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BERLIN/MÜNCHEN
Seehofer im Abschieds-Interview: „Man hat mich in die rechte Ecke gestellt“
Pressekonferenz zu Cyber-Sicherheit       -  Am Samstag ist für Horst Seehofer Schluss als CSU-Chef. Bundesinnenminister will der 69-Jährige bleiben – und später vielleicht mal ein Buch schreiben.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa | Am Samstag ist für Horst Seehofer Schluss als CSU-Chef. Bundesinnenminister will der 69-Jährige bleiben – und später vielleicht mal ein Buch schreiben.
Das Gespräch führten Gregor Peter Schmitz, Stefan Lange und Holger Sabinsky-Wolf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:01 Uhr

Horst Seehofer hat die CSU als Parteichef geprägt – aber bisweilen auch an die Belastungsgrenze geführt. Am Wochenende wird er das Ruder endgültig an seinen einstigen Rivalen Markus Söder abgeben. Im Abschieds-Interview spricht er über die Verletzungen, die die Politik hinterlassen kann, seine Zukunft als Bundesinnenminister in Berlin und seinen mit Aktenstapeln gefüllten Keller.

Frage: Herr Seehofer, am Samstag werden Sie nach mehr als zehn Jahren den CSU-Parteivorsitz abgeben. Muss man Sie sich als einen zufriedenen Menschen vorstellen?

Horst Seehofer: Ja. Ich bin rundum zufrieden. Ich schaue auf ein erfülltes politisches Leben. 39 Jahre an vorderer und vorderster Front der bayerischen und deutschen Politik. Und das Werk war nicht nur lang, es ist insgesamt auch geglückt.

Resultiert die Zufriedenheit auch daraus, dass Sie es geschafft haben, länger als Angela Merkel den Parteivorsitz zu behalten?

Seehofer: Das ist ein netter Zufall, aber hat nichts mit Planung zu tun.

Sie wirken völlig entspannt, die CSU setzt ganz auf Harmonie, die CDU auch. Ist das nicht fast langweilig?

Seehofer: Unsinn, das ist ja auch nur eine Momentaufnahme. So wird es nicht auf Dauer bleiben. Es wird auch mal wieder Debatten geben, in denen es zu Spannungen zwischen bayerischen Anliegen und Bundesanliegen kommt. Nehmen Sie den Digitalpakt, der gerade ansteht und bei dem wir bayerische Bildungspolitik verteidigen müssen. Oder die Reform der Grundsteuer, die der SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant und die keine verkappte Vermögensteuer werden darf – denn die würde das erfolgreiche Bayern besonders hart treffen.

Ein CSU-Vorsitzender muss also immer balancieren zwischen Bavaria First und dem Bund?

Seehofer: Das habe zumindest ich in meiner Arbeit immer so gehalten. Wir waren in meiner Zeit als Parteivorsitzender ja auch immer in der Regierung, in Bayern und in Berlin. Das ist nicht jedem Parteivorsitzenden vergönnt.

Wenn wir schon vom neuen Parteivorsitzenden Markus Söder sprechen: Der hat gerade wieder einen „Neuanfang“ in Berlin gefordert. Was meint er damit?

Seehofer: Das müssen Sie ihn selber fragen. Die Große Koalition arbeitet gut, sie produziert sehr viel Positives fürs Land, und zwar alle Koalitionspartner. Deshalb habe ich zwei Aussagen der jüngeren Vergangenheit nicht verstanden: Dass wir zur Sacharbeit zurückkehren müssen, denn wir arbeiten von der ersten Stunde an an der Sache. Und ein Neuanfang kann sich ja allenfalls auf Stilfragen beziehen, denn inhaltlich arbeiten wir voll an der Realisierung des Koalitionsvertrages.

Für uns klang aus Söders Worten auch der Wunsch nach einem personellen Neuanfang in Berlin, sprich: Ihre Ablösung als Bundesinnenminister.

Seehofer: Markus Söder hat immer von Stabilität gesprochen, auch in Bezug auf Personen. Bevor Sie weiter nachfragen: Wir haben eine gute Zusammenarbeit, Markus Söder und ich. Wir haben im vergangenen Jahr einen guten Dualismus gepflegt und uns gegenseitig nicht in unsere Aufgaben hinein geredet. Jetzt wird Markus Parteivorsitzender und hat die riesige Aufgabe vor sich, die Sonderstellung der CSU in der deutschen Politik zu bewahren. Ich bin sicher, das kann er auch schaffen. Sonst stellen sich da keine Fragen.

