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BARCELONA/BRÜSSEL
Tag des Zorns in Katalonien
BELGIUM-EU-SPAIN-CATALAN-JUSTICE-POLITICS       -  Der katalanische Exilpolitiker Carles Puigdemont bei einer Kundgebung in Brüssel.
Foto: Jasper Jacobs, afp | Der katalanische Exilpolitiker Carles Puigdemont bei einer Kundgebung in Brüssel.
Ralph Schulze
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:42 Uhr

„Wir werden aus Barcelona ein zweites Hongkong machen“, schrieben sie in den Sozialen Netzwerken. Die Besetzung des Flughafens der katalanischen Regionalhauptstadt sollte erst der Anfang einer Protestwelle sein, um medienwirksam gegen die Verurteilung von zwölf katalanischen Separatistenführern zu demonstrieren.

Tausende Unabhängigkeitsbefürworter machten am Montagabend ernst und blockierten stundenlang die Airport-Zufahrten und Terminalzugänge. 110 Flüge mussten abgesagt werden, Zehntausende Passagiere strandeten auf dem Airport, den sie wegen der Blockade nicht verlassen konnten.

Nachdem die Polizei die Demonstranten vergeblich aufgefordert hatte, den Flughafen wieder freizugeben und dann mit der Räumung begann, mündete der Protest in Gewalt. Flaschen, Feuerlöscher und Absperrgitter flogen auf die Beamten. Diese setzten Schlagstöcke ein. Die Bilanz der nächtlichen Schlacht am Flughafen: mehr als 100 Verletzte auf beiden Seiten. Ein Demonstrant wurde an einem Auge so schwer verletzt, dass er vermutlich die Sehkraft verlieren wird. Möglicherweise wurde er, so die Ärzte, von einem Gummigeschoss getroffen.

Es war der Tag des Zorns, zu dem die Plattform „Tsunami Democratic“ aufgerufen hatte – die neue militante Speerspitze der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Die Aktivisten drohten, die spanische Region Katalonien nach den „ungerechten Urteilen“ gegen die Separatistenführer lahmzulegen. Zum Beispiel mit Blockadeaktionen in Barcelona und auch in anderen katalanischen Städten. Am Dienstag gingen die Proteste weiter. Der Flughafen Barcelonas und auch die Bahnhöfe wurden deswegen von starken Polizeieinheiten geschützt. Spaniens Oberster Gerichtshof hatte am Montag zwölf katalanische Politiker und führende Aktivisten wegen der illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse im Jahr 2017 schuldig gesprochen.

„Das Urteil ist ein Akt der Rache und nicht der Gerechtigkeit“, sagte am Dienstag Quim Torra, Chef der Regionalregierung Kataloniens. Das Unabhängigkeitslager applaudiert solchen Sätzen. Doch die Separatisten repräsentieren – nach den offiziellen statistischen Daten – nur knapp die Hälfte der katalanischen Bevölkerung.

Die gesellschaftliche Spaltung spiegelt sich auch in einer Onlineumfrage der größten katalanischen Tageszeitung „La Vanguardia“. Auf die Frage „Ist das Urteil gerecht?“ antworteten 50,1 Prozent der Leser mit Ja, und 49,9 Prozent mit Nein.

Die meisten großen Zeitungen Spaniens waren sich am Dienstag aber einig, dass die Verurteilung der Separatisten den Konflikt in Katalonien nicht lösen wird. „Jetzt muss die Stunde der Politik kommen“, schrieb das Blatt „El Periódico“. Und „La Vanguardia“ hoffte in seinem Leitartikel, dass nun der politische Dialog wieder eine Chance bekommt. „Nach dem Urteil sollte es möglich sein, die Dinge besser zu regeln.“

Am Tag nach der Urteilsverkündung wurden zudem neue Einzelheiten des Richterspruchs bekannt, die zur Entspannung beitragen können. Denn die Richter öffneten die Tür für baldige Hafterleichterungen. Demzufolge könnten einige der insgesamt neun Häftlinge, die seit zwei Jahren in U-Haft sitzen, bereits Anfang 2020 in den offenen Strafvollzug wechseln. Damit dürfen sie tagsüber und am Wochenende die Haftanstalt verlassen. Schon ein Jahr später, 2021, könnte dann auch Oriol Junqueras, der mit 13 Jahren die höchste Strafe bekam, vom offenen Vollzug profitieren.

 
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