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BERLIN
„Sultan“ und „Zar“ halten Hof in Berlin
GERMANY-LIBYA-CONFLICT-SUMMIT       -  Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (links) und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin in Berlin
Foto: Alexei NIKOLSKY/SPUTNIK/AFP | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (links) und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin in Berlin
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 24.01.2020 02:10 Uhr

Zwei mächtige Männer wissen um ihre Macht. Sie haben es in der Hand, ob in Libyen die Waffen schweigen oder der Krieg in voller Gewalt zurückkehrt. Russlands Staatschef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ziehen es deshalb vor, die Geschicke des vom Bürgerkrieg geplagten Landes zunächst unter sich zu besprechen. Die anderen Staats- und Regierungschefs müssen deshalb am Sonntag in Berlin auf die beiden warten.

Die Libyen-Konferenz im Kanzleramt beginnt zwei Stunden verspätet. Der Amtssitz von Angela Merkel ist durch einen Sicherheitsring abgeriegelt. Höchste Wachsamkeit ist befohlen. Scharfschützen liegen in Position auf den Dächern der umliegenden Gebäude, die Wasserschutzpolizei sperrt die Spree, die Zufahrtswege sind durch Polizeisperren verschlossen. Über der Mitte der deutschen Hauptstadt steht knatternd ein Polizeihubschrauber wie eine riesige dunkle Libelle. Kolonnen schwarzer Limousinen beherrschen die Straßen. Dennoch kommt es am Reichstagsgebäude zu Protesten. Etwa 150 Menschen protestieren gegen den libyschen General Chalifa Haftar.

In ihrer langen Amtszeit als Regierungschefin des mächtigen EU-Landes könnte es die letzte große internationale Initiative sein, die Merkel anschiebt. Binnen weniger Tage haben ihre Leute die Konferenz organisiert, an der zehn Staaten teilnehmen. Normalerweise dauert die Vorbereitung eines Spitzentreffens dieses Kalibers mindestens ein Jahr. Doch Libyen duldet keinen Aufschub. Das Land soll sich nicht in ein zweites Syrien verwandeln, aus dem Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa strömen und in dem sich muslimische Terrorbanden breitmachen. Merkel hat noch einmal ihr ganzes internationales Format aufgeboten, um alle Konfliktparteien um einen Tisch zu versammeln. Die Deutschen haben eine Abschlusserklärung entworfen. Sie sieht vor, dass alle Milizen entwaffnet werden. Die ausländischen Mächte würden sich verpflichten, nicht länger das Spiel des Krieges anzuheizen.

Doch die Realität ist eine völlig andere. Während in Berlin die Staatsführer über die Zukunft des Landes verhandeln, explodieren bei der Hauptstadt Tripolis Granaten, Rauchsäulen steigen auf. Erdogan und Putin könnten viel dazu beitragen, die Kämpfe zu beenden. Erdogan lässt Kämpfer einfliegen, um den schwer in die Defensive geratenen Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch zu unterstützen. Ankara hofft auf die Ausbeutung von Gasvorkommen im Mittelmeer. Türkische Unternehmen haben außerdem hohe Summe in Libyen investiert, die in großer Gefahr sind. Dann nämlich, wenn es dem abtrünnigen General Haftar gelingt, Tripolis einzunehmen und die Macht an sich zu reißen.

Der Kriegsherr wird unter anderem von Russland stark gemacht. Russische Söldner der Einheit Wagner kämpfen an seiner Seite. Putin ist überall dort, wo der Westen schwach ist. Haftar bekommt allerdings auch Hilfe aus Europa. Dass Russland und die Türkei in Libyen den Ton angeben, zeigt, wie sträflich die Europäer den zerfallenden Staat links liegen gelassen haben. Beide Mächte verfolgen widerstreitenden Interessen, aber Erdogan und Putin schaffen es auch in Syrien, zu einem Ausgleich zu ihren Gunsten zu kommen.

„Die Europäer sind zu spät gekommen“, beklagte Ministerpräsident al-Sarradsch vor dem Auftakt der Konferenz, die ihn retten soll. Er wünscht sich eine internationale Schutztruppe, die einen Waffenstillstand überwachen und den Waffenschmuggel unterbinden würde. Deutschland könnte seine Rolle als „ehrlicher Makler“ in den Friedensbemühungen nicht glaubhaft spielen, wenn es keine Soldaten schicken würde. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat einem Einsatz der Bundeswehr zumindest keine Absage erteilt. Im Gegenteil: Die CDU-Vorsitzende stellt sich darauf ein, dass die Anfrage rasch kommen könnte.

 
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