Uns stellen sich schon ein paar Fragen: Etwa wie die CSU in Bayern und in Berlin stark sein soll – wenn der neue Parteivorsitzende und Ministerpräsident mit Berlin fremdelt und der Landesgruppenvorsitzende in Berlin, Alexander Dobrindt, in der CSU abgemeldet wirkt.

Seehofer: Die CSU-Landesgruppe in Berlin spielt eine ganz zentrale Rolle, mit Alexander Dobrindt an der Spitze. Die CSU in München muss immer Rücksicht nehmen auf die CSU-Abgeordneten in Berlin. So habe ich es als Parteivorsitzender gehalten. Schließlich bringt das Amt auch eine ganz besondere Verantwortung mit sich. Man wird auch für alle Wahlergebnisse verantwortlich gemacht, selbst wenn man – wie ich bei den Wahlen 2017 und 2018 – gar nicht selber zur Wahl steht.

Der Maßstab ist ja immer die Wahl.

Seehofer: Das stimmt. Geht die gut aus, sind alle zufrieden und es geht ohne große Debatten weiter. Geht sie weniger gut aus, ist das anders. Das haben wir jetzt zweimal nacheinander in Bayern erlebt, bei der Bundestagswahl und der Landtagswahl.

Der nächste Test steht schon bevor, die Europawahl im Mai. Wie müsste die CSU abschneiden, damit wieder Ruhe in der Partei einkehrt?

Seehofer: Na ja, wir haben einen allseits anerkannten Spitzenkandidaten für die Europawahl, Manfred Weber. Er ist ja nicht nur der Spitzenkandidat von CSU und CDU, sondern auch der gesamten europäischen Volkspartei. Da hoffe ich schon auf ein Ergebnis von über 40 Prozent.

Manfred Weber steht auch dafür, dass die CSU nicht mehr so polarisieren will, wie Sie es voriges Jahr getan haben.

Seehofer: Einen Rechtsruck der CSU hat es nie gegeben. Was wir zur Migrationspolitik vertreten haben, war von allen CSU-Gremien getragen. Das hat manchmal sogar zur Einschätzung im Flüchtlingsstreit geführt, ich sei in Wahrheit ein Getriebener. Wenn man aus dem Streit des Sommers Konsequenzen ziehen will, dann betrifft das nicht inhaltliche Fragen, sondern Stilfragen.

Aber die Kritik entzündet sich vor allem an Ihrem Stil!

Seehofer: Ich gebe zu, dass manche unserer Anhänger über einige Aussagen irritiert waren. Aber vieles davon stammt nicht von mir.

Der Satz „Jetzt beginnt das Endspiel um die Glaubwürdigkeit“ stammt von Herrn Söder. Und das Wort „Anti-Abschiede-Industrie“, das gerade zum Unwort des Jahres gekürt wurde, hat Alexander Dobrindt benutzt.

Seehofer: Das ändert nichts daran, dass man als Parteivorsitzender für ein schlechtes Wahlergebnis, wie voriges Jahr in Bayern, verantwortlich gemacht wird. Das ist nun einmal so.

Also gilt Ihr Satz vom vorigen Jahr immer noch, gegen Sie werde eine Kampagne gefahren?

Seehofer: Es ging in vielen Medien gegen mich als Person. Man hat mich in die rechte Ecke gestellt, sogar mit Beate Zschäpe wurde ich verglichen. Oder ich war der Gefährder, der partout Angela Merkel stürzen wollte. Nichts davon hat gestimmt.

Aber oft kam die Kritik doch von Ihren Parteifreunden, nicht von den Medien.

Seehofer: Lassen wir doch die Vergangenheit ruhen. Wer immer nur in den Rückspiegel schaut, fährt irgendwann gegen die Wand.

Sie haben den Unions-internen Streit um die Migrationspolitik angesprochen. Die neue CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) will zu einer Art Werkstattgespräch über mögliche Fehler der Migrationspolitik einladen. Ein richtiger Schritt?

