
Die Vorwürfe der Opposition gegen den Verkehrsminister im Maut-Fiasko wiegen schwer: Lasten von Hunderten Millionen Euro für den Steuerzahler, Verstöße gegen das Vergaberecht, schlechte Vertragsgestaltung und grobe Fahrlässigkeit. Die Liste der Anschuldigungen gegen Andreas Scheuer (CSU) ist lang und sie soll im Untersuchungsausschuss zur geplatzten Straßensteuer noch länger werden.
Für die Opposition ist der CSU-Politiker schon heute nicht mehr tragbar. „Der Rücktritt ist überfällig“, sagte der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn vor der Auftaktsitzung des Ausschusses, die für Donnerstag geplant ist. Mindestens ein Jahr, so planen es Grüne, Linke und FDP, werden die Abgeordneten das Scheitern der Maut intensiv ausleuchten. „Die negativen Nachrichten werden nicht abreißen“, prognostizierte der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. Bei folgenden Schwachstellen sieht die Opposition Versagen und schwere Fehler bei Scheuer:
Übereilte Vergabe der Maut
Der Minister hatte es eilig. Einen Tag vor dem Jahreswechsel von 2018 zu 2019 wurden die Verträge mit den beiden Mautbetreibern Kapsch und Eventim unterzeichnet. Da stand das Urteil des Europäischen Gerichtshofes über den Wegzoll auf Autobahnen noch aus. Ein halbes Jahr später sollten die Europarichter urteilen, dass die Abgabe Ausländer diskriminiert und deshalb rechtswidrig ist. Dass Scheuer vorschnell und leichtfertig gehandelt hat, ist für die Opposition offensichtlich.
Zunächst, so geht aus Schriftstücken des Verkehrsministeriums hervor, sollten Aufbau und Betrieb der Mauterfassung drei Milliarden Euro kosten. Scheuer hatte aber vom Bundestag nur die Zusage über zwei Milliarden, weil die Maut sich sonst nicht rechnen würde. Scheuer drückte die Vertragssumme durch Einführung variabler Vergütungen dann auf unter zwei Milliarden, was seine Kritiker aus Gründen des Vergaberechts trickreich und problematisch finden.
Kosten für den Steuerzahler
„Die Schadenersatzforderungen sind objektiv berechtigt. Der Vertrag ist glasklar“, sagte FDP-Mann Luksic, der sich durch das Papier gewühlt hat. Er rechnet damit, dass das Debakel den Staat um die 500 Millionen Euro kosten wird. Dafür macht er folgende Rechnung auf: Die Vorbereitungen der Maut haben bisher rund 100 Millionen Euro verschlungen. Hinzu kommen die Entschädigungen der Mautbetreiber von geschätzt 300 Millionen Euro. Sie werden außerdem ihre Auslagen für die Tochterfirma Autoticket von 60 Millionen Euro wieder reinholen wollen.
Zu guter Letzt werden für das bevorstehende Schiedsverfahren zwischen dem Bund und den Unternehmen Millionen für Anwälte ausgegeben werden. Die Verkehrspolitiker gehen davon aus, dass das Verfahren drei bis fünf Jahre dauert.
Scheuers wankende Verteidigung
Der Minister wehrt sich mit dem Argument, der Bundestag habe ihm schließlich mit der Bewilligung der zwei Milliarden Euro den Auftrag erteilt, die Maut umzusetzen. Die Summe wäre aber Ende 2018 verfallen, hätte Scheuer nicht die Verträge unterzeichnet. Laut Luksic hat es aber bereits Gespräche seines Hauses mit dem Finanzministerium über eine Verlängerung gegeben.
Muss Scheuer gehen?
Das hängt nur mittelbar vom Fortgang des Untersuchungsausschusses ab. Entscheidend ist die Einschätzung von CSU-Chef Markus Söder. Kommt er zu dem Ergebnis, dass der Verkehrsminister die bayerische Kommunalwahl im Frühjahr nächsten Jahres gefährdet, wird er ihn abberufen. Die Opposition will Scheuer aber nicht unmittelbar vor den Wahlen Mitte März in den Ausschuss als Zeugen laden. Er soll später befragt werden, wenn noch mehr über das missglückte Prestigeprojekt der CSU bekannt geworden ist.