernten Washington eine Demokratin vor die Kameras und verkündet den Auftakt zum möglicherweise vierten Amtsenthebungsverfahren der USA.
Trumps erste Reaktion klingt wie der Protest eines beleidigten Kindes. „So ein wichtiger Tag bei den Vereinten Nationen, so viel Arbeit und so viel Erfolg – und die Demokraten machen es absichtlich kaputt“, twittert er. Während unten an der 5th Avenue unzählige Polizisten und schwere Trucks mit Geröll den Eingang des Hochhauses sichern und neugierige Touristen auf Abstand halten, brennt im 58. Stock Licht. Große Teile des Abends scheint Trump in seinem Penthouse vor dem Fernsehen die Berichterstattung zu verfolgen. Immer wieder twittert er Videoschnipsel mit Moderatoren, die ihm Recht geben.
Das Ego des Narzissten ist schwer angeschlagen. Für seine Präsidentschaft gilt das nicht unbedingt. Denn von der Einleitung einer formellen Untersuchung, wie sie Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi verkündet, und der Absetzung eines Regierungschefs ist es ein sehr weiter Weg. Nicht nur vergehen bis zur entscheidenden Abstimmung im Senat wohl Wochen oder Monate. Vor allem wird diese Kongress-Kammer von den Republikanern beherrscht.
Es ist also viel politische Symbolik im Spiel, als Pelosi vor den Kameras verkündet: „Präsident Trump hat die Verfassung gebrochen. Er hat einen Betrug an seinem Amtseid begangen, an der nationalen Sicherheit und an der Unverletzlichkeit der Wahlen.“ Selbst Gründervater Benjamin Franklin wird von Pelosi bemüht. Der hatte 1787 dem Volk eine Republik versprochen habe, „wenn ihr sie bewahren könnt“. Dieser Moment ist für die Ober-Demokratin nun gekommen. Mit der Aufforderung an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, politisch nützliches Material zu beschaffen, habe Trump „den Rubikon überschritten“, sagt sie: „Der Präsident muss zur Verantwortung gezogen werden.“
Das hätte man freilich auch schon während der Mueller-Ermittlungen sagen können. Damals lehnte Pelosi aus Angst vor einem Eigentor ein Impeachment ab. Was sich seither geändert hat? Der Druck auch von moderaten Abgeordneten ist gewaltig gestiegen. Und Pelosi glaubt, nun einen greifbareren Beleg für Trumps Gesetzeslosigkeit zu haben. Der konkrete Anlass liegt genau zwei Monate zurück: Am 25. Juli telefonierte Trump mit Selenskyj und drängte ihn massiv, eine Untersuchung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und seines Sohnes Hunter einzuleiten, der im Verwaltungsrat eines ukrainischen Gaskonzerns sitzt. Das bestreitet Trump gar nicht. Eine Woche zuvor jedoch hatte er überraschend 400 Millionen Dollar zugesagte Hilfsgelder eingefroren. Für die Demokraten ist klar: Er hat das Geld als Hebel genutzt, um eine Schmutzkampagne gegen seinen möglichen Herausforderer zu erzwingen. Das wäre ein klarer Fall von Amtsmissbrauch und Korruption.
Trump bestreitet den Zusammenhang. Selenskyj befindet sich in einer fatalen Zwickmühle, da er bei einer belastenden Aussage die Unterstützung des wichtigsten Verbündeten gegen Russland verlöre. Allerdings hat auch ein Geheimdienstmitarbeiter im Weißen Haus am 12. August eine Beschwerde eingelegt, weil der Präsident krumme Geschäfte mit Regierungschefs mache. Es könnte also neben der Ukraine-Affäre noch weitere Fälle geben. Trotz klarer rechtlicher Regeln weigert sich das Weiße Haus bislang, die Eingabe an den Geheimdienstausschuss des Kongresses weiterzuleiten.
Eine bearbeitete Abschrift des Telefonats mit Selenskyi wollte Trump immerhin am Mittwoch veröffentlichen. Doch Beobachter mutmaßen, das einzelne Transkript könne nicht reichen, um unterschwellige Drohungen und Einschüchterungen zu verstehen. Deshalb bestehen die Demokraten auf der Vorlage der Beschwerde. Sie erwägen sogar, den von Trump heftig diffamierten Informanten im Kongress anzuhören. Der Showdown ist eröffnet. Trump behauptete am Mittwoch, sein Telefonat sei „perfekt“ gewesen. Die Impeachment-Untersuchung nannte er eine „Hexenjagd“. Kein Präsident in der Geschichte sei „so schlecht behandelt worden wie ich“.