Seehofer: Ich weiß nicht, ob ich dazu eingeladen werden soll. Aber selbst, wenn ich dabei wäre: Mir ginge es nicht um ein Scherbengericht über Angela Merkel, sondern um eine befriedende Aussprache zu einem Thema, das uns noch viele Jahre beschäftigen wird. Denn der Migrationsdruck bleibt ja weltweit. Deswegen halte ich das für eine richtige Maßnahme der CDU. Vielleicht hat man das in den vergangenen drei Jahren in der CDU zu wenig diskutiert.

Frau Merkel hat Diskussionen über die Vorgänge im Jahr 2015 als „verplemperte Zeit“ bezeichnet. Sehen wir unter AKK einen neuen Umgang mit der Migrationspolitik?

Seehofer: Wir müssen darüber sprechen, in aller Sachlichkeit. In der Migrationspolitik ist ja auch sehr viel Positives passiert in den vergangenen drei Jahren. Wenn man die Zukunft der Migrationspolitik gestalten will, muss man auch zurückschauen, was geschehen ist – denn alle sagen ja, dass so etwas wie im Jahr 2015 nicht noch mal geschehen soll.

Tauschen Sie sich regelmäßig mit Frau Kramp-Karrenbauer aus?

Seehofer: Wir kennen uns sehr gut und haben als Ministerpräsidenten vertrauensvoll zusammengearbeitet, etwa beim Länderfinanzausgleich. Ich habe Frau Kramp-Karrenbauer sogar geholfen, dass sie für das Saarland Sonderzuweisungen bekommt, weil sie dort einen Strukturwandel durchgemacht haben mit Kohle und Stahl, für den sie nichts können.

Sie haben als eine Ihrer wichtigsten politischen Leistungen bezeichnet, die CSU vor dem Neoliberalismus bewahrt zu haben. Also sind Sie froh, dass Friedrich Merz nicht CDU-Chef geworden ist?

Seehofer: Das war ja die Position der ganzen CDU, mit Ausnahme von Norbert Blüm. Wenn die Union Volkspartei bleiben will, muss sie auf beiden Lungenflügeln atmen. Die Union braucht einen starken Wirtschaftsflügel mit Leuten wie Friedrich Merz, aber auch einen starken Sozialflügel. Nur wenn beides unter einem Dach stattfindet, wird die Union auch in Zukunft ihre Stärke als Volkspartei behalten.

Und AKK wird nächste Kanzlerin?

Seehofer: Ich halte jede Debatte über eine Kanzlerkandidatur so lange vor der nächsten Bundestagswahl für vollkommen überflüssig.

Wird Angela Merkel also bis zum Ende der Legislaturperiode Kanzlerin bleiben?

Seehofer: Richtig. Sie beschreiben die Fakten. Darin seid Ihr Journalisten gut.

Vorigen Sommer haben Sie uns versichert, Sie und Frau Merkel blieben bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt.

Seehofer: Sie zitieren mal wieder unvollständig. Ich habe auch gesagt, dass eine Regierung immer von den Wahlen abhängt, die dazwischenliegen. Kein Mensch kann prognostizieren, wie die Europawahl und die nächsten Landtagswahlen ausgehen. Da können wir uns in der Großen Koalition noch so viele Liebeseide schwören – wenn das Wahlergebnis nicht stimmt, löst das immer Diskussionen aus.

39 Jahre Politik sind eine lange Zeit. Erwarten Sie am Samstag auch ein bisschen Dankbarkeit für Ihre Arbeit?

Seehofer: Ich kann mich in den letzten Wochen über den Zuspruch aus meiner Partei nicht beschweren. Richtig wertgeschätzt wird man aber wohl erst, wenn man aus der Politik ausgeschieden ist. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hat mal gesagt: „Je toter ein Politiker ist, desto mehr schätzt man ihn.“

Was erwarten Sie beim Parteitag am Samstag? Einen Präsentkorb, den CSU-Ehrenvorsitz?

Seehofer: Ich gehe mit überhaupt keiner Erwartungshaltung in den Parteitag.

Sie kommen aber schon?

Seehofer: Ich komme natürlich und ich werde auch reden. Aber nicht lange. Mein Werk ist getan. Ich werde zu manchem, was in den vergangenen eineinhalb Jahren passiert ist, nichts sagen. Die Einheit der Partei ist mir viel wichtiger. Beim Parteitag wird Markus Söder zum neuen Parteivorsitzenden gewählt, ich werde ihn dafür vorschlagen. Und dann hat er die Verantwortung und ich die Erleichterung, diese Verantwortung nicht mehr tragen zu müssen. Denn Parteivorsitzender zu sein bedeutet eine ganz schwierige Verantwortung, die auch immer wieder zu einer echten Last wird.

Sie sagen, die Einheit der CSU war Ihnen so wichtig. An deren Basis rumort es aber, weil viele die versprochene Aufbereitung des schwachen Wahlergebnisses vermissen.

Seehofer: Wir haben am Samstag einen Parteitag, bei dem sich die Basis zu Wort melden kann.

Kommt der Unmut in der Partei vielleicht auch daher, dass der Wahlkämpfer, der das schlechteste CSU-Wahlergebnis aller Zeiten eingefahren hat, jetzt auch noch den Parteivorsitz bekommt?

Seehofer: Sie werden mich nicht in eine konfrontative Stellung zu Markus Söder bringen. Ich habe mich dazu entschlossen, meinen Beitrag zu leisten, dass die Partei wieder zu Ruhe und Geschlossenheit findet. Und zwar zur ehrlichen Geschlossenheit, nicht zur gespielten.

Das klingt, als ob es im Moment keine echte Geschlossenheit in der CSU gäbe.

Seehofer: Nein, das passt jetzt schon so, wie es ist.

Sie haben beschrieben, wie groß die Belastung als CSU-Vorsitzender ist. Planen Sie, sich noch weitere Erleichterung zu verschaffen?

Seehofer: Erleichterung kann man sich ja nur verschaffen, wenn man Belastung abwirft. Es ist eine psychische und physische Belastung, Parteivorsitzender zu sein. Da haben Sie rund um die Uhr zu tun und spüren die Verantwortung ganz allein. Das Amt des Bundesinnenministers ist natürlich auch eine verantwortungsvolle und sehr sensible Tätigkeit, aber Sie sind ja hier ins Kollektiv einer Bundesregierung eingebunden.

Aber wenn ein Anschlag passiert, kommt es doch auf Sie an?

Seehofer: Ja, das ist herausfordernd und sensibel. Aber am Ende kommt es darauf an, ob Sie mit sich im Reinen sind, also: Haben Sie alles Menschenmögliche für die Sicherheit der Bürger getan? Und da bin ich nach zehn Monaten im Amt absolut mit mir im Reinen. Wir tun alles für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, auch wenn wir den absoluten Schutz nicht versprechen können.

Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen hat Ende Dezember in einem Interview gesagt, dass er enttäuscht wäre, wenn Sie immer noch enttäuscht wären von ihm. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?

Seehofer: Nein. Ich habe das Interview nicht gelesen, mir ist aber darüber berichtet worden. Diese Sache ist für mich längst abgehakt. Weil ich Herrn Maaßen und seine Arbeit so sehr geschätzt habe, war ich enttäuscht. Das passiert im Leben. Aber wir alle wissen auch: Zeit heilt Wunden.

Es gab keine Aussprache zwischen Ihnen und Herrn Maaßen?

Seehofer: Nein.

Teilen Sie die Auffassung von Herrn Maaßen, dass er öffentlich herabgewürdigt wurde?

Seehofer: Ja. Der Umgang mit ihm war einfach unangemessen. Ich bin wirklich für harte Diskussionen, aber nicht für öffentliche Hinrichtungen.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD eine Halbzeitbilanz vereinbart. Die müsste im Herbst stattfinden, doch wann genau? Vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg im September wäre es zu früh, nach der Wahl in Thüringen Ende Oktober zu spät und dazwischen ist es schwierig. Haben Sie eine Idee?

Seehofer: Diese Halbzeitbilanz war ja nicht meine Idee. Jeder Koalitionspartner kann für sich Bilanzen ziehen, jedes Jahr oder in der Mitte, das muss jeder selber mit sich ausmachen. Ich sehe nicht die Notwendigkeit, dass wir als CSU eine Halbzeitbilanz machen und dann entscheiden, ob wir in der Koalition bleiben. Man sollte mit dem festen Ziel arbeiten, dass wir uns nach vier Jahren wieder dem Wählervotum stellen und nicht vor der Zeit.

Aber wird die SPD in ihrer momentanen Verfassung nicht auf die Halbzeitbilanz dringen?

Seehofer: Aus einer schwierigen Verfassung befreien Sie sich am ehesten durch eine konstruktive Therapie. Also: Arbeit machen, gute Lösungen präsentieren. Und da sind die Sozialdemokraten in der Regierung gar nicht so schlecht unterwegs, das kann ich Ihnen versichern. Ich arbeite beispielsweise mit den SPD-Ministern Scholz, Barley und Heil wirklich gut zusammen.

Wenn Sie auf Ihre Tätigkeit als Bundesinnenminister zurückschauen: Bereuen Sie da etwas?

Seehofer: Gar nichts. Ich habe viele Dinge nach vorne gebracht, man muss sich aber auch mal vor Augen führen, mit welchen Herausforderungen ich klarkommen musste. Da war der Fall Maaßen, da war die Bamf-Affäre in Bremen und die Auswechslung der Behördenspitze, da war die Cybersicherheit. Ich hatte in neun Monaten viel Unerwartetes, das auf mich eingeströmt ist. Und trotzdem haben wir im Haus unsere Hausaufgaben gemacht: Den Familiennachzug beispielsweise haben wir geregelt oder das Fachkräftezuwanderungsgesetz auf den Weg gebracht.

Klingt vielbeschäftigt. Denken Sie trotzdem mit 69 Jahren ab und zu über die Rente nach?

Seehofer: Ich habe mir über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel wirklich mal wieder Zeit genommen für Freunde und Familie. Und ich habe festgestellt, dass mir dieser Zustand auch behagen würde. Jedenfalls habe ich nicht die geringste Angst vor dem Ruhestand. Auch dann könnte ich mir noch einiges vorstellen – etwa, dass ich meine Erfahrungen aus fast 40 Jahren Politik in Buchform fasse.

Genug Material hätten Sie ja.

Seehofer: Oh ja. Ich habe Gott sei dank von der ersten Minute an alles dafür Wichtige gesammelt. Ich bekomme heute noch von der Pressestelle zum Abschluss eines Jahres die wichtigsten Zeitungsartikel, sodass ich alles Wesentliche lückenlos authentisch habe und ich mich nicht nur auf mein Gedächtnis verlassen muss. Über meine Jahre als Bundesgesundheitsminister beispielsweise stehen Riesen-Bände bei mir daheim im Keller . . .

. . . neben der berühmten Modelleisenbahn?

Seehofer: Wir haben mehrere Kellerräume. Ich suche allerdings noch jemanden, der meine Memoiren aufschreibt. Zwar bin ich auch des Schreibens mächtig, aber das muss ein Profi machen, der die Informationen einfach verständlich und doch spannend verarbeitet. Ich will keine Memoiren, die vor Langeweile und Selbstbeweihräucherung strotzen.

Schwebt Ihnen schon ein Arbeitstitel vor?

Seehofer: Die werden sicherlich noch wechseln bis zu einer Veröffentlichung des Buches.

Und darüber hinaus?

Seehofer: In die Alltagspolitik werde ich mich sicherlich nicht einmischen, das habe ich bisweilen als belastend empfunden, wenn das bei mir passiert ist. Ich habe ja als Parteivorsitzender drei Ex-Parteivorsitzende erlebt, und aus dieser Erfahrung heraus möchte ich mich als vierter ehemaliger Parteivorsitzender nicht in die aktive Arbeit meines Nachfolgers einmischen.

Sie werden gar nichts sagen?

Seehofer: Konzeptionell will ich mich nach meinem Ausscheiden aus der Politik zu zwei Bereichen zu Wort melden, vor allem zu den Megathemen Kinderarmut und Altersarmut bei Frauen. Und natürlich zur Ökologie. In der Frage wird anderen Parteien mehr zugetraut als der CSU, das hat mich schon immer geärgert.

Wie versorgt der Freistaat eigentlich seine Ex-Ministerpräsidenten? Sie bekommen ein schönes Büro, Mitarbeiter, Fahrer, oder?

Seehofer: Ein Büro steht mir für vier Jahre nach meinem Ausscheiden als Ministerpräsident zu. Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt in Anspruch nehmen werde. Denn das hängt ja davon ab, wie lange ich Bundesinnenminister bleibe. Aber selbst wenn es so käme, möchte ich bestimmt kein eigenes Haus oder einen ganzen Büroflur haben. Mir reicht dann ein Büro und ein Mitarbeiter. Ich will eine ganz bescheidene Lösung, wenn ich es denn vom Zeitablauf her überhaupt brauche.

 
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