Rund um die zum Wiederaufbau anstehende Bauakademie des preußischen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel hängt gerade alles ein wenig in Fetzen. Das gilt in direktem Sinne, weil die Planen am bereits eingerüsteten Areal in Berlin vom Wind zerstört wurden. Und indirekt, weil seit Wochen Kulturschaffende und Architekten die Personalie Florian Pronold auseinanderpflücken. Der bayerische SPD-Politiker soll Direktor der Bauakademie werden, aber er ist, sagen seine Kritiker, für den Job nicht qualifiziert.
Die Angelegenheit hat einen heftigen Streit ausgelöst, sie beschäftigt die Gerichte, ein Offener Brief gegen Pronolds Berufung hat gerade die Schwelle von 600 Unterzeichnern aus allen Teilen der Gesellschaft überschritten.
Schinkels Bauakademie gilt als das wichtigste Vermächtnis des 1841 in Berlin gestorbenen Architekten, 62 Millionen Euro hat der Bundestag für den Wiederaufbau nahe der Museumsinsel bereits bewilligt. Pronold - derzeit SPD-Abgeordneter und Staatssekretär im Bundesumweltministerium - soll die Akademie leiten und sie zu einer Plattform machen, „welche die gesellschaftliche, technische und kulturelle Innovationskraft des Bauens stärken soll“, wie es heißt. Der ehemalige Chef der Bayern-SPD bekommt es nun aber mit der Architekturszene in Berlin zu tun. Die Hauptstadt hat schon seit Jahren das Problem, dass sie zahlreiche Architektinnen und Architekten anzieht und viele von ihnen keine auskömmliche Arbeit finden. Das drückt aufs Selbstbewusstsein, und dieses wird nicht stärker, wenn die Angehörigen der Zunft durch ihre Stadt fahren: Die meisten Neubauten gleichen einander wie ein Ei dem anderen, die Architektur der Stadt ist im Vergleich zu Paris, Madrid oder London stinklangweilig. Der mit Spannung erwartete Wiederaufbau des Stadtschlosses ändert daran erkennbar nichts.
Ein Politiker und Jurist
Die Hoffnungen sind deshalb groß, dass die Bauakademie Berlin und seinen Architekten wieder zu Glanz verhilft. Die Berufung eines Uneingeweihten wie Pronold platzt da wie eine Bombe in den elitären Kreis der Architekten und Kulturbeflissenen. Die hätten gerne „eine Persönlichkeit mit kuratorischer, gern auch internationaler Erfahrung im Bereich der Architekturvermittlung gesehen“, wie es die Präsidentin des Bundes Deutscher Architekten, Susanne Wartzeck, ausdrückt. Und nun bekommen sie einen Politiker, der zu allem Übel auch noch Jurist und nicht etwa Architekt ist. Pronold erfülle nicht das in der Stellenausschreibung formulierte Profil, brandmarken die Architekten. Diesen Vorwurf erheben auch die derzeit 615 Pronold-Gegner, die einen unter anderem an die Bundesregierung gerichteten Offenen Brief unterzeichnet haben (projekt-bauakademie.de). Darin schwingt der Vorwurf mit, Pronold sei durch Kungelei an den Posten gekommen.
Der Bayer würde, wenn es denn klappt, in der laufenden Legislaturperiode auf den Direktorenstuhl wechseln. Solche Wechsel ohne Karenzzeit haben immer einen faden Beigeschmack, weil der Eindruck entsteht, hier nutze jemand seine politischen Kontakte aus, um an anderer Stelle weiterzukommen. Andererseits: „Wechsel müssen möglich sein. Sonst sind wir als Politiker in einem Käfig, aus dem wir nicht mehr herauskommen“, sagt ein langgedienter Unionspolitiker.
Die Regeln eingehalten
Für solche Wechsel gibt es Regeln, und Pronold weist ausdrücklich darauf hin, dass er sie einhält. Er habe sich bereits Mitte September ans Kanzleramt gewandt, erklärt er, seiner Anzeigepflicht bei der Ethik-Kommission sei er rechtzeitig nachgekommen. Pronold wehrt sich zudem gegen den Vorwurf, er habe den Posten selbst geschaffen. Auch von einer Bereicherung könne keine Rede sein. „Mich reizt die neue Aufgabe inhaltlich. Finanziell ist es eine Verschlechterung“, erklärt er. Sein neuer Job würde auf zunächst fünf Jahre befristet nach B3 bezahlt, erklärt er und ergänzt: „Mein derzeitiges Einkommen würde sich in etwa halbieren.“ Staatssekretäre werden in der Regel nach der Besoldungsgruppe B11 bezahlt und kommen damit auf rund 14 600 Euro Grundgehalt. Eine B3-Besoldung steht mit knapp 8600 Euro in den Tariftabellen. Arm wird Pronold also nicht.
Womöglich beenden die Gerichte das Gerangel. Zwei im Auswahlverfahren unterlegene Mitbewerber klagen. Das Arbeitsgericht Berlin entschied in einem Fall per einstweiliger Verfügung bereits, Pronold dürfe bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht Direktor werden. Die zweite Klage sollte am Donnerstag verhandelt werden. Der Termin wurde auf den 23. Januar verschoben.
Genug Zeit, damit sich die Gemüter wieder beruhigen können. So ganz unbeleckt ist Pronold von der Materie nämlich gar nicht. Ausweislich des Terminkalenders der Bundesregierung nahm er im Oktober 2017 an einer einschlägigen Podiumsdiskussion teil. Thema: „Schinkels Bauakademie: Form folgt Funktion?“