Der ARD-Moderator Constantin Schreiber ist Gründer "Deutschen Toleranzstiftung." Und das ganz bewusst in Sachsen. Denn er sieht einige Aspekte der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung vor allem im Osten mit Besorgnis. Beispielsweise nimmt er eine zunehmende Journalismus- und Medienskepsis wahr. Dieser tritt er entgegen. Ein Gespräch über Journalismus, Toleranz und rechte Pöbler im Netz.
In Leipzig ist der Sitz Ihrer „Deutschen Toleranzstiftung“, die Sie kürzlich gegründet haben. Mit der Stiftung wollen Sie das Miteinander stärken. Klingt nach etwas Großem.
Schreiber: Ich habe tatsächlich lange nach einem Namen gesucht. Aber wenn man ein Zeichen setzen und Aufmerksamkeit will, sollte man sich auch nicht kleinmachen.
Was verstehen Sie unter Toleranz?
Schreiber: Auf Toleranz gründet unsere Gesellschaft. Ohne Toleranz geht es nicht. Ich habe im Kollegen- oder Bekanntenkreis aber auch schon gehört: Toleranz werde überstrapaziert, was würden wir nicht alles hinnehmen im Namen der Toleranz! Da habe ich gemerkt, wie stark selbst dieses Wort polarisiert.
Wie kommt ein „Tagesschau“-Moderator wie Sie auf die Idee, eine Stiftung in Sachsen zu gründen?
Schreiber: Mit meiner Arbeit hat das zunächst nur bedingt zu tun. Ich sehe das als meinen Beitrag an, mich gesellschaftlich zu engagieren. Eben in dem Bereich, in dem ich mich auskenne. Und auf Sachsen liegt nun mal der öffentliche Fokus. Wenn es etwa um Rassismus geht, um eine Spaltung in Rechts und Links, Ost und West, dann geht es leider auch immer um Sachsen.
Sie wollen auch „Lügenpresse“-Vorwürfe entkräften. Wie genau?
Schreiber: Etwa mit dem Projekt „Triff mich!“, bei dem ich und andere Journalisten in Schulen gehen. Ich glaube, dass in einer immer digitaleren, virtuelleren Welt der persönliche Kontakt stark an Bedeutung gewinnt. Hinzu kommt, dass Schüler unter Anleitung von Journalisten für eine Mediathek Videobeiträge erstellen über Meinungs- oder Religionsfreiheit. Ende des Jahres wollen wir die Videos freischalten.
Wissen Schüler überhaupt, wer Sie sind?
Schreiber: Kürzlich war im ARD-Hauptstadtstudio ein Tag der offenen Tür. Da haben 15-Jährige zu mir gesagt: Ich sehe Sie immer im Fernsehen. Ich habe das erst gar nicht richtig glauben können, weil junge Menschen angeblich doch nur auf Youtube unterwegs sind. Sie erklärten mir, dass sie sich für Themen wie den Klimawandel interessieren und deshalb auch Nachrichtensendungen anschauen. Ich erlebe so etwas immer wieder. Dass Jugendliche aber wissen, was genau Journalismus ist und was Journalisten machen, das kann man nicht voraussetzen.
Sollte es ein Schulfach für „Medienkompetenz und Medienmündigkeit“ geben, wie es der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen vorschlägt?
Schreiber: Diese Inhalte sind sehr relevant: Wie gehe ich mit Informationen um? Wer verbreitet Fake News? Schüler sollten das wissen.
Erzählen Sie Schülern auch von dem Hass, der Ihnen entgegenschlägt? Immerhin sind Sie eines der Gesichter des in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen so verhassten öffentlich-rechtlichen „Staatsfunks“.
Schreiber: Nein. Aber mit dem Thema geht jeder Journalist anders um. Es gibt Kollegen, die da auf Twitter in jeden Kampf einsteigen. Ich habe für mich entschieden, dass ich das so gut es geht ignoriere. Ich will mich nicht die ganze Zeit mit Hassbotschaften aufhalten, darauf habe ich einfach keine Lust.
Würden Sie bitte die folgenden Satzanfänge ergänzen? In der „Tagesschau“ oder den ARD-Polit-Talks wird mit der AfD ...
Schreiber: … angemessen umgegangen.
Journalisten sollten mit Rechten …
Schreiber: … genauso kritisch umgehen wie mit allen anderen. Rechten Pöblern im Netz sollte nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Ich selbst wurde von der AfD …
Schreiber: … bislang weder angepöbelt noch direkt angesprochen.
Sie galten unter Rechtspopulisten plötzlich als Islamkritiker, nachdem Sie 2017 das Buch „Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“ veröffentlicht hatten. AfD-Politikerin Beatrix von Storch warb regelrecht für Ihr Buch in einem Youtube-Video. Wie dachten Sie darüber?
Schreiber: Ich kann keinem verbieten, Videos zu machen. Das Video war aber ärgerlich, denn damals stand ich ohnehin unter Beschuss.
Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, Sie würden Stimmung gegen Muslime machen.
Schreiber: Ja, und das Video schien das zu belegen. Es zeigte mir, wie schnell man oder etwas instrumentalisiert werden kann. Ich habe damals bewusst nicht darauf reagiert. Manche Kritiken zu meinem Buch waren auch einfach ausgedacht. Man versuchte, mich zu diskreditieren.
Die „taz“ schrieb: „Constantin Schreiber war mal das Gesicht der ,Willkommenskultur‘. Für die Sendung ,Marhaba‘, mit der er Flüchtlingen das Grundgesetz erklärte, erhielt er den Grimme-Preis. Nun hat er sich dafür entschieden, das Gesicht der Misstrauenskultur gegen Muslime zu werden.“
Schreiber: Gerade in meinem Umfeld hieß es zu derlei Kritik: Du musst dagegen angehen! Bis auf wenige Ausnahmen habe ich davon abgesehen. Heute würde ich mit einigem Abstand sagen: Das war richtig. Mein Umfeld war damals wesentlich aufgeschreckter als ich. Freunde haben sich richtig empört über manchen Bericht. Die Art und Weise, wie Dinge aufbereitet wurden oder wie bei Twitter kommentiert wurde, sprach gegen meine Kritiker.
Befürchten Sie, dass sich das Schwarz-Weiß-Denken, die Polemik durchsetzen wird - dass Deutschland ein ähnlich polarisiertes Land werden könnte wie die USA?
Schreiber: Es gibt eine erschreckende Entwicklung. Ich bin deswegen bei Facebook oder Twitter so gut wie gar nicht mehr aktiv. Vor ein, zwei Jahren war ich das noch sehr intensiv. Bei Facebook oder Twitter verkämpfen sich Menschen mit verschiedenen weltanschaulichen Positionen, ein Meinungsaustausch findet nicht mehr statt. Es geht nur noch darum, sich gegenseitig niederzubrüllen. Das Niveau ist unterirdisch. Soziale Medien sind zu medialen Jauchegruben geworden. Ich empfinde es nicht als Verlust, dort nur noch wenig Zeit zu verbringen.
Am 27. Oktober wählt Thüringen. Worüber werden wir danach diskutieren?
Schreiber: Wahrscheinlich über das Gleiche wie nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg. Es wird eine politische Rechts-Links-Debatte geben und viel Empörung. Es wird aber vermutlich nicht um die Ursachen für die momentanen Verwerfungen gehen.