
Der Offene Brief von Renate Schmidt ist eine schallende verbale Ohrfeige für Innenminister Horst Seehofer: „Ihr Verhalten ist zum Fremdschämen,“ schreibt die frühere Bundesministerin der SPD aus Nürnberg. „Sie haben keine Ehre,“ steht in dem Brief, der bundesweit die Empörung über Seehofers Auftreten bündelt.
Die Nürnbergerin gibt Seehofer die Mitschuld am Tod von Flüchtlingen und attestiert dem CSU-Politiker, dass „bei Ihnen offenbar jeder Anflug von Humanität auf der Strecke geblieben ist.“ Seehofer verdiene „keine Ehre dafür, ein nicht vorhandenes Problem (von Ihnen selbst als Micky-Maus-Problem bezeichnet) nämlich täglich fünf Flüchtlinge abweisen zu können, zur Existenzfrage der GroKo und Europas hochstilisiert“ zu haben. Der CSU-Politiker habe „mit Rücktritt gedroht, dennoch nichts erreicht und trotzdem keinen Anlass gesehen zu haben zurückzutreten.“
Vorwurf: Seehofer mache den „rechten Rand stark“
Die frühere Familienministerin wurde noch deutlicher: Seehofer verdiene „keine Ehre“, weder für sein „rüpelhaftes Benehmen gegenüber der Bundeskanzlerin“ noch für seinen „gar nicht meisterlichen Masterplan.“ Wieder einmal würden damit den Menschen „von Ihnen Lösungen vorgegaukelt und damit nur der rechte Rand stark gemacht.“
- Worum geht es bei Seehofers „Masterplan“?
Sie gehöre nicht zu denen, die meinen, „dass ruhig alle kommen sollen und das schon irgendwie gehen wird.“ Aber man sei offenbar nicht bereit, die wirklichen Fluchtursachen zu bekämpfen, „die weit über das Schlepperunwesen hinausgehen“. Seehofer klettere (die AfD auf den Fersen) immer höher und verkenne dabei „sträflich die Absturzgefahr für alle Parteien der grossen Koalition.“ Das Verhalten des Innenministers sei „ein Verrat an den Werten, für die wir in Deutschland und Europa stehen“, meint Schmidt.
Freue über 69 Abschiebungen nicht tragbar
Empört sei sie vor allem über die „unverhohlen geäußerte Freude über ein unverhofftes und von Ihnen 'nicht bestelltes' Geburtstagsgeschenk zum 69. Geburtstag, die Abschiebung von 69 Flüchtlingen nach Afghanistan.“ Das Abschieben von Menschen „eignet sich nicht für fade Scherze und ich schäme mich dafür, dass meine SPD aus Gründen der Staatsräson gezwungen ist mit Ihnen an einem Tisch zu sitzen.“
Sie empfahl Seehofer den Film von Wim Wenders über Papst Franziskus. Vielleicht löse der zumindest „ein Nachdenken aus über die Notwendigkeit sich auf das 'C' im Namen Ihrer Partei deren Vorsitzender Sie sind zu besinnen.“
Markus Blume weist Kritik zurück
CSU-Generalsekretär Markus Blume wies die Kritik nicht nur zurück, er diskreditierte sie sogar. „Was Renate Schmidt schreibt, ist üble linke Verhetzung. Wer anderen die Ehre abspricht oder sie gar für Tote verantwortlich macht, betreibt eine unsägliche Diffamierung, wie man es sonst nur von Radikalen und Extremisten kennt“, sagte der 43 Jahre alte Politiker. Das sei besonders perfide, weil Seehofer durch die Schließung der Mittelmeerroute verhindern wolle, dass sich Migranten in die Todesboote begeben und in Seenot geraten.