Chaos bricht aus, als Greta Thunberg auf dem Madrider Bahnhof Chamartín aus dem Zug steigt. Anhänger, Schaulustige und auch ein Heer von Berichterstattern drängen sich auf dem Bahnsteig. Ein beängstigendes Geschiebe beginnt, um Handyobjektive und TV-Kameras in Position zu bringen. Polizisten müssen dem 16-jährigen Idol der globalen Klimaschutzbewegung eine Gasse bahnen, damit die Aktivistin den Zug verlassen kann. Blass im Gesicht und mit ernster Miene steigt sie aus. Wie immer hat sie ihr berühmtes Schild „Skolstrejk för Klimatet – Schulstreik für das Klima“ unterm Arm.
Der eigentliche Star
Nach zehnstündiger Fahrt, die in Lissabon startete, war die junge Schwedin in Madrid eingetroffen. Der Empfang in der Stadt des UN-Klimagipfels ließ keinen Zweifel daran, wer der eigentliche Star auf dieser wichtigen Umweltkonferenz ist, an der auch etliche Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Das Treffen, auf dem um Fortschritte im Kampf gegen die Erderhitzung gerungen wird, dauert bis zum 13. Dezember.
„Ich habe mich am Morgen erfolgreich nach Madrid geschlichen“, schrieb Greta wenig später augenzwinkernd auf Twitter. „Ich glaube, niemand hat mich gesehen. Wie auch immer, es ist toll, in Spanien zu sein.“ Die Eisenbahnfahrt verlief nicht ganz so emissionsfrei, wie es Greta mit ihren strengen Ökoprinzipien wollte: Auf einem 100 Kilometer langen Teilstück der Strecke Lissabon-Madrid gibt es noch keine Stromleitungen, weswegen dort eine wenig umweltfreundliche Diesellok die Waggons ziehen musste.
Nach Lissabon war Thunberg in einem dreiwöchigen Atlantiktrip per Katamaran gesegelt, der sie aus Amerika wieder nach Europa brachte. Vor dem Madrider Bahnhof wartete dann ein Seat-Elektroauto auf sie.
Nach einer kurzen Verschnaufpause taucht Greta wenig später überraschend auf dem Klimagipfel im Messepalast auf, wo sie eigentlich erst am Montag ihren ersten offiziellen Redeauftritt hat. Und sie beteiligt sich spontan im Foyer an einem Sit-in von jungen Aktivisten aus aller Welt, um von den Gipfelpolitikern mehr Taten im Kampf gegen den drohenden Klimakollaps zu fordern. „Statt drastischer Kohlendioxid-Reduzierung, die wir dringend brauchen, steigen unsere Emissionen weiter. Wir bewegen uns immer noch in die falsche Richtung“, hatte die Teenager-Aktivistin vor ihrer Ankunft getwittert.
Nicht weit von Gretas Sitzstreik stehen fünf Iglus, in welchen die Luftqualität von mehreren Großstädten simuliert wird. Tritt man in die Iglus der Städte Peking und Neu-Delhi, die zu den schmutzigsten der Welt gehören, sieht man fast die Hand vor den Augen nicht mehr. Die Luft ist stickig, es riecht nach Abgasen, und es fällt schwer zu atmen. Eine eindrucksvolle Installation des britischen Künstlers Michael Pinsky, der sein Werk „Kapseln der Kontamination“ taufte.
Schon seit Tagen versucht die junge Generation auf dem Gipfel Cop25, die 25. Folgekonferenz seit Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention von 1992, Druck zu machen. Etwa mit einem globalen Jugendmanifest, in dem beklagt wird, „dass die Welt brennt“, aber dieser Brand nicht gelöscht wird. „Wir fordern Sie auf, sofort etwas zu unternehmen, um zu vermeiden, dass die globale Temperatur um mehr als 1,5 Grad Celsius steigt“, heißt es im Dokument.
Der Klimawandel sei nicht mehr zu verhindern, erklärte der 19-jährige Spanier Alejandro Quecedo, der das Manifest verlas. „Aber wir dürfen nicht auch noch die Chance verpassen, ihn wenigstens abzumildern.“ An einer „Klagemauer“ im Gipfel-Tagungspalast haben Kinder ihre Umweltbotschaften angebracht. „Lieber Cop25. Ich heiße Emma. Und ich bin wirklich sauer wegen der Luftverschmutzung.“ Und Sergio schreibt: „Ich will eine Zukunft und dass die Erde lebt. Ich kann darüber nicht entscheiden, aber ihr schon.“
Auch die internationale Plattform „Eltern für das Klima“ meldet sich mit einer Solidaritätserklärung zu Wort: „Wir Eltern müssen auch aufstehen, um unsere Kinder zu beschützen.“ Und: „Der Kampf gegen die Klimakrise ist eigentlich keine Sache unserer Kinder: Wir als Erwachsene müssen handeln und unseren Kindern die Zukunft geben, die sie verdienen.“
Demonstration in der Stadt
Am Freitagnachmittag nehmen dann Zehntausende Jugendliche die Straßen Madrids ein. In drei Demonstrationszügen machen sie sich aus verschiedenen Richtungen auf den Weg in die City, um sich am Abend zum großen „Marsch für das Klima“ im Herzen der Stadt zu treffen. Die jungen Demonstranten tragen Protestschilder mit Botschaften wie „Wir haben nur einen Planeten“, „Stopp Klimawandel“ und „Dies ist ein Notfall“. Ein Familienvater umklammert ein Schild mit der Aufschrift: „Für meine Kinder!“
Auch die Initiatorin der globalen Jugendproteste, Greta Thunberg, wurde erwartet. Die von Gretas freitäglichem Schulstreik inspirierte Plattform Fridays for Future hatte zusammen mit 850 weiteren Jugend- und Umweltverbänden zum Massenprotest in Madrid aufgerufen. „Der Kampf geht weiter“, verkündete Greta vor wenigen Tagen, anlässlich ihrer Ehrung mit dem alternativen Nobelpreis.