Die Zahl der Organspender hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Bislang dürfen Ärzte nur Organe entnehmen, wenn der Verstorbene vor seinem Tod zugestimmt hat. Das muss sich ändern! Jeder sollte Organspender sein, solange er nicht ausdrücklich widersprochen hat. Das ist der Kern der Widerspruchsregelung – und die einzige Möglichkeit die Zahl der Organspender zu erhöhen.
Nach Angaben der deutschen Stiftung für Organtransplantation haben im vergangenen Jahr nur 797 Menschen ein Organ gespendet. Der niedrigste Stand seit 20 Jahren. Wie oft muss dieser Negativrekord noch gebrochen werden, bevor die Widerspruchsregelung sich durchsetzt? Einfacher könnte Leben nicht gerettet werden.
Wer kein Kreuzchen auf dem Organspendeausweis macht, überlässt das Problem bisher seinen Angehörigen. Der Ehepartner, die Kinder oder die nächsten Verwandten müssen dann eine Entscheidung treffen, um die man sich selbst sein Leben lang gedrückt hat. Denn wenn der Verstorbene zu Lebzeiten nicht vermerkt hat, ob er Organe spenden will, werden im Fall des Hirntods die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen gefragt. Die Widerspruchsregel würde dieses Problem beheben. Mündigen Bürgern ist es wohl abzuverlangen, sich bei Lebzeiten zu entscheiden: Will ich meine Organe spenden oder nicht? Auch das Feld „Nein, ich widerspreche der Entnahme von Organen oder Gewebe“ gibt es auf dem Spendeausweis.
Mehr Geld für Krankenhäuser ist nicht die Lösung
Die Auseinandersetzung mit der Organspende müsse „für uns alle zur Selbstverständlichkeit werden“, sagt Jens Spahn (CDU) anlässlich des Tages der Organspende. Der Gesundheitsminister spricht sich jedoch gegen die Widerspruchsregelung aus. Im Koalitionsvertrag konnten sich die Regierungsparteien zu diesem Thema drei Zeilen abringen: „Wir wollen die Zahl der Organspenden in Deutschland erhöhen. Dazu werden wir eine verbindliche Freistellungsregelung für Transplantationsbeauftragte schaffen und diese finanzieren. Die Organentnahme wird höher vergütet.“
Drei Zeilen die deutlich machen, dass die Bundesregierung die Ursachen für den Rückgang nicht erkannt hat. Organspende lässt sich nicht durch mehr Geld für Krankenhäuser attraktiver machen. Vielmehr festigt sich dadurch der Eindruck einer Gesundheitsindustrie, in der Organe einen materiellen Wert bekommen. Organspende ist jedoch ein im höchsten Maße emotionales Thema.
Vielmehr muss das Vertrauen in die Transplantationsmedizin gestärkt werden. Denn von den Skandalen um manipulierte Wartelisten in vier deutschen Kliniken hat sich das Ansehen der Transplantationsmedizin noch immer nicht erholt. Die Diagnose des Hirntods basiert auf Vertrauen gegenüber den Ärzten. Schließlich ist der Körper des Verstobenen warm und das Herz schlägt noch, wenn das Gehirn bereits endgültig seinen Dienst eingestellt hat.
Mangelnde Bereitschaft sich mit dem eigenen Tod zu befassen
Wer sich darüber Gedanken macht, ob man gerne mit oder ohne Organe bestattet werden möchte, muss sich zwangsläufig mit dem eigenen Tod auseinandersetzen. Für viele ein Grund, es erst gar nicht zu tun. Die Infobroschüren der Krankenkassen konnten daran bisher nichts ändern. Die Widerspruchsregelung verspricht für Patienten auf der Warteliste vor allem eines: Die Hoffnung für eine höhere Bereitschaft zur Organspende, die Hoffnung auf ein lebensrettendes Organ.
Wer der Entnahme seiner Organe aktiv widerspricht, wird dafür sehr persönliche Gründe haben. Seien es Zweifel an der Feststellung des Todes, Misstrauen gegenüber dem Vergabesystem oder religiöse Anschauungen. Niemand muss sich dafür rechtfertigen, dass er seine Organe nicht spenden möchte. Rechtfertigen müssen sich nur diejenigen vor ihrem Gewissen, die ein Organ annehmen würden, aber selbst nicht zur Spende bereit sind.