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BERLIN
Röttgens harte Wahrheiten über Deutschland
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 23.02.2020 02:10 Uhr

Raue Schale, weicher Kern. Das ist das Programm von Norbert Röttgen für Deutschland. Der 54-Jährige hat sich aus der Deckung gewagt und will damit der nächste Kanzler werden. Überzeugen soll die Wähler eine Außenpolitik, die auf der Höhe der Zeit ankommt. Deutschland als mächtigster Staat Europas muss viel stacheliger werden, wenn es um die Durchsetzung eigener Interessen geht, lautet Röttgens Mantra.

Wenn nicht die nächste Flüchtlingswelle nach Europa schwappen soll, können Berlin und die europäischen Verbündeten nicht einfach zusehen, wie in Syrien und Libyen gebombt wird. In der Weltordnung „steht kein Stein mehr auf dem anderen“, mahnt Röttgen bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur am Dienstag vor der versammelten Hauptstadtpresse. Amerika bürgt nicht länger für die Sicherheit, und Russland trumpft auf. Und die Türkei auch. Deshalb will der Rheinländer die Deutschen dazu bringen, dass das Militär wieder gebraucht wird, um aktiv in das Weltgeschehen eingreifen zu können.

In der Bundesrepublik galt 70 Jahre das Gegenteil. „Inzwischen haben die meisten verstanden, dass es die Schweiz nur in klein gibt. Und wir sind es nicht“, sagt Röttgen. Die Mehrzahl der Wähler will aber lieber sein wie die Schweiz. Keine blutigen Einsätze der Bundeswehr in fernen Ländern, die das dreckige Geschäft der Politik besorgen muss.

Gereizte Stimmung besänftigen

Deshalb hat der Überraschungskandidat noch eine zweite Botschaft im Gepäck: Die CDU soll einen Deutschland-Dialog starten, um die gereizte Stimmung zu besänftigen, die seit der Flüchtlingskrise die Menschen befallen hat. „Sie erfahren in einer Zeit dramatischer Veränderungen keine Politik, die sie schützt“, erklärt Röttgen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat eine solche republikweite Sprechstunde geführt, um die Aufruhr der Gelbwesten einzufangen. Was genau bei dem Dialog in Deutschland herauskommen soll und was er für Ideen dafür hat, verrät Röttgen nicht. Nur so viel: Die Wessis sollen die Ossis nicht belehren.

Dass das mit Westen und Osten nicht einfach ist, muss auch der Aspirant aus dem Rheinland erfahren. Er streitet sich nämlich mit drei Konkurrenten aus Nordrhein-Westfalen um den Parteivorsitz, um in einem zweiten Schritt Angela Merkel im Kanzleramt zu beerben. Das wollen Friedrich Merz, Jens Spahn und Armin Laschet auch. Sie drucksen noch herum und sprechen nicht laut aus, was ohnehin jeder weiß.

Ihr Parteifreund Norbert bringt sie jetzt in Zugzwang, ausgerechnet an Laschets Geburtstag. „Ich bin bislang der Erste und Einzige, der seine Kandidatur erklärt hat“, sagt Röttgen und freut sich über die Lacher. Der Neue macht gleichzeitig deutlich, dass er nicht vorhat, sich an irgendwelchen Hinterzimmerdeals der drei anderen zu beteiligen. Ein Team ist für ihn nur der taktische Versuch, die Machtfrage zu lösen, ohne die Partei inhaltlich zu erneuern nach anderthalb Jahrzehnten unter Merkel. „Ich glaube, das bringt uns noch nicht über die Hürde“, warnt Röttgen.

Einst von Merkel gefeuert

Im Berliner Betrieb werden dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages nur Außenseiterchancen eingeräumt. Vor acht Jahren wollte er Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen werden und fuhr bei den Wahlen eine Schlappe ein. Beratungsresistent und überheblich waren noch die höflicheren Beschreibungen für den damaligen Kandidaten. Für ihn endete die Wahl in einem doppelten Fiasko. Merkel schmiss den damaligen Bundesumweltminister aus dem Kabinett, als er sich weigerte, zurückzutreten. Röttgen gibt sich geläutert. „Wenn man so eine Niederlage erlebt hat, dann bleibt das relevant. Es bleibt relevant, wenn man wieder aufgestanden ist.“

Relevant für den Juristen mit Doktortitel ist die Schmach aber natürlich immer noch, die ihm Merkel zugefügt hat. Der damals Abservierte brennt darauf, sie zu tilgen. Dabei will er nicht zu viel Zeit ins Land gehen lassen. Schon deutlich vor der Sommerpause soll die CDU nach seinem Dafürhalten ihren neuen Vorsitzenden küren. Röttgen will die Mitglieder entscheiden lassen, wer die Partei anführt. Weil seine Hausmacht begrenzt ist und er nicht darauf setzen kann, dass sich auf einem Parteitag genügend Delegierte hinter ihm versammeln, ist das Votum der Basis seine einzige Chance.

 